Der erste Wolf ist erlegt!
Was viele nicht mehr für möglich gehalten hatten, wurde in der Nacht auf den 12. August Realität: Im oberen Vinschgau wurde ein männlicher Wolf erlegt und damit ein Abschussdekret von Landeshauptmann Arno Kompatscher umgesetzt.
Kompatscher hatte das Dekret am 30. Juli unterzeichnet. Im Zeitraum zwischen Mai und Juli dieses Jahres wurden auf einer Alm im oberen Vinschgau 31 Risse von Weidetieren verzeichnet, die von der Forstbehörde als Wolfsangriffe bestätigt und dokumentiert wurden. In derselben Gegend waren in der vorangegangenen Almsaison bereits 42 Risse verzeichnet worden. Die betroffenen Almen wurden gemäß Landesgesetz Nr. 10/2023 als Weideschutzgebiete ausgewiesen. Die Eigentümer haben trotzdem zusätzliche Maßnahmen zum Herdenschutz ergriffen, die jedoch wirkungslos blieben. Sowohl die Wildbeobachtungsstelle des Landes als auch das Institut für Umweltschutz und Forschung (Istituto Superiore per la Protezione e la Ricerca Ambientale ISPRA) haben sich gemäß Landesgesetz 10/2023 für die Entnahme von zwei Wölfen positiv ausgesprochen. Die Genehmigung zur Entnahme ist 60 Tage lang gültig.
Eilantrag von Tierschützern abgelehnt
Das Verwaltungsgericht in Bozen hat am 9. August den Eilantrag dreier Tierschutzorganisationen gegen die Genehmigung zur Entnahme von zwei Wölfen im oberen Vinschgau abgewiesen. Die Anhörung hatte am 8. August stattgefunden. Das Gericht stellte fest, dass der Abschuss von zwei Wölfen den günstigen Erhaltungszustand der Population in Südtirol nicht gefährdet. Die Verhandlung in der Hauptsache, die für den 9. September angesetzt ist, bleibt aufrecht. Am 12. August folgte dann die Nachricht, die in den Stunden und Tagen darauf für ein enormes Echo in lokalen, staatlichen und internationalen Medien sorgte. Landesforstdirektor Günther Unterthiner berichtete in einer Aussendung der Landespresseagentur: „Ein männlicher, circa 45 Kilogramm schwerer Wolf wurde am 12. August kurz nach Mitternacht auf 2800 Höhenmetern erlegt. Der Wolf war in einer Kälbergruppe aufgespürt worden.“
Landeshauptmann Arno Kompatscher hob in einer ersten Reaktion die professionelle Arbeit des Landesforstkorps hervor und sprach im Namen der gesamten Landesregierung seinen Dank für den besonderen Einsatz aus: „Das ist eine Grundlage für die Regulierung von Schadwölfen, also eine wichtige Voraussetzung für die langfristige Fortführung der traditionellen Almwirtschaft.“ Landwirtschaftslandesrat Luis Walcher ergänzte: „Der Wolf ist in Südtirol zunehmend zur Bedrohung für die traditionelle Almwirtschaft und teilweise auch für die öffentliche Sicherheit geworden. Daher ist die erste legale Entnahme eines Wolfes weit mehr als die erfolgreiche Umsetzung eines Abschussdekrets, sie ist ein enorm wichtiges Zeichen für den Willen der Politik, die heimische Almwirtschaft zu erhalten und die betroffenen Tierhalter zu unterstützen.“ Walcher dankt dem Landeshauptmann für die Unterzeichnung des Abschussdekretes sowie dem Landesforstkorps für die Umsetzung.
Zusammenarbeit hat sich gelohnt
Auch Bauernbund-Landesobmann Daniel Gasser unterstreicht die Symbolkraft dieses ersten legalen Abschusses eines Wolfes in Italien und führt das Erreichen dieses Ziels auf den engen Schulterschluss aller Beteiligten zurück: „Mit Herbert Dorfmann in Brüssel und Straßburg, Meinhard Durnwalder in Rom und Landesrat Luis Walcher hier in Südtirol haben wir gemeinsam an diesem Ziel gearbeitet und werden das auf dem noch langen Weg zu einer Regulierung des Wolfsbestandes auch weiterhin tun.“ Bei Redaktionsschluss stand die Tötung des zweiten Tieres – wie es vom Abschussdekret vorgesehen ist – noch aus. Bis Ende September kann diese Entnahme noch erfolgen.
Wolfsrisse im Land gehen weiter
In der Zwischenzeit gehen die Wolfsrisse im übrigen Landesgebiet auch in diesem Sommer unvermindert weiter. So schreiben die Obmänner der Bauernbund-Ortsgruppen von Mühlwald, Gais und Sand in Taufers im Südtiroler Bauernbund in einer Aussendung von mindestens 100 bis 120 gerissenen oder nicht mehr auffindbaren Schafen und Ziegen. Ihr Appell ist klar: Es muss etwas gegen die Wolfspräsenz geschehen. Allein in Zösenberg bei Lappach fehlen 80 Schafe und Ziegen. Von der Pojenalm zwischen Ahornach und Klausberg wurden neun bestätigte Risse und acht verschollene Lämmer gemeldet. In Prettau wurden zehn gerissene Tiere gezählt und auf der Eppachalm elf. Viele Kadaver bleiben unauffindbar – entweder weil sie in unwegsamem Gelände verenden oder bereits von anderen Wildtieren gefressen wurden. Mehrere Bauern haben ihre Tiere aufgrund der Wolfsrisse vorzeitig ins Tal gebracht. Bereits Ende Juni trieben fünf Tierhalter ihre Schafe von der Tesselberger Alm ab, nachdem es dort innerhalb weniger Wochen zu drei Wolfsangriffen mit über 20 gerissenen und verschollenen Tieren kam. In einigen Fällen waren die Weidetiere selbst auf der Heimweide nicht sicher, wie Artur Niederbrunner, Bauernbund-Ortsobmann von Gais/Uttenheim, schildert: „Nach ersten Rissen habe ich meine Schafe von der Zösenbergalm geholt. Doch Mitte Juli wurden sechs meiner Tiere direkt auf meiner Hofweide in Lanebach bei Uttenheim gerissen – einmal sogar an einem Sonntagnachmittag, nur wenige Meter neben einem Wanderweg.“ Für ihn ist klar: „Wenn sich nichts ändert, wird der Wolf irgendwann auch für Menschen zur Gefahr.“
Klare Linie gegen Problemwölfe
Die Ortsobleute fordern deshalb eine klare Linie im Umgang mit Problemwölfen. Raubtiere, die wiederholt Nutztiere reißen – vor allem in Hofnähe – sollten rasch entnommen werden. Ziel müsse es sein, die Scheu der Wölfe vor dem Menschen zu erhalten und die Weidetierhaltung zu schützen. Ein weiteres Anliegen der bäuerlichen Vertreter ist mehr Transparenz bei der Erfassung und Veröffentlichung von Rissdaten. Häufig könnten Verluste nicht offiziell bestätigt werden, weil Kadaver fehlen oder Tiere nach einer Attacke abstürzen. „Videoaufnahmen aus Zösenberg zeigen, wie Gänsegeier einen Schafkadaver auffressen“, sagt Roland Oberlechner, SBB-Ortsobmann von Mühlwald. Aussagen, wonach Wolfsrisse im Vergleich zu anderen Verlustursachen nur eine untergeordnete Rolle spielten, stoßen daher bei den Bauern auf Unverständnis. Unterstützung erhalten die Bauern von der Gemeindepolitik: Mühlwalds Bürgermeister Paul Niederbrunner betont, wie wichtig es sei, die Almwirtschaft zu erhalten. „Wer die Almen und Weidetierhaltung sichern will, muss bereit sein, Wölfe zu entnehmen, die wiederholt Schäden verursachen. In vielen Ländern ist das längst gängige Praxis.“
Auch Bauernbund-Bezirksobmann und Landesobmann-Stellvertreter Manfred Vallazza fordert ein konsequentes Wolfsmanagement. Er dankt den politisch Verantwortlichen für bereits erlassene Entnahmeverordnungen, weist jedoch darauf hin, dass weitere Schritte nötig seien. „Es darf nicht bei einzelnen Entnahmedekreten bleiben. Nach der Senkung des Schutzstatus des Wolfes in der Berner Konvention und auf EU-Ebene ist es wichtig, ein gezieltes Wolfsmanagement zu erreichen. Es ist wichtig, dass Wölfe – so wie die Murmeltiere – in Zukunft reguliert werden können. Dazu sind noch weitere Schritte auf staatlicher Ebene und auf Landesebene notwendig.“