Runstnerhof, gelebte Artenvielfalt
Wie ein artenreiches Südtirol aussehen kann, davon konnten sich 22 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der ersten Veranstaltung des gleichnamigen Leuchtturm-Projekts selbst überzeugen. Begleitet wurden sie dabei von den Beraterinnen und Beratern der verschiedenen Projektpartner.
Georg Zischg, Betriebsleiter am Runstnerhof, führte die Gruppe zunächst in die Kastanienwiese. Sie ist sein persönliches Projekt zur Entschleunigung. Die Wiese am Waldrand war vormals eine Apfelanlage, die mit Verbiss und Schädlingsdruck zu kämpfen hatte. Nachdem er sie gerodet hatte, entschied sich der Bauer, einen neuen Weg zu gehen und stärker zu diversifizieren. Heute prägen Kastanienbäume die Wiese, darunter wächst Gras. Am Rand des neuen Kastanienhains stehen einige unbehandelte Obst- und Nussbäume, ein Teil der Fläche wird zur Produktion von Schnittblumen genutzt und das Brennholz für den Winter liegt hier gut zugänglich ab. Damit sind viele neue Lebensräume für Insekten und andere Tiere auf der Fläche entstanden, erklärt Julian von Spinn, Ökologieberater von Bioland Südtirol. Der Bioverband ist einer der Projektpartner des Leuchtturm-Projekts „Artenreiches Südtirol“ des Südtiroler Bauernbundes. Bei der ersten Veranstaltung zu diesem Projekt konnten sich 22 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Runstnerhof in Gargazon selbst davon überzeugen, wie Artenvielfalt in einem landwirtschaftlichen Betrieb gefördert und gelebt werden kann.
Vielfalt im Kleinen
Dieser Weg der Umstellung ist natürlich nicht für jeden Betrieb geeignet. Daher führte Georg Zischg die Gruppe aus integriert und biologisch wirtschaftenden Obst-, Wein- und Grünlandbauern und -bäuerinnen in seine Apfelanlage. Hier sind kleine Akzente für mehr Artenvielfalt gesetzt: Marillenbäume zwischen den Galaäpfeln, Zypressen als Kopfbäume, ein Steinhaufen, eine Birke. Der Landwirt berichtete vom Vogelgezwitscher in den Bäumen und vom vielfältigen Leben im Steinhaufen, seine Hand stecke er aber lieber nicht hinein, sagte er schmunzelnd. Einsaaten stehen am Runstnerhof schon auf der To-do-Liste für das nächste Jahr, alles sei dieses Jahr einfach nicht möglich gewesen. Beim Rundgang mit dem engagierten Landwirt wird auch klar, dass es für die Umsetzung von Biodiversitätsmaßnahmen immer auch Wissen, Zeit und die entsprechenden Ressourcen braucht.
Strukturelemente – warum?
Zu den Motiven für Maßnahmen für mehr Artenvielfalt gefragt, bringen sowohl Gastgeber Georg Zischg als auch die anderen teilnehmenden Bäuerinnen und Bauern interessante Gründe vor: Zum Beispiel Hochstammbäume als Schattenspender für das Betriebsauto oder die Bewässerungspumpe, Blumen als Wiedererkennungswert der Anlagen in der Nachbarschaft, eine bunt gestaltete Anlage, um es am Arbeitsplatz schön zu haben – die Artenvielfalt ergibt sich dann oft als Konsequenz. Ein besonderes Strukturelement am Runstnerhof in Gargazon sind auch die zwei großen „Trauerbäume“, durch die unzählige Gargazoner Prozessionen verlaufen: jahrhundertalte Zedern in der Apfelanlage, für deren Erhalt sich Zischg eingesetzt hat. Hier bedeutet der Erhalt von kulturellen Naturdenkmälern indirekt auch den Erhalt von Lebensräumen und Vielfalt in der Landschaft.
Zum Wohl (der Biodiversität)
Beim Feierabend-Aperitif im Hofcafé des Runstnerhofes kamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann noch in lockerer Runde miteinander ins Gespräch. Es wurde vom eigenen Betrieb erzählt oder von Anliegen, die manch ein Teilnehmer oder eine Teilnehmerin im Bereich Beratung oder Forschung mitgebracht hat. Insgesamt ein gelungener Abend, nicht zuletzt durch die aktive Teilnahme aller und der Gastfreundschaft der Familie Zischg, auf deren Betrieb (Bio-)Diversität eine wichtige Rolle spielt, bedankte sich Philip Hillebrand vom Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau zum Abschluss bei allen Anwesenden.
Es geht weiter
Im Rahmen des Leuchtturm-Projekts „Artenreiches Südtirol“ der Initiative „Nachhaltige Landwirtschaft – Leitsätze & Leuchttürme“ werden unter anderem eine Reihe von Veranstaltungen organisiert. Ziel ist es, dass Interessierte sich Lebensräume in der Südtiroler Landwirtschaft anschauen können und miteinander, aber auch mit Beraterinnen und Beratern vom Beratungsring für Obst- und Weinbau, dem BRING und Bioland diskutieren können. Das hat am Runstnerhof sehr gut funktioniert. Die Einladung zur nächsten Veranstaltung wird über den „Südtiroler Landwirt“ und die Sozialen Medien bekannt gegeben, wenn es wieder heißt: Lebensraum Landwirtschaft – Augen auf am nächsten Hof!