Im Straußenland in Schönberg am Kamp (Niederösterreich) werden Laufvögel als Eier-, Fleisch- und Lederlieferanten gehalten.

Innovationsreise nach Österreich

Haselnüsse, Strauße, Mehlwürmer oder ein Online-Garten – die moderne Landwirtschaft ist vielfältig. Die Innovationsreise des Südtiroler Bauernbundes führte nach Österreich zu fünf landwirtschaftlichen Betrieben, die neue Produkte und Vertriebswege gefunden haben.

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Innovationen Produktion

Neues kennenzulernen, ist nicht nur spannend, sondern weckt auch die Lust, selbst initiativ zu werden. Deshalb hat die Bauernbund Weiterbildung gemeinsam mit der Abteilung Innovation & Energie im Rahmen des ELER-geförderten Projekts ­INNOProdukte eine Lehrfahrt nach Österreich zu fünf innovativen Betrieben organisiert.

Die Haselnuss als ­Gemeinschaftsprojekt
„Wenn man etwas Neues machen will, muss man so groß anfangen, dass das Aufhören wehtut!“ Nach diesem Motto hat sich die Kernhof KG ins Abenteuer gestürzt und 2017 die ersten Biohaselnussbäume in Oberösterreich gepflanzt – insgesamt gleich 5000 Stück. Ans Aufhören wurde bis heute aber noch kein Gedanken verschwendet, auch wenn die Bäume ihren vollen Ertrag erst nach etwa zehn Jahren erreichen. Die Produktion der Haselnüsse teilt sich zu gleichen Teilen auf fünf Betriebe auf. Jede der beteiligten Familien pflegt rund 1000 Hasel­nussbäume auf 2,7 Hektar Fläche. Die Nüsse werden gemeinschaftlich verarbeitet und vermarktet und finden bereits seit dem ersten Verkaufsjahr 2020 großen Anklang bei Konsumentinnen und Konsumenten. Ob in der Schale, geschält oder geröstet, durch die hohe Qualität und maximale Frische der oberösterreichischen Biohaselnüsse ist die Massenware aus dem Ausland keine Konkurrenz für den Kernhof. Der Anbau bringt aber auch einige Herausforderungen mit sich. Standort- und Sortenwahl beispielsweise sollten gut überlegt sein, denn die Lebensdauer eines Haselnussbaumes liegt zwischen 40 und 60 Jahren. Für gute Erträge – möglich sind bis zu zwei Tonnen pro Hektar – muss auch die Fremdbestäubung sichergestellt werden. Wegen der unterschiedlichen Blütezeiten von männlichen und weiblichen Blüten muss der Blühzeitpunkt einzelner Sorten gut aufeinander abgestimmt sein.  Für gesunde Bäume und gute Ernte sind sauberes Arbeiten beim Schnitt im Frühjahr und gut durchdachter Pflanzenschutz essenziell. Den Haselnussbohrer halten am Kernhof beispielsweise Hühner in Schach: Sie picken die Larven des Schädlings aus dem Boden. Andere Schädlinge und Krankheiten werden mit mehrmaligem Ausbringen von biologischen Pflanzenschutzmitteln bekämpft. Neue Kulturen bringen immer auch neue Schwierigkeiten mit sich. Durch viele Weiterbildungen und Expertengespräche waren die Mitglieder des Kernhofs aber bereits auf Vieles vorbereitet, nun kommt mit jedem Jahr auch ihr eigenes, erprobtes Wissen hinzu.

Nischenkulturen aus ­gemeinschaftlicher Produktion
Eine Nischenkultur kann zwar mit einer hohen Wertschöpfung, aber durchaus auch mit einem hohen Risiko verbunden sein. Bereits 1984 wurde genau aus diesem Grund der Waldviertler Sonderkulturenverein gegründet, welcher es sich zum Ziel gemacht hat, die Produktion von Nischenprodukten gemeinschaftlich zu organisieren. Die Zahl der Mitglieder liegt mittlerweile bei rund 1000 landwirtschaftlichen Betrieben. Sie produzieren verschiedenste Sonderkulturen, welche anschließend durch das vom Verein gegründete Unternehmen Waldland verarbeitet und vermarktet werden. Die Produktpalette umfasst unter anderem Geflügel, Fische und vor allem Pflanzen und Kräuter, die vorwiegend in der Pharmaindustrie Anwendung finden. Besonders bekannte Beispiele sind der Waldviertler Mohn und die Mariendistel, die für Lebermedikamente eingesetzt wird. Durch den Vereinsgedanken wird nicht nur das Risiko für den einzelnen Landwirt minimiert, sondern es gelingt beispielsweise auch, Ernte- und Verarbeitungsmaschinen genauestens auf die Besonderheiten der angebauten Produkte anzupassen. Die hoch spezialisierten Geräte können dann überbetrieblich genutzt werden. Ein innovatives Beispiel, das zeigt, was man mit einer gut durchdachten Zusammenarbeit alles erreichen kann.

