Im Landesbauernrat (hier bei seiner jüngsten Sitzung) werden alle aktuellen Themen der heimischen Landwirtschaft besprochen.

„Wir sind für alle Bauern da!“

Die bäuerlichen Betriebe in Südtirol sind vielfältig und unterschiedlich strukturiert. Eine erfolgreiche Landwirtschaftspolitik hat alle betrieblichen Realitäten im Blick und muss vereinen, anstatt zu spalten. Auf diesen Grundsätzen basiert die Arbeit des Südtiroler Bauernbundes weiterhin.

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SBB

Insgesamt 20.000 landwirtschaftliche Betriebe gibt es bekanntlich in Südtirol. Die meisten von ihnen sind im Apfel- und Weinanbau oder in der Milchwirtschaft tätig. Eine wachsende Zahl von Bauernfamilien ist in Nischen erfolgreich, oft verknüpft mit Produktverarbeitung am Hof und Direktvermarktung. Doch nicht nur die Tätigkeiten der Betriebe sind vielfältig, sondern auch ihre Größe und Betriebsform. 70 Prozent der Betriebsinhaber bewirtschaften ihren Hof im Zu- oder Nebenerwerb. Oft dient der Urlaub am Bauernhof als zusätzliche Einkommensquelle, um einen kleinen Hof am Laufen zu halten. Denn die meisten Höfe in Südtirol umfassen lediglich zwei bis zehn Hektar Nutzfläche (ohne Wald). Mehrere Tausend Südtiroler Bauernfamilien bewirtschaften sogar weniger als zwei Hektar Fläche. Über Tausend Bauern und Bäuerinnen wiederum verfügen über 20 bis hundert Hektar Anbauflächen, Wiesen oder Weiden.

Mit Vielfalt erfolgreich
Die Herausforderung, diese Vielfalt in eine erfolgreiche Landwirtschaftspolitik zu integrieren, ist eine, der sich der Südtiroler Bauernbund seit jeher stellt. Das oberste Ziel des Verbandes war und ist es, alle Mitglieder einzubeziehen. Dies bedeutet in der Praxis, dass Höfe weitergeführt und Wiesen, Almen und Äcker trotz schwieriger Bedingungen nicht aufgelassen, sondern flächendeckend bewirtschaftet werden – zum Wohl der Kulturlandschaft und des ländlichen Raums in Südtirol. Denn eine aktive Landwirtschaft ist die tragende Säule für eine lebenswerte Peripherie. Die Zahlen belegen, dass dieses oberste Ziel des Bauernbundes, die Höfe zu erhalten und den ländlichen Raum zu stärken, dank umsichtiger Weichenstellungen in Zusammenarbeit mit Politik und Partnern erreicht wurde. Während in anderen Regionen des Alpenraums in den vergangenen Jahrzehnten ein massives Betriebssterben gewütet hat, steht Südtirols Landwirtschaft vergleichsweise gut da. So bleibt die Anzahl bäuerlicher Betriebe hierzulande seit Jahrzehnten recht stabil, während sie in der Nachbarprovinz Trentino von gut 28.000 Höfen im Jahr 2000 auf heute nur mehr 14.000 Höfe um die Hälfte gesunken ist.
Auch der Blick auf die Sektoren zeigt, dass wir in Südtirol eine bessere Landwirtschaftspolitik betreiben als viele andere Regionen. Südtirols Weinwirtschaft ist dank der Fokussierung auf Qualität international mehr als konkurrenzfähig. Die Apfelbaubetriebe können auf ein eingespieltes Netzwerk aus Genossenschaften, Beratung und Forschung bauen, das für die Welternährungsorganisation FAO als Vorbildmodell gilt. Für Milchviehbetriebe, die unter den gestiegenen Kosten nach Beginn des Ukraine-Kriegs litten, konnte der Bauernbund kurzfristig finanzielle Soforthilfe erwirken.

