Ein halbes Jahrhundert Ernteschutz

Das Südtiroler Hagelschutzkonsortium feiert in diesem Jahr ein Jubiläum: Im Jänner 1973 – also vor 50 Jahren – wurde es gegründet, heute ist es ein wichtiger Teil im Netzwerk der Südtiroler Landwirtschaft. Und es deckt weit mehr ab, als der Name vermuten lässt.

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Versicherung Produktion Wirtschaft

In der Ausgabe des „Landwirt“ vom 4. Februar 1973 ist ein kleiner unscheinbarer Artikel zu finden. Unter dem Titel „Gründung eines Konsortiums zum Schutz der Kulturen vor Witterungsunbilden“ steht dort unter anderem zu lesen: „In den letzten Jahren ist das Problem der aktiven wie auch der passiven Hagelabwehr häufig diskutiert worden. […] Eine zu diesem Zweck geschaffene Kommission versuchte durch Kontakte und Informationen die verschiedenen Interessen und vor allem die gebotenen Möglichkeiten auf einen Nenner zu bringen, um so über die Gründung eines Konsortiums den Stein endlich ins Rollen zu bringen. Ein entsprechend ausgearbeitetes Statut sollte die Wahlmöglichkeit offenlassen, aber doch konkret auf den Solidaritätsfonds abzielen, von dem man sich einen finanziellen Rückhalt entspricht.“

Gegründet unter Schirmherrschaft des Bauernbundes
Im Raiffeisenhaus in Bozen fanden sich am 25. Jänner 1973 Vertreter des VOG sowie der Genossenschaften ESO und APRO ein, um das Konsortium zu gründen. Der „Landwirt“ schreibt dazu: „Unter der Schirmherrschaft des Bauernbundes wollen sie versuchen, einen gemeinsamen Weg im Kampf gegen Witterungsschäden bei Intensivkulturen zu beschreiten, der auch einen finanziellen Ersatz der erlittenen Schäden ermöglicht.“ Anfang der 1970er-Jahre waren Versicherungen als Schutz gegen Ernteausfall – so wie wir sie heute kennen – noch weitgehend Neuland. Wetterschießen, Glockengeläut oder Hagelraketen galten damals als effizientere „Waffen“ zur Vermeidung von Hagel und ­Unwetter. Umso höher sind die Weitsicht und der Pioniergeist jener einzuschätzen, die 1973 das „Konsortium zum Schutz der Kulturen vor Witterungsunbilden“ gründeten, das heute kurz als Hagelschutzkonsortium bekannt ist.

Heute wesentlich breiter aufgestellt­
Bildete die Absicherung gegen Hagelschlag in den ersten Jahren tatsächlich der Schwerpunkt, so ist das Hagelschutzkonsortium heute wesentlich breiter aufgestellt. Das wird auch am versicherten Volumen sichtbar: Am Beginn waren es umgerechnet rund 200.000 Euro, heute sind es knapp 420 Millionen Euro an Produktionswert, der gegen verschiedene klimatische Risiken versichert wird. Aktuell zählt das Konsortium rund 8000 landwirtschaftliche Mitgliedsbetriebe, etwa drei Viertel davon nutzen die Risikomanagement-Systeme des Konsortiums. Zudem bevorschusst das Konsortium jährlich gut 35 Millionen Euro an EU-Fördergeldern aus dem nationalen Entwicklungsplan zugunsten aller versicherten Mitgliedsbetriebe. Mit den Sammelpolizzen des Hagelschutzkonsortiums werden jährlich rund 8600 Versicherungszertifikate ausgestellt. In Südtirol agieren in diesem Bereich 19 Versicherungsgesellschaften. Mit allen Versicherungsgesellschaften schließt das Hagelschutzkonsortium ein und dieselbe Sammelpolizze ab, sodass die Bedingungen für alle Landwirte gleich sind, egal mit welcher Versicherungsgesellschaft das Risiko gedeckt wird.

Über 90 Prozent betrifft Versicherung von Produkten
383 Millionen Produktionswert – also über 90 Prozent der Gesamtsumme entfallen auf die Versicherung von landwirtschaftlichen Produkten wie Äpfel, Weintrauben, Kirschen, Marillen, Grünland. Eine Million Euro beträgt der Wert der Versicherung von Tieren wie Milchkühe, Schafe und Ziegen gegen Krankheiten und andere Ausfälle. Auf 37 Millionen Euro Versicherungswert belaufen sich die Absicherungen von landwirtschaftlichen Strukturen wie Hagelnetze, Ertragsanlagen und Glashäuser im Gartenbau.

Viel versicherte Ware im Obst- und Weinbau
Vor allem im Obst- und Weinbau ist der Anteil der versicherten Ware besonders hoch: 2022 wurden in Südtirol 20.000 Hektar Äpfel mit einem Ertrag von 510.000 Tonnen versichert. Das sind 57 Prozent der Gesamtproduktion an Äpfeln in Südtirol. Im Weinbau wurden rund 3500 Hektar Weintrauben mit einem Ertrag von 350.000 Doppelzentnern versichert. Das entspricht rund 80 Prozent der Gesamtproduktion in Südtirol. Heute bietet das Konsortium jedem landwirtschaftlichen Produktionsbereich maßgeschneiderte Absicherungsmöglichkeiten – und es sucht gemeinsam mit seinen Partnern auch immer neue Wege, wie sich Mitgliedsbetriebe gegen Ernteausfälle absichern können.
So gibt es bereits seit einigen Jahren eine eigene Dürreindexversicherung für das Grünland. 2018 wurde die erste rein parametrische Versicherungspolizze für die Landwirtschaft in Italien ausgearbeitet: ein Versicherungsmodell, das in trockenen Sommermonaten gezeigt hat, dass sich ein Versicherungsschutz in der Viehwirtschaft ebenso bezahlt macht wie jener, der seit 50 Jahren im Obst- und Weinbau angewandt wird. Ein weiteres Beispiel dafür sind die sogenannten sektoralen Mutualitätsfonds, die es mittlerweile für den Obstbau (als Mutualitätsfonds I.S.T. Äpfel) und die Milchwirtschaft (als Mutualitätsfonds I.S.T. Milch) gibt. Mit der Teilnahme an einem dieser Fonds können Betriebe ihr Einkommen auch gegen Ausfälle aufgrund von Marktschwankungen und steigenden Produktionskosten absichern.

Den ganzen Bericht finden Sie ab Freitag in der Ausgabe 10 des „Südtiroler Landwirt“ vom 26. Mai ab Seite 12, online auf „meinSBB“ oder in der „Südtiroler Landwirt“-App.

Bernhard Christanell

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