Alkoholfreier Wein: Trend oder Tabu?
Wer heute durch die Regale internationaler Supermärkte schlendert, findet immer häufiger Weine mit wenig oder gar keinem Alkohol. Alkoholfreier und alkoholreduzierter Wein sind Themen, die in Europa immer präsenter werden – doch wie sieht es in Südtirol aus?
Die Bauernbund-Abteilung Innovation & Energie ist mit zwei Online-Umfragen der Frage nachgegangen, wie Konsumentinnen und Konsumenten einerseits und Produzenten andererseits auf das Thema alkoholfreie bzw. alkoholreduzierte Weine reagieren. Die Ergebnisse dieser Befragungen sind in diesem Beitrag zusammengefasst.
Konsumenten zwischen Skepsis und Neugier
Die Konsumentenstudie zeigt ein klares Bild: Die große Mehrheit der Südtirolerinnen und Südtiroler greift (noch) nicht zu alkoholfreiem Wein – 94 Prozent trinken ihn nie, nur ein Prozent regelmäßig, fünf Prozent selten. Doch anders als man vielleicht vermuten würde, greifen vor allem etablierte Weintrinkerinnen und -trinker zu alkoholfreien Alternativen. Wer bisher nur sehr selten oder gar keine alkoholischen Getränke konsumiert hat, interessiert sich in der Regel auch nicht für alkoholfreie Weine. Offen sind besonders jüngere Konsumenten. Regionalität, Preis und Geschmack bleiben aber entscheidend für die Getränkewahl, die Ähnlichkeit zu klassischem Wein sollte bei den alkoholfreien Varianten nicht verloren gehen. Stimmt das Geschmackserlebnis, ist auch die Zahlungsbereitschaft gegeben: Ein Drittel der Befragten würde für alkoholfreien Wein genauso viel bezahlen wie für klassische Weine.
Innovation als Herausforderung für Kellereien
Die Kellereien stehen dem Thema größtenteils noch skeptisch gegenüber. Nur wenige Betriebe stellen aktuell alkoholfreien oder alkoholreduzierten Wein her. Über 60 Prozent der Produzentinnen und Produzenten haben sich mit dem Thema noch gar nicht beschäftigt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Das traditionelle Produktverständnis, hohe Produktionskosten, Zweifel an Geschmack und Qualität sowie eine als gering eingeschätzte Nachfrage spielen eine Rolle. Die größten Herausforderungen aus Sicht der Kellereien sind, den richtigen Geschmack und die Qualität zu erhalten, technologische Umstellungen in der Kellerei zu meistern und die Vermarktung an traditionelle Weintrinkerinnen und -trinker. Die Zahlungsbereitschaft wird von den Produzenten zudem deutlich niedriger eingeschätzt als von den Konsumenten angegeben. Die Mehrheit hält die Produktion für nicht rentabel. Die beiden Umfragen zeigen aber, dass sich die Wahrnehmungen der Produzenten klar von jenen der Konsumenten unterscheiden und der Trend auch in Südtirol stärker wird.
Gesetz und Praxis: Was ist erlaubt?
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für alkoholfreien Wein in Italien sind im Wandel. Bisher war die Bezeichnung „alkoholfreier Wein“ nicht erlaubt, und ein Wein musste mindestens acht Volumenprozent Alkohol enthalten. Die Produktion von entalkoholisiertem Wein durfte nicht im selben Betrieb wie jene von herkömmlichem Wein erfolgen und eine Ursprungsbezeichnung für alkoholfreie Weine war gesetzlich nicht vorgesehen. Mit einem Ministerialdekret vom Dezember 2024 und den zugehörigen Erläuterungen setzt Italien EU-Vorgaben um und erlaubt die Produktion von „dealcolati“ und „parzialmente dealcolati“ – allerdings unter strengen Auflagen: Die Entalkoholisierung darf nur in registrierten und steuerlich überwachten Betrieben erfolgen, die hergestellten Produkte müssen klar gekennzeichnet und gemeldet werden, und die Produktion ist weiterhin für Weine mit geschützter Herkunft (DOC/IGT) ausgeschlossen. Wer überlegt, alkoholfreien Wein zu produzieren, muss sich also auf einen hohen bürokratischen und technischen Aufwand einstellen und sollte sich vorab beraten lassen.
