Herausfordernd, aber zufriedenstellend
Ein herausforderndes, letztendlich aber zufriedenstellendes Jahr hat die Südtiroler Milchwirtschaft hinter sich. Der Sennereiverband Südtirol legte bei seiner Vollversammlung Anfang vergangener Woche in Bozen die aktuellen Zahlen vor.
Zum einen war (und ist) der Milchmarkt höchst unsicher, zum anderen sind die Auszahlungspreise für die Milch in Südtirol stabil geblieben. Während dem europäischen Milchmarkt viele Jahre lang eine Überproduktion zu schaffen gemacht hat, ist die Milchproduktion in den letzten Jahren gesunken. Auch 2024 war die Menge am Markt vergleichsweise gering, vor allem Blauzungenkrankheit und Maul- und Klauenseuche bereiten den europäischen Milchbauern Probleme. „Südtirol ist bis dato verschont geblieben und das knappe Angebot ist für uns natürlich eine gute Nachricht, weil wir unsere Produkte besser absetzen können“, berichtete die Direktorin des Sennereiverbandes Annemarie Kaser. Obmann Joachim Reinalter blickte ebenfalls auf ein herausforderndes Jahr zurück: „Nicht nur das Wetter, auch der Markt war sehr turbulent und der Druck der Handelsketten auf Preisnachlässe hoch. Trotzdem war das Milchwirtschaftsjahr 2024 für uns unterm Strich stabil – sowohl was die Milchmenge als auch was den Auszahlungspreis
betrifft.“ Anders als in anderen Teilen Europas ist die Produktionsmenge 2024 in Südtirol im Vergleich zum Jahr davor weitgehend stabil geblieben. So wurden rund 365,5 Millionen Kilogramm Milch angeliefert, davon mehr als 22 Prozent Heumilch und noch einmal fast fünf Prozent Bioheumilch. Leider weiter im Sinken ist dagegen die Zahl der Milchlieferanten in Südtirol. 2024 waren es 3.967, das sind 138 weniger als im Jahr zuvor und fast 2.000 weniger als noch vor 20 Jahren.
Milchauszahlungspreis leicht gesunken
Mit Spannung erwartet wird jedes Jahr der durchschnittliche Milchauszahlungspreis. Dieser lag 2024 – ab Erfassungsstelle, bei natürlichen Inhaltsstoffen, mit Qualitätszuschlägen und ohne Mwst. – bei 67,63 Cent pro Kilogramm und damit zwar leicht unter jenem des vergangenen Jahres (68,67 Cent), aber weit über dem Niveau der Jahre zuvor. „Mit dem Auszahlungspreis können wir zufrieden sein, er ist für unsere Milchbäuerinnen und -bauern aber auch in dieser Höhe dringend notwendig, denn die Produktionskosten sind nach wie vor sehr hoch“, betonte Reinalter bei der Versammlung. Insgesamt wurden an die 3.967 Milchlieferanten im vergangenen Jahr 248,66 Millionen Euro an Milchgeld ausbezahlt. „Unser Ziel muss es sein, unseren hohen Qualitätsstandard zu halten, denn nur so können wir die Wertschöpfung am Hof halten und damit auch den kommenden Generationen eine attraktive Tätigkeit und eine Perspektive ermöglichen“, stellte Reinalter fest.
Milch mit Zusatzleistungen
„Auch wenn die Zahl der Milchlieferanten weiter sinkt, zeigt die immer noch hohe Anzahl, wie tief verwurzelt die Milchwirtschaft in unserem Land ist, wie viele Familien nach wie vor ein wichtiges Einkommen daraus beziehen und wie klein strukturiert unser Sektor ist“, betonte Annemarie Kaser. Die kleine Struktur, die Familienbetriebe und die Verteilung über das ganze Land führt die Direktorin des Sennereiverbandes auch an, wenn es darum geht, die nicht nur wirtschaftliche Bedeutung des Sektors Milch zu unterstreichen. „Wer zu Südtiroler Milchprodukten greift, kauft nicht nur ein Qualitätsprodukt ein, sondern mit ihm auch eine ganze Reihe von Zusatzleistungen“, unterstrich Kaser, die als Beispiele die Pflege der Kulturlandschaft, die Erhaltung der Lebensqualität im ländlichen Raum und nicht zuletzt die Bereitstellung natürlicher und hochwertiger Lebensmittel nennt. „Gerade wenn man sich die Weltlage anschaut, zeigt sich, wie wichtig es ist, dass vor Ort Lebensmittel hergestellt werden und damit ein Beitrag zur Ernährungssicherheit geleistet wird“, erklärte Kaser.
83 Hof- und 70 Almkäsereien leisten wichtigen Beitrag
Zudem leistet die handwerkliche Milchverarbeitung auf rund 83 Hofkäsereien und etwa 70 Almen mit insgesamt ca. 4,2 Millionen Kilogramm Milch einen wichtigen Beitrag zur regionalen Wertschöpfung. Bei internationalen Wettbewerben wie der Almkäseolympiade in Galtür wurden 2024 insgesamt 21 Medaillen gewonnen. Die Nachfrage nach regionalen, handwerklich erzeugten Produkten bleibt anhaltend hoch. Ein weiterer Schwerpunkt der Verbandsarbeit lag auf der Hofberatung. 2024 wurden 2.364 Betriebsbesuche durchgeführt, mit besonderem Fokus auf Melkanlagenkontrollen. Dabei zeigte sich, dass moderne Melktechnik zwar vermehrt eingesetzt wird, jedoch auch regelmäßige Überprüfungen notwendig sind, um Milchqualität und Tierwohl sicherzustellen. Bei der Vollversammlung des Verbands wurde zudem betont, wie wichtig das wirtschaftliche Fundament sei, das durch die Milchwirtschaft geschaffen wird. So haben die zehn genossenschaftlichen Milchverarbeiter in Südtirol allein im Vorjahr einen Gesamtumsatz von rund 700 Millionen Euro erwirtschaftet. Die Milchhöfe beschäftigen 1.139 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Südtiroler Milchprodukte werden weltweit in nicht weniger als 40 Länder exportiert. Diese positive Exportentwicklung wird durch gezielte Marketingaktivitäten im In- und Ausland unterstützt. So wurde beispielsweise 2024 in Eataly-Märkten in den USA und Kanada eine Sonderpräsentation durchgeführt, die Südtiroler Käse mit dem Qualitätszeichen in den Fokus stellte. Auch in Italien wurde mit der Heumilch-Kampagne auf die besondere Qualität und traditionelle Herstellung hingewiesen.
Engmaschiges Kontrollsystem
Ein Hauptaugenmerk des Sennereiverbandes liegt seit jeher auf der Qualität von Produktion und Produkten. Er ist die Dachorganisation der zehn genossenschaftlichen Milchverarbeiter im Land, berät und betreut seine Mitglieder und trägt zudem das engmaschige Kontrollsystem der Südtiroler Milchwirtschaft. „Unsere Kontrollen umfassen die gesamte Wertschöpfungskette, beginnen also mit der artgerechten Haltung und Fütterung der rund 60.000 Milchkühe im Land, beinhalten die Milchgewinnung und enden bei der Prüfung der Qualität von Rohmilch und Milchprodukten“, berichtete Kaser. Welcher Aufwand hinter diesem Kontrollsystem steckt, zeigt ein Blick auf die Zahlen. So werden im Labor des Sennereiverbandes allein neun unterschiedliche Arten von Rohmilchproben abgewickelt und dabei 45 Parameter erfasst. Im vergangenen Milchwirtschaftsjahr sind so über 730.000 Rohmilchproben analysiert und über fünf Millionen Parameter erhoben worden, dazu kommen noch einmal weit über 100.000 Produktkontrollen. „Unser Qualitätssystem ist aufwändig, es bildet aber die Grundlage unserer ganzen Branche, nachdem wir in Südtirol immer nur über die Qualität mit den Betrieben aus den Gunstlagen konkurrieren können“, sagte die Direktorin. Zudem engagiert sich der Sennereiverband zunehmend im Bereich Nachhaltigkeit. Dazu gehören unter anderem die Mitwirkung am Projekt zur Entwicklung eines CO2-Klimarechners für Milchviehbetriebe und die Vorbereitung auf die neue EU-Nachhaltigkeitsberichtspflicht. Ebenso wurde die Tierwohl-Zertifizierung (SQNBA) inhaltlich vorbereitet, deren Umsetzung in Betrieben mit Kombinationshaltung absehbar wird.
Lob von Ehrengästen
Lob für die Arbeit des Sennereiverbandes gab es von den Ehrengästen. Landwirtschafts-Landesrat Luis Walcher erinnerte an die unverzichtbare Rolle der Bauern als Lebensmittelproduzenten: „Wir werden uns noch mehr anstrengen müssen als bisher, um Bauern zu halten und weiterhin genügend Lebensmittel zur Verfügung zu haben.“ Bauernbund-Landesobmann Daniel Gasser hob das gut funktionierende Netzwerk hervor, in das der Sennereiverband eingebettet ist, und Herbert Von Leon, der Obmann des Raiffeisenverbandes, erinnerte an das Internationale Jahr der Genossenschaften und deren Rolle für die erfolgreiche Entwicklung der Südtiroler Milchwirtschaft.