Ein Tag am Bergbauernhof
Arbeit und Leben der Bergbäuerinnen und -bauern nicht nur vom Bürostuhl aus unterstützen, sondern Hacke und Rechen in die Hand nehmen und mitarbeiten: Ein freiwilliger Arbeitseinsatz hat das Team vom „Südtiroler Landwirt“ einiges gelehrt. Und zufrieden gemacht.
Der 29. Mai verspricht ein schöner Tag zu werden: Die Luft ist zwar noch kühl, die Sonne scheint aber schon vom Himmel, laut Wetterbericht soll es auch trocken bleiben. Das ist gut für uns und für die Bauern, die bereits zum ersten Mal gemäht haben in diesem Jahr. Walter Moosmair ist einer davon.
Sein Hof, der Niedersteinhof in St. Leonhard im Passeiertal, liegt auf rund 900 Metern über dem Meer. Von der Hauptstraße aus sind es nur ein paar Kurven, schon sind wir da. Wir, das ist das Team vom „Südtiroler Landwirt“, das an diesem Freitag am Niedersteinhof einen freiwilligen Arbeitseinsatz leisten soll. Als Bauernbund-Abteilung sind wir nicht komplett: Andreas, der unter anderem für Anzeigen und Werbung zuständig ist, fällt
krankheitsbedingt aus.
Der Rest der Truppe – Chefredakteur Bernhard, Grafikerin Ulli, Verwaltungs- und Organisationsmitarbeiterin Elke, Anna, die Online-Redakteurin, und ich – ist voll motiviert und gespannt, was uns hier bei unserem ersten Arbeitseinsatz am Bergbauernhof erwartet.
Zunächst gibt’s Kaffee: Den serviert Bäuerin Caroline. Auch Muffins hat sie gebacken, damit wir uns physisch auf den Arbeitstag vorbereiten können. Ihr Mann Walter erklärt uns inzwischen, was den Niedersteinhof ausmacht. Er unterstreicht, wie wichtig der Ve-
rein Freiwillige Arbeitseinsätze für seinen Hof und für viele Südtiroler Bergbauernhöfe ist: „Die Erntehelfer sind für uns enorm wichtig! Sie sind nicht nur eine konkrete Arbeitshilfe, sondern bereichern uns auch als Familie.“
Zusammen arbeiten, essen, leben
Schließlich lebt man bei einem freiwilligen Arbeitseinsatz mit der Bergbauernfamilie zusammen: Man arbeitet gemeinsam, isst gemeinsam, dabei ergeben sich Gespräche, jeder erzählt von sich und erfährt vom Leben der anderen. So lernt man sich kennen. Helfer, die nicht aus der Landwirtschaft kommen, verstehen durch diesen direkten Kontakt mit Bauersleuten, was das Leben und Wirtschaften auf einem Bergbauernhof ausmacht: Es ist vielleicht weniger hektisch als in einem anderen Beruf, aber es ist körperlich anstrengend und fordert allein schon dadurch immer wieder aufs Neue, weil die Natur die Regeln vorgibt. Da ist Flexibilität gefragt. Und abgeschlossen ist die Arbeit auf einem Bergbauernhof auch nie: Wenn die Tiere versorgt und die Milch gestellt sind, warten die Wiesen, der Wald, Feld und Acker, die Maschinen und nicht zuletzt der Haushalt.
Mehrere Standbeine
Der Niedersteinhof ist ein Biobergbauernhof mit Vieh- und Milchwirtschaft: Im Stall stehen acht Kühe der Rasse Grauvieh, ihre Milch wird alle zwei Tage abgeholt und in die Biokäserei Passeier gebracht. In dieser kleinen Genossenschaft, die gerade einmal 16 Mitglieder zählt, wird die Milch zu Käse verarbeitet. Im Sommer kommt das Vieh auf die Alm, das entlastet die Familie in den Monaten, in denen die Heuarbeit anfällt. Mit Stolz zeigt Bauer Walter seine Tiere. Darunter sind auch zwei Pusterer Sprinzen und ein Pusterer-Sprinzen-Kalb. Der Plan ist, Schritt für Schritt auf die weniger arbeitsintensive Mutterkuhhaltung umzusteigen und das Fleisch zu vermarkten.
Die sechs Hektar Wiesen rund um den Niedersteinhof sind steil, aber gut erschlossen. Deshalb muss zwar von Hand zusammengerecht werden, das Heu kann dann aber mit dem Heulader aufgenommen und in den Stadel gebracht werden. Der Bauer hat bereits alles gemäht, was im Frühjahr nicht als Weide genutzt wurde. Ein Teil davon muss noch in den Stadel gebracht werden. Aber dazu mehr am Nachmittag. Denn noch ist das Gras feucht, in der Nacht zuvor hat es draufgeregnet.