Technik und Geschmack: Was funktioniert wirklich?
Aktuell liegt die größte Herausforderung bei der Produktion alkoholfreier Weine im Erhalt des Geschmacks. Trotz unterschiedlicher Herstellungsverfahren wie Vakuumdestillation, Membrantechniken geht bei der Entalkoholisierung immer ein Teil des Aromaprofils verloren. Die Erfahrung zeigt, dass rote Stillweine besonders empfindlich gegenüber der Entalkoholisierung sind. Sie verlieren oft ihre typische Tiefe, Struktur und Komplexität – das Ergebnis wirkt flach und wenig überzeugend. Weiße Stillweine und vor allem Schaumweine schneiden deutlich besser ab. Aromatische Rebsorten wie Riesling, Gewürztraminer eignen sich besser, weil sie auch nach der Entalkoholisierung noch genügend Duft und Geschmack behalten. Es besteht auch die Möglichkeit, nach der Entalkoholisierung natürliche oder künstliche Aromen zuzusetzen, um das Geschmacksprofil abzurunden, dies muss aber auf dem Etikett klar erkennbar sein und wird vor allem von Weinliebhabern oft kritisch gesehen. Da die Investitionskosten für eigene Anlagen – je nach Ausführung zwischen 100.000 Euro und 500.000 Euro oder mehr – sehr hoch sind, entscheiden sich viele Betriebe, die alkoholfreie Weine in ihr Sortiment aufnehmen möchten, für externe Dienstleister oder gehen entsprechende Kooperationen ein.
Blick über die Grenzen
International betrachtet wächst der Markt für alkoholfreien Wein, die Europäische Union hat mit Verordnung 2021/2117 erstmals die Kategorie „dealcoholized wine“ geschaffen und damit die Grundlage für eine europaweite Vermarktung gelegt. Zudem liegen die jährlichen Wachstumsraten für alkoholfreie Weine laut aktuellen Marktanalysen zwischen sieben und zehn Prozent bis 2030. Besonders in Nordamerika, Großbritannien und Australien ist das Angebot und die Akzeptanz für alkoholfreie Weine deutlich höher als in Italien oder Deutschland. Doch das Weingut Leitz aus dem Rheingau zeigt, dass Innovation gepaart mit gezieltem Marketing auch deutsche Konsumenten von alkoholfreien Weinen überzeugen kann. So findet man die alkoholfreien Rieslinge mittlerweile vor allem in der gehobenen Gastronomie, auch außerhalb Deutschlands.
Fazit: Skepsis trifft auf Innovationspotenzial
Alkoholfreier Wein bleibt in Südtirol ein Nischenthema. Die Konsumenten zeigen sich zwar zunehmend neugierig, doch die tatsächliche Nachfrage ist gering. Die Kellereien stehen dem Thema skeptisch gegenüber – nicht zuletzt wegen hoher Produktionskosten, technologischer Herausforderungen und der Sorge um das Image des Südtiroler Qualitätsweins. Das Konsortium Südtirol Wein behält das Thema alkoholfreie Weine im Auge, setzt den Schwerpunkt seiner Arbeit jedoch auf Qualitätssteigerung, Lagenprojekt, Internationalisierung und Önotourismus. Auch wenn alkoholfreier Wein in Südtirol aktuell noch keine große Rolle spielt, lohnt es sich, die internationalen Entwicklungen im Auge zu behalten, neue Ideen und Trends könnten auch für Südtiroler Betriebe neue Möglichkeiten eröffnen.
Wer mehr über dieses Thema oder andere innovative Entwicklungen in der Landwirtschaft erfahren möchte, kann sich an die Bauernbund-Abteilung Innovation & Energie unter Telefonnummer 0471 999363 oder
E-Mail innovation-energie@sbb.it wenden.