Die Unterlagen G 11 (l.) und M9 T337 (r.) mit der Sorte Red Chief® Camspur im siebten Standjahr am Standort Versuchszentrum Laimburg

Prüfung neuer Apfelunterlagen

Das Versuchszentrum Laimburg hat seit 1994 rund 70 Apfelunterlagen als mögliche Alternative zu M9 geprüft. Die Messlatte liegt hoch, weil die Standardunterlage sehr gute Eigenschaften besitzt, die schwierig übertroffen werden können.

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Produktion

Die Apfelunterlage M9 hat den Südtiroler Obstbau seit den 1970er-Jahren revolutioniert. Laut Katasterdaten aus dem Jahr 2023 ist M9 mit einem Anteil von 98 Prozent immer noch die dominierende Unterlagenwahl in Südtirol. Es scheint also, als ob es keinen Bedarf an Innovation bei den Apfelunterlagen gäbe. Allerdings gewinnen Krankheiten, für die M9 anfällig ist, und Probleme mit Bodenmüdigkeit zunehmend an Bedeutung. Auch neue Sorten mit unterschiedlicher Wüchsigkeit und neue Anbausysteme zeigen bei M9 gewisse Grenzen auf. Das sind triftige Gründe, um nach Ergänzungen und Alternativen zu suchen: unter der Voraussetzung, dass in Bezug auf Ertrag und Qualität das Niveau der Unterlage M9 zumindest gehalten werden kann.

Unterlagenprüfung ­Versuchszentrum Laimburg
Weltweit gibt es rund zehn aktive Züchtungsprogramme für Unterlagen. Seit 1994 wurden am Versuchszentrum Laimburg rund 70 verschiedene Unterlagen geprüft. Die Versuche werden vermehrt im europäischen Netzwerk der Versuchsinstitute EUFRIN an unterschiedlichen Standorten Europas durchgeführt. Derzeit werden am Versuchszentrum Laimburg 33 verschiedene Apfelunterlagen unter Südtiroler Anbaubedingungen getestet (Tabelle 1). Die erarbeiteten Ergebnisse stellen eine wichtige Entscheidungshilfe für Bäuerinnen und Bauern dar.

Einflussfaktoren von ­Apfelunteralgen
Die Prüfung neuer Apfelunterlagen ist ein komplexes und langwieriges Unterfangen, das mindestens 30 Eigenschaften erfasst. In erster Linie interessieren den Praktiker die agronomischen Eigenschaften der Unterlagen. Deshalb werden nicht nur die Wuchsstärke und der Ertragseintritt untersucht, sondern auch die Verankerung der Unterlagen im Boden sowie ihre Effizienz in Bezug auf die Ertragsleistung. Unterlagen, welche die Alternanz anfälliger Sorten brechen könnten, wären wünschenswert. Die Unterlage kann aufgrund ihrer Genetik bei der Edelsorte flachere oder steilere Ansatzwinkel induzieren und damit den Baumhabitus beeinflussen. In der Literatur findet man Nachweise des Einflusses der Unterlage auf die Fruchtgröße, Ausfärbung und innere Qualität. Die Unterlage G 41 produzierte beispielsweise in diversen Versuchen am Versuchszentrum Laimburg größere Früchte als M9 T337.
Zu berücksichtigen ist auch die Interaktion zwischen den Unterlagen und den Edelsorten. Denn nicht nur die Unterlage selbst, sondern auch die Kombination mit der richtigen Sorte kann entscheidend für den Erfolg einer Apfelanlage sein. In Unterlagenversuchen am Versuchszentrum Laimburg zeigte
die Unterlage G 11 im Vergleich zu M9 T337 bei Red Delicious Spur beispielsweise einen höheren Wachstums- und Ertragsunterschied als bei den Sorten Gala, Golden Delicious, Granny Smith oder Cripps Pink (s. Titelfoto). Wurzelfelder und Wurzelschosse, die bei M9 vermehrt auftreten, können uneinheitliche Anlagen zur Folge haben und Eintrittspforten für Krankheiten darstellen. Geneva-Unterlagen weisen generell weniger Wurzelfelder und Luftwurzeln auf als
M9 T337.
Am Versuchszentrum Laimburg wurden seit 2013 rund zehn verschiedene Apfelunterlagen in diversen Versuchen auf ihre Resistenz gegenüber Bodenmüdigkeit untersucht. Obwohl bei diesen Versuchen keine resistente Unterlage im engeren Sinne gefunden wurde, könnten Unterlagen mit einem höheren Wachstums- und Ertragspotenzial auf Nachbauböden einen Mehrwert bringen. Neben agronomischen Faktoren spielen biotische Stressfaktoren eine wichtige Rolle bei der Prüfung von Unterlagen. Infektionen mit Feuerbrand und Kragenfäule können durch die Auswahl robuster Unterlagen reduziert werden. Auch Schädlinge wie die Blutlaus können mit Unterlagen, die eine geringe Anfälligkeit aufweisen, eingedämmt werden. In einem Gewächshausversuch der Arbeitsgruppe Ökologischer Anbau am Versuchszentrum Laimburg wurde der Blutlausbefall bei verschiedenen Unterlagen untersucht. G 11 und G 41 waren nahezu frei von Befall, während M9 T337 dicht besiedelt wurde (s. Fotos unten).

Im Jahr 2019 wurden am Versuchszentrum Laimburg neben weiteren acht Standorten in Deutschland im Rahmen eines Bundesversuchs zu besenwuchsresistenten Apfelunterlagen diverse Prüfklone gepflanzt. Leider zeigten die Bäume auf allen Unterlagen eine zu starke Wüchsigkeit und einen zu niedrigen Ertrag, weshalb der Versuch im Jahr 2022 vorzeitig beendet wurde. Unterlagen reagieren auch unterschiedlich auf abiotische Stressfaktoren wie Trockenheit, Staunässe und Bodenversalzung. Der winterliche Kältebedarf von M9 könnte durch den Temperaturanstieg im Zuge des Klimawandels in den wärmsten Anbauregionen problematisch werden. In Brasilien wird beispielsweise aufgrund ihres anscheinend geringeren Kältebedarfs vermehrt die amerikanische Unterlage G 213 gepflanzt. Die Arbeitsgruppe Physiologie Obstbau am Versuchszentrum Laimburg beschäftigt sich seit 2020 mit mehrachsigen Erziehungssystemen in Kombination mit Unterlagen. Für die Baumschulen sind Informationen zur Kompatibilität mit der Edelsorte, zur Abrissleitung im Mutterbeet oder zur Eignung zu einer alternativen In-vitro-Vermehrung wichtig. Insgesamt ist die Entwicklung neuer Apfelunterlagen ein multidisziplinäres Unterfangen, das Fachwissen aus verschiedenen Bereichen wie Genetik, Agronomie und Pflanzenphysiologie erfordert.

Aktueller Forschungsstand
Aufgrund internationaler Forschungsergebnisse in Kombination mit Erfahrungen aus Südtirol (Tabelle 2) zählt G 11 derzeit für unser Anbaugebiet zu den vielversprechendsten Alternativen zu M9, gefolgt von den wüchsigeren Unterlagen M200 und G 41. Die neueste Generation von Geneva-Unterlagen steht erst seit 2016 (G 969 und G 935) bzw. seit 2020 (G 213) in den Testpflanzungen des Versuchszentrums Laimburg, eine definitive Aussage dazu und zu anderen neuen Unterlagen aus Neuseeland, Weißrussland und Polen ist deshalb noch verfrüht.

Versuchszentrum Laimburg

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