Protest ist legitim
In mehreren europäischen Ländern gehen derzeit Bäuerinnen und Bauern auf die Straße, um für höhere Einkommen und Bürokratieabbau zu protestieren. Der Südtiroler Bauernbund bekundet seine Solidarität mit den Demonstrierenden, denn die Probleme in der heimischen Landwirtschaft sind ähnlich, wenn auch nicht direkt vergleichbar.
In Deutschland, Frankreich, Belgien, Griechenland und Italien protestieren Zehntausende Bauern auf Kundgebungen und mit Straßenblockaden gegen die Agrarpolitik ihrer Regierungen und gegen immer neue Vorschriften aus Brüssel. Es sind vor allem drei Kritikpunkte, die die Bäuerinnen und Bauern auf die Straße treibt. „Viele Bäuerinnen und Bauern fürchten um ihre Existenz, da die Einnahmen aufgrund der gestiegenen Preise für Betriebsmittel stark gesunken sind und nicht mehr die Produktionskosten decken. Hinzu kommen immer neue Vorschriften und immer mehr Bürokratie besonders aus Brüssel. Und nicht zuletzt bemängeln die Bäuerinnen und Bauern fehlende Anerkennung für ihre Leistungen wie die Erzeugung von Lebensmitteln oder die Pflege der Kulturlandschaft“, erklärt Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler.
Bürokratie auch für Südtirols Bauern ein Problem
Mit ähnlichen Problemen hätten auch die heimischen bäuerlichen Betriebe zu kämpfen. „Die überbordende Bürokratie macht unseren Betrieben immer mehr zu schaffen, auch weil häufig nicht zwischen Groß- und Kleinbetrieben unterschieden wird. Für Betriebe mit zehn Kühen oder zwei Hektar Obst- und Weinbau gelten die gleichen Bestimmungen, wie für Betriebe mit 500 Kühen oder 100 ha Äpfel und Trauben, wie etwa staatliche Register mit Meldepflichten.“ Hinzu kommen immer neue Vorschläge und Umweltauflagen besonders aus Brüssel, die stark ideologisch gefärbt sind. „Völlig undifferenzierte Vorschläge wie das Wiederherstellungsgesetz der Natur oder die Halbierung der Pflanzenschutzmittel, die komplett an der Lebenswirklichkeit der Bäuerinnen und Bauern vorbeigehen und die Existenz vieler Betriebe gefährden, sorgen für Frust und Verärgerung.“
Auch die Einkommen hierzulande sind aufgrund der gestiegenen Preise für Betriebsstoffe zunehmend unter Druck, wenngleich Südtirol dank der Genossenschaften doch besser dasteht als Betriebe in anderen Ländern.
Volle Solidarität für friedliche Proteste
Auch die Hilflosigkeit der Bäuerinnen und Bauern gegenüber den großen Beutegreifern wie Wolf und Bär sorgt in Südtirol wie auch in Deutschland oder Frankreich für Unmut. „Daher sprechen wir den Bäuerinnen und Bauern, die friedlich auf die Straße gehen, unsere uneingeschränkte Solidarität aus. Das haben wir auch unseren befreundeten Bauernverbänden in Rom, Wien und Berlin mitgeteilt, mit denen wir in regelmäßigem Austausch stehen. Es ist wichtig, auf die Probleme in der europäischen Landwirtschaft hinzuweisen.“ Einig sind wir auch, dass die Politik alleine nicht alle Probleme der EU-Landwirtschaft lösen kann. Es brauche zusätzlich die Unterstützung des Handels und nicht zuletzt der Verbraucher, denn die Agrarpolitik müsse bis zum Teller reichen.
Proteste in Rom und Brüssel statt in Bozen
Protest sei legitim – von Protesten, die die Legitimation von demokratischen Vertretungen ablehnen, distanziere sich der SBB aber. In wenigen Tagen sollen auch in Südtirol Bauern auf die Straße gehen. Fraglich sei, ob Ort und Zeitpunkt gut gewählt sind. Nicht Bozen sei in erster Linie für die Probleme verantwortlich, sondern Rom und Brüssel, die für einen Großteil der Bürokratie verantwortlich sind. Dort müsse protestiert werden. Zudem gebe es erst seit wenigen Tagen eine neue Landesregierung. „Mit unserem neuen Landesrat Luis Walcher, der die Probleme der Landwirtschaft bestens kennt, sind wir schon im Gespräch, um die Produktionsbedingungen für unsere Betriebe zu verbessern.“ Große Hoffnungen setzt der SBB auch in dem vom Südtiroler Wirtschaftsring vorgeschlagenen Wirtschaftsplan ähnlich dem Klima- und Sozialplan. „Damit sollen zukünftig die Rahmenbedingungen für die Wirtschaftsbetriebe verbessert werden.“ Um die Produktionsbedingungen für die heimischen Betriebe zu verbessern, brauche es weiterhin den Dialog am Verhandlungstisch.