Bauer Walter erzählt, wie er das Heu seiner Alm, die auf etwa 2000 Meter Meereshöhe liegt, als Bergwiesenheu vermarktet: in Kissen zum Beispiel, für Heubäder an verschiedene Hotels oder als Likör und Gin. Am Stadeldach sind Fotovoltaikpaneele angebracht, ein weiteres Standbein für den Niedersteinhof, der mit einer Ferienwohnung für Urlaub auf dem Bauernhof zusätzliches Einkommen erwirtschaftet. Normalerweise. Denn im Jänner ist das Obergeschoss des Wohnhauses ausgebrannt und mit ihm die Ferienwohnung. Bald aber soll mit dem Wiederaufbau begonnen werden. Auch eine zweite Ferienwohnung ist geplant.
Pflanzen und hacken
Nun aber ist unser Einsatz gefragt: Bäuerin Caroline braucht Hilfe im Gemüseacker. Vor Kurzem hat sie Pflänzchen geholt, die sind jetzt in dem kleinen Gewächshaus unterm Stadel. Wir vier Frauen folgen ihr dorthin. Ihr Jüngster, Paul, ist heute sehr anhänglich, er zahnt wohl gerade. Paul quengelt, als sie ihn in den Kinderwagen legt, damit sie uns zeigen kann, wo die Hacken sind, die Schubkarre steht, der Acker liegt.
Frisch machen wir uns ans Werk, pflanzen Rohnen, Kohlrabi und Fenchel. Der Boden ist gut, die Sonne wärmt uns den Rücken. Bauer Walter feuert uns an. Er mäht die Böschung unter dem Acker, Bernhard recht das Gras zusammen und lädt es in die dafür vorgesehene Kiste. Als die beiden zurück zum Hof fahren, haben wir die Pflänzchen in der Erde. Nun kommt etwas Strohmulch auf den Acker, das schützt den Boden vor dem Austrocknen und unterdrückt Unkraut.
Dann geht’s an die Kartoffeln. Wir lockern den Boden durch, zupfen das Unkraut aus der Erde und häufeln die Pflanzen an. Inzwischen ist es Mittag vorbei, die Sonne ist schon ganz schön heiß. Zum Glück weht ein kühles Lüftchen. Da klingelt das Telefon: Caroline hat das Essen fast fertig, jemand solle doch bitte den Mittagstisch herrichten. Während Ulli zu Hilfe eilt, räumen wir auf, laden alles in die Schubkarre und stellen den Beregner an. Ein Blick auf den Acker macht uns zufrieden. Schaut gut aus, jetzt braucht es nur noch wachsen.
Der Tisch auf der Terrasse ist gedeckt. Bäuerin Caroline hat groß aufgekocht: Es gibt Knödel mit Speck oder Käse, dazu Kraut- und Rohnensalat, Saft, Wasser, Bier und Wein. Als Nachtisch hat sie Nussschnecken vorbereitet. Alle greifen gerne zu. Den Bauersleuten ist es wichtig, dass sich die Helferinnen und Helfer wohlfühlen am Hof. Bauer Walter sagt: „Irgendwie gehören die Freiwilligen zur Familie dazu. Sie helfen uns nicht nur, sie teilen auch unser Leben und können sich überall dort einbringen, wo sie wollen oder können: Bei der Heuernte gleich wie im Haushalt, bei den Kindern oder im Stall.“
Frau durch freiwilligen Einsatz kennengelernt
Ganz nebenbei erzählt er auch, dass seine Frau Caroline im Jahr 2012 als freiwillige Helferin auf den Hof gekommen ist. In den drei Monaten, in denen die aus der Nähe von Stuttgart stammende Forstwirtin am Niedersteinhof mithalf, hat es zwischen den beiden gefunkt: Also ist sie dageblieben. Inzwischen haben die beiden drei Kinder: Franziska wird im Herbst sieben, Johannes ist gerade fünf geworden, und Paul feiert seinen ersten Geburtstag im August.
Der Kleine schläft im Kinderwagen, während wir essen. Auch Altbauer Johann sitzt mit am Tisch. Er ist 79 Jahre alt, aber noch fit und hilft, wo immer er kann: Nicht nur in der Landwirtschaft, auch die Kinder können Walter und Caroline unbesorgt in seiner Obhut lassen, wenn sie mal beide wegmüssen. Auch als sie vor zwei Jahren nach ihrer Hochzeit in die Flitterwochen gefahren sind, sind die Kinder beim Opa geblieben. Er hat in dieser Zeit Haus und Hof samt freiwilligen Helfern übernommen.