Nicht auf Erfolgen ausruhen
Natürlich ist deshalb nicht alles gut, wie es derzeit läuft. Wir wären nicht der Südtiroler Bauernbund, würden wir uns auf Erfolgen ausruhen. Viele bäuerliche Betriebe brauchen weiterhin Unterstützung, einige mehr als zuvor. Jedes Jahr stellen immer noch etwa hundert Höfe die Milchlieferung ein. Die meisten von ihnen wechseln zu anderen Standbeinen wie die Mutterkuhhaltung, aber einige sperren die Stalltür für immer zu. Im Obstbau sind teils niedrige Auszahlungspreise ein Problem, und gestiegene Kosten sowie zunehmende Bürokratie belasten bäuerliche Betriebe quer durch alle Sektoren. Darauf weist der Bauernbund weiterhin hin, manchmal lautstark und öffentlichkeitswirksam, manchmal lieber in fundierten Hintergrundgesprächen. Dank seiner Bezirks- und Ortsgruppen hat der Verband das Ohr nahe an den Mitgliedern und kennt ihre Herausforderungen. Den Ortsgruppen des Bauernbundes und der bäuerlichen Organisationen kommt eine wesentliche Rolle zu, denn sie kümmern sich vor Ort um viele Probleme der Betriebe. Diese Basisnähe ist die große Stärke unseres Verbandes.

Zusammenarbeiten, nicht spalten
Der Südtiroler Bauernbund nimmt sich der Probleme an, ohne weiszumachen, dass es Patentrezepte gäbe. Denn eines ist sicher: Die Lösung zur Stärkung der heimischen lebensmittelproduzierenden Betriebe liegt nicht in der Abschottung der Märkte, wie manche aktuell meinen. Denn Protektionismus z. B. für Äpfel und Wein ist niemals eine Einbahnstraße. Wer anderen das Wirtschaften erschwert, wird bald selbst vor verschlossenen Markttoren stehen. Das ist unseren exportstarken Sektoren bewusst.

Lokalen Markt stärken
Neben dem Export setzt der Bauernbund seit Jahren auch auf die Stärkung des lokalen Marktes für bäuerliche Produkte. Regionalität ist ein Megatrend, den unsere kleinstrukturierten Betriebe mit ihren hochwertigen Lebensmitteln und verarbeiteten Produkten bedienen können. Ein Schritt dazu ist beispielsweise die vom Bauernbund angestoßene Pflicht zur Herkunftskennzeichnung von Speisen in der Gastronomie. Auch das Direktvermarkterkonzept und die Marke „Roter Hahn“ dienen der Stärkung der lokalen Absatzmärkte für die Betriebe. Der Südtiroler Bauernbund bekennt sich zur länder- und sektorenübergreifenden  Zusammenarbeit. Einbinden und nicht ausgrenzen, lautet unser Motto. Sowohl in der Landwirtschaftspolitik als auch im Umgang mit unseren Mitgliedern. Wer alle Bäuerinnen und Bauern mit auf den Weg nimmt, hat es schwerer als jene, die gezielt Stimmung machen. Kürzlich ist mit den „Agricoltori Italiani“ ein weiterer Bauernverband auf nationaler Ebene entstanden. Es steht natürlich jedem frei, eine Vereinigung zu gründen. Die Frage drängt sich aber auf: Was haben Bäuerinnen und Bauern davon, dass nun nicht mehr drei, sondern vier nationale Verbände in der Landwirtschaftspolitik aktiv sind? Zu viele Verbände sind der Sache nicht dienlich. Schon jetzt gestaltet es sich nämlich schwierig, mit den Positionen der verschiedenen Interessenverbände Agrarpolitik zu machen. Die Zersplitterung ist mit ein Grund für die aktuelle Schwäche der Bauernpolitik in Rom. Es wird zu viel Energie damit verschwendet, gegeneinander anstatt gemeinsam für die Landwirtschaft zu arbeiten.
Für den Südtiroler Bauernbund steht unverrückbar fest: Zur heimischen Landwirtschaft gehören alle bäuerlichen Betriebe, seien es kleine oder große, sei es, dass sie im Vollerwerb Lebensmittel produzieren, oder dass sie nebenbei ein zweites Standbein benötigen oder wünschen. Unser Leitmotiv ist der Zusammenhalt, nicht die Spaltung. Mit anderen Worten: Der Südtiroler Bauernbund ist für alle Bauern und Bäuerinnen da!

Siegfried Rinner: „Einbinden und nicht ausgrenzen, lautet unser Motto.“ Foto: Ivo Corrà

Siegfried Rinner, Bauernbund-Direktor

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