Exotisches Geflügel im ­Straußenland
Über 300 Laufvögel leben im Straußenland in Schönberg am Kamp in Niederösterreich. Die Strauße, Nandus und Emus werden in großen Freigehegen gehalten und sind trotz ihrer südlichen Wurzeln auch im Winter immer an der frischen Luft. Das Futter für die Tiere wird auf den umliegenden Äckern produziert, die Vögel dienen als Eier-, Fleisch- und Lederlieferanten. So entspricht ein Straußenei etwa 25 Hühnereiern und ein ausgewachsenes Tier liefert rund 30 Kilogramm Fleisch, allerdings handelt es sich dabei nur um die Keulen und zu kleinen Teilen auch um Hals und Innereien, denn Laufvögel besitzen aufgrund ihrer Flugunfähigkeit kein Brustfleisch. Vor allem sind die exotischen Tiere aber eine Attraktion, die man sich nicht entgehen lassen sollte, denn der besondere Charme dieser neugierigen Vögel zieht jeden in den Bann.

Großes Krabbeln in Kärnten
Als „größte Massentierhaltung Österreichs“ beschreibt Andreas Koitz seinen Betrieb ­Prime Insects. Der Kärntner Landwirt züchtet Mehlwürmer und kann somit auf wenigen Quadratmetern mehrere Tausend Tiere halten. Anders als der Name vermuten lässt, handelt es sich beim Mehlwurm nicht um einen Wurm, sondern um die Larve des Mehlkäfers, welche bereits mit sechs kleinen Beinchen ausgestattet ist. Am Hof wird sowohl Mast und Nachzucht als auch ein Teil der Verarbeitung vorgenommen. Das Nährstoffprofil der essfertigen Mehlwürmer wird maßgeblich durch das Futter beeinflusst. Seinen Hauptanteil bilden Weizenkleie und -schrot, für genügend Protein sorgt Bierhefe und der Vitamingehalt wird durch die Zugabe von Kräutern wie Petersilie gesteuert. Um das Futter feucht zu halten, werden zerkleinerte Gemüse- oder Obstreste beigemengt.
Geerntet werden die Mehlwürmer kurz vor der Verpuppung, indem sie durch die eigens entwickelte Sortiermaschine vom Futter­substrat getrennt werden. Die Tötung erfolgt schonend durch Einfrieren, dabei kommt der Stoffwechsel der Larven zum Erliegen. Schließlich werden die Mehlwürmer noch geröstet, bevor man sie entweder versteckt im Proteinriegel, in Schokolade gehüllt oder, für besonders Mutige, auch pur genießen kann. Der Geschmack kommt immerhin vielen bekannt vor, denn er erinnert an Popcorn. Die Wurmfarm ist ein echtes Pilotprojekt in Österreich und traf anfangs auch auf viel Skepsis. Doch Andreas Koitz ist überzeugt, dass Insekten auch in der menschlichen Ernährung immer wichtiger werden, denn ihr hoher Protein- und Vitamingehalt ergänzt auch eine rein pflanzliche Ernährung perfekt. Seine Kinder und Neffen jedenfalls bestehen zur Jause bereits auf die kleinen Würmer, wie er erzählt.

Online garteln, offline genießen
Als Quereinsteiger war die Landwirtschaft für die Gründer von MyAcker am Anfang noch echtes Neuland, doch der Erfolg spricht für sich. Mittlerweile teilt sich das Geschäftskonzept in zwei Bereiche: Zum einen kann man sich online, ähnlich wie bei einem Computerspiel, einen eigenen Garten zulegen und sich darum kümmern. Das Besondere daran ist, dass alle online ausgeführten Schritte auf einem echten Acker umgesetzt werden, bis schließlich die Ernte direkt vor die Haustür geliefert wird. Andererseits betreibt MyAcker auch regionale Geschäfte, die ganz ohne Verkäufer funktionieren. Im umgebauten Schiffscontainer werden die Waren platziert, der Zugang zum Geschäft erfolgt mittels Bankomatkarte und anschließend kann im Geschäft eingekauft und an der Selbstbedienungskasse bezahlt werden. Im originalen MyAcker-Container finden sich nur regionale Produkte aus einem Umkreis von maximal 35 Kilometern. Aber auch für andere Geschäftskonzepte wie die Nahversorgung im Dorf oder für einen Hofladen kann die Technik erworben und genutzt werden, dann allerdings ohne die Nennung der Marke MyAcker. Das MyAcker-Team schafft es, aktuelle Bedürfnisse zu erkennen und immer wieder neue und kreative Lösungen anzubieten – das zeigt, wie wichtig der Kontakt zu Konsumentinnen und Konsumenten ist.

Innovation in der Südtiroler Landwirtschaft
Die Innovationsreise hat den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gezeigt, wie vielfältig Landwirtschaft sein kann und dass durch Kreativität neue Wertschöpfungsmöglichkeiten entstehen: Eine kleine Idee, die mit Leidenschaft und Schritt für Schritt umgesetzt wird, kann zu etwas Großem heranwachsen. Bei neuen Ideen oder dem Wunsch nach mehr Innovation am Betrieb gibt die Abteilung Innovation & Energie des Südtiroler Bauernbundes Hilfestellung. Sowohl beim Finden neuer Ideen als auch bei der konkreten Umsetzung können die fachkundigen Berater Interessierte  unterstützen. Mehr Informationen finden Interessierte online unter www.sbb.it/de/service/innovation-suedtirol oder direkt bei der Abteilung (E-Mail: Innovation-energie@sbb.it, Tel. 0471 999363).

Lena Staffler

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