Königsdisziplin Heuernte
Wir helfen schnell beim Abräumen, denn jetzt kriegt es Bauer Walter eilig: Der frische Wind und die Sonne haben das Heu gut trocknen lassen, noch heute Abend muss alles im Stadel sein. Im Hof werden die Rechen verteilt, auch Franziska und Johannes kriegen einen in die Hand gedrückt.
Die Wiese liegt direkt unter dem Haus, von oben scheint sie nicht besonders groß. Mit dem Heulader fährt Walter voraus, teilt uns dann in zwei Gruppen ein, die jeweils an den entgegengesetzten Enden der Wiese mit dem Rechen anfangen sollen.
Es gibt einen oberen Weg, an dem der Heulader aufladen kann, der Rest muss bis ganz unten gebracht werden. Die Wiese ist größer als gedacht. Auch steiler. Und rutschig ist es auch. Zum Glück sind alle gut ausgerüstet: mit Bergschuhen, Hut oder Käppi und Handschuhen, um Blasen zu vermeiden.
Anfangs ist es noch relativ einfach, das Heu den Hang hinunterzurechen, nach und nach wird es aber mühsam: Nicht nur weil sich die Mengen an Heu zu großen Haufen auftürmen, es ist auch heiß, der Heustaub juckt in der Nase und im Hals. Einige Stellen sind unwegsam, andere ausgesetzt und nicht ungefährlich. Mit vereinten Kräften geht die Arbeit aber recht flott von der Hand. Nachdem Walter mit der letzten Fuhre in Richtung Hof gestartet ist, machen auch wir uns auf den Rückweg. Bald möchten wir die Heimfahrt antreten.
Zunächst zeigt uns der Bauer aber noch seine Schatzkammer: Einen kleinen Hofladen mit seinen Erzeugnissen aus Bergwiesenheu und Produkten anderer Bauern aus der Gegend. Auch ein Stamperle Likör oder Gin gibt er uns zu kosten. Als Aperitif sozusagen, denn Bäuerin Caroline hat auf der Terrasse eine Marende gerichtet: mit eigenem Speck und Käse, selbst gemachtem Aufstrich, Brot und Gemüse. Liebevoll hergerichtet mit Blüten und Kräutern. Hungrig will man uns nicht von dannen ziehen lassen. Als Dankeschön für die Hilfe kriegt jede von uns ein von Altbauer Johann selbst gefertigtes Schneidbrett aus Zirbenholz überreicht. Das soll uns später immer an unseren Arbeitseinsatz erinnern.
Beim gemeinsamen Essen bleibt noch etwas Zeit zum Reden: Walter und Caroline erzählen von ihrem guten Leben am Hof, Johann von früher. Bereits seit dem Jahr 2010 sind immer wieder freiwillige Helfer am Niedersteinhof: Manche bleiben so wie wir nur einen Tag, andere verbringen ganze Wochen am Hof und unterstützen die Familie, wo immer sie gebraucht werden.
Viele kommen aus Deutschland. Durch die spezielle Situation in diesem Jahr ist es für den Verein Freiwillige Arbeitseinsätze nicht ganz einfach, alle Höfe mit den nötigen Arbeitskräften zu versorgen. Koordinatorin Monika Thaler sagt: „Da die Bestimmungen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind und sich laufend etwas ändert, versuchen wir so gut wie möglich darauf zu reagieren. Die meisten Helferinnen und Helfer lassen sich von ihrem Arbeitseinsatz aber nicht abbringen.“ So sind am Wochenende 31 Bundesdeutsche, ein Luxemburger, ein Schweizer sowie elf Einheimische auf insgesamt 39 Südtiroler Bergbauernhöfen im Einsatz. Der Bedarf an Arbeitskräften ist aber damit nicht gedeckt: Vor allem für die Heuernte bräuchten wir noch Leute, aber auch für alle anderen Arbeiten am Hof und im Haushalt bräuchte es noch Helferinnen und Helfer.“
Langsam wird es kühl am Berg. Zeit für uns, die Heimfahrt anzutreten. Was bleibt? Ein gutes Gefühl, etwas geleistet zu haben. Und Respekt – vor der schweren Bergbauernarbeit Tag für Tag.
Mehr Infos
Wer einen freiwilligen Arbeitseinsatz leisten möchte, kann sich beim Verein Freiwillige Arbeitseinsätze melden: Tel. 0471 999309, E-Mail: info@bergbauernhilfe.it.