Ein Hof und seine lange Geschichte

Eine kleine Familie wohnt heute am Hof im Thal: Josef und Julia Obkircher bauen sich hier ein Leben auf, den historischen Hof haben sie zu einem Schmuckstück gemacht. Und zu einem gemütlichen Zuhause für sich und für Feriengäste, die Ruhe lieben.

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Josef Obkircher sitzt an dem Holztisch in der Küche. Neben ihm kniet der kleine Luis, gemeinsam schauen Sohn und Vater ein Buch an: Der Traktor, die Kühe und der Hund, alle kann der knapp Zweijährige schon benennen, macht ihre Geräusche und Laute nach. Mama Julia richtet inzwischen ein Frühstück her. Die Sonne scheint durch das große Fenster in der Nische, wo der Esstisch steht. Das war eines der großen Zugeständnisse, die das Denkmalamt bei der Sanierung gemacht hat. Ein Fenster, das bis auf den Boden reicht, den Blick nach außen öffnet und die gemütliche Wohnküche mit Licht flutet.

Die Küchen südseitig, die Stuben auf der Nordseite

Von der modern eingerichteten Küche geht es direkt in die getäfelte Bauernstube, sie liegt nordseitig. „Das ist eine Eigenheit dieses alten Bauernhofes“, erklärt Josef Obkircher, die Küchen liegen auf der Südseite. Und das ist eine weitere Besonderheit am Hof im Thal, er ist vertikal getrennt in „Herrenhaus“ und „Bauernhaus“: In beiden Teilen gab es eine Küche, in beiden eine Stube, die waren aber freilich etwas unterschiedlich: Das Herrenhaus ist insgesamt größer, die Räume sind höher, die Täfelungen hochwertiger und mit Verzierungen versehen. In diesem Teil haben Josef und Julia drei Ferienwohnungen eingerichtet, für je etwa vier Personen ausgelegt. Die ersten Gäste sind erst in diesen Wochen eingezogen, es sind Touristen, die die Ruhe lieben, gerne wandern und Rad fahren. Hier am Thalhof in Aldein finden sie genau das: Er liegt alleine auf einer großen Lichtung, einige Fahrminuten vom Dorf Aldein entfernt. Etwas abgelegen und trotzdem gut erreichbar: das große, zweigeteilte Haus, der Stadel mit besonderem Innenleben, die Kapelle aus dem 16. Jahrhundert, der Kinderspielplatz.

Geschichtsträchtiges Gehöft

Der Thalhof ist ein historischer Hof, die ältesten Teile stammen aus dem 13. Jahrhundert, 1288 ist er erstmals urkundlich erwähnt. Lange Zeit lebte eine vornehme Familie darin, aus dieser Zeit stammen die herrschaftliche Stube, die Holztüren, einige Möbelstücke. Später ist er in den Besitz der Kurie übergegangen und wurde verpachtet. Josefs Großvater hat ihn als Pächter geführt, Josefs Vater – Alois Obkircher – ist hier geboren. Als er vier Jahre alt war, haben seine Eltern den Mösslerhof in Aldein geerbt und sind dorthin gezogen. Zurückgeblieben sind ein Bruder und ein paar Schwestern des Vaters, sie sind ledig geblieben und haben gemeinsam den Hof weitergeführt. 

Alois Obkircher hing an seiner „Heimat“, wann immer er in der Nähe zu tun hatte, kam er vorbei, besuchte Onkel und Tanten. Er liebte den Thalhof, das Haus war zwar in die Jahre gekommen und ohne jeglichen Komfort, er wusste aber die lange Historie des Gebäudes, seine besondere Ausstrahlung und die vielen schönen Details zu schätzen.

Deshalb lag es für ihn nahe, den Hof zu kaufen, als er im Jahr 2008 von der Kurie veräußert werden sollte. Der Onkel und die Tanten waren zu diesem Zeitpunkt schon gestorben, der Hof war verlassen. Also redete Alois mit seinen Buben, der große – Johannes – sollte den Mösslerhof bekommen, für den jüngeren – Josef – hätte er den Thalhof im Auge gehabt.

Josef (Jahrgang 1991) war zu dem Zeitpunkt gerade mal 17 Jahre jung und hatte die Lehre zum Zimmermann abgeschlossen. Die Arbeit machte ihm Freude: „Alle drei Wochen an einem anderen Ort, immer an der frischen Luft, das hat mir gefallen“, sagt er. Trotzdem hat er sich für die Landwirtschaft entschieden. Das heißt, anfangs nicht ganz: „Ich hatte mir gedacht, den Hof könnte ich so nebenher machen. Aber das hat sich als Fehleinschätzung herausgestellt“, schmunzelt er.

Gemeinsamer Aufbau

Denn der Hof musste ganz neu aufgebaut werden: Zwar hatte es vorher einen Unterpächter gegeben, der ein paar Schafe und Ziegen gehalten hatte, aber außer den Flächen – knapp sieben Hektar Wiesen und 33 Hektar Wald –, dem baufälligen Haus und dem Stadel war nichts mehr da. Dass das Haus von Grund auf saniert werden musste, war klar. Josef lebte aber noch daheim am Mösslerhof, der Umbau hatte keine Eile. Zunächst galt es, die landwirtschaftlichen Flächen wieder zu nutzen. Also machten sich Alois und Josef gemeinsam an die Arbeit: Sie pflanzten Süßkirschen, 2010 wurde der Stall umgebaut, um darin Ferkel zu mästen, für das Original Südtiroler Bauernspeckprogramm. 2012 folgte die Schwarzbeer-Anlage am Hang unter dem Haus. In diesem Jahr hat Josef Erdbeeren angepflanzt. Beeren und Kirschen liefert er an die Egma in Vilpian, einen Teil verkauft er auch direkt ab Hof. Die Leute kommen von überall her, um sich die Früchte zu holen.

2016 starb der Vater, plötzlich und unerwartet. Das nahm der Familie zunächst den Boden unter den Füßen: Zu jung und zu prägend war er gewesen. Hatte mit seinen Ideen und der nie enden wollenden Energie vieles vorangebracht: Nicht nur die eigenen Höfe, auch für die Aldeiner Dorfgemeinschaft war er immer unterwegs: egal ob im Bewässerungskonsortium oder als Präsident des Tourismusvereins. „Mein Vater war ein Visionär, ein Macher, entwickelte sich und die Betriebe weiter, verstand es auch, Leute zu begeistern und mit einzubinden“, erzählt Josef. Er muss das wohl vom Vater geerbt haben.

Stadel mit besonderem Innenleben

Noch im gleichen Jahr, also 2016, hat Josef mit seinem Freund Andreas Kalser eine Gesellschaft gegründet. Seitdem produzieren sie Edelpilze (Kirnig), ihre Kräuterseitlinge, Shiitake- und Austernpilze kann man heute in jedem Supermarkt kaufen, angefangen haben die beiden aber bei null. Mit viel Innovationsgeist, Lust am Schaffen und vor allem Mut. Im Stadel des Thalhofes sind Produktion und Abpackung untergebracht. Josef ist bis vor Kurzem noch täglich gependelt: vom Mösslerhof, wo er nach wie vor lebte, zu seinem Thalhof. Gemeinsam mit seinem Bruder bringen sie die beiden Höfe weiter, sie helfen sich gegenseitig, die Mutter steht ihren Söhnen immer mit Rat und Tat zur Seite. 

Der Umbau: Schritt für Schritt

Im September 2016 hat Josef auch Julia kennengelernt, 2019 haben sie gemeinsam den Umbau des Wohnhauses in Angriff genommen. Weil sie nicht wirklich wussten, wie sie anfangen sollten, haben sie sich für „Bauern(H)auszeichnung planen“ beworben. Und eine Zusage bekommen. 

Daraufhin ist eine Gruppe von 17 Architekten zu einem Lokalaugenschein erschienen, sieben haben auch ein Projekt abgegeben. Sie wurden von einer Fachjury gesichtet und gemeinsam mit Josef und Julia das passendste Projekt ausgesucht. Gemeinsam mit dem Büro Raum 3 und den beiden Architekten Jürgen Prosch und Felix Kasseroler haben sie Sanierung und Umbau umgesetzt. „Die Architekten waren super, sie haben unsere Wünsche voll respektiert und gleichzeitig das Haus und seinen Charakter zu erhalten verstanden“, schwärmt Josef. Er ist ähnlich verliebt in die Struktur, wie es sein Vater war. Und er sagt: „Für mich ist überall hier mein Vater spürbar, nicht nur im Haus, auch draußen in der Landwirtschaft.“

Weil das Haus so groß ist, war es für Josef und Julia wichtig, den Platz gut zu nutzen, aber für sich eine nicht zu große Wohnung zu haben, damit es gemütlich und übersichtlich bleibt. Deshalb die Entscheidung für Urlaub auf dem Bauernhof – die drei Wohnungen und die Gäste sind Julias Aufgabenbereich. Sie kommt aus der Gastwirtschaft, hat gerne Leute um sich. Im Untergeschoss ist zudem ein Hofladen eingerichtet, noch ist er nicht in Gebrauch, aber auch das wird noch werden. Und ein Ausschank ist geplant, die Lizenz muss Josef erst beantragen. 

Im März 2020 war Baubeginnmeldung. Im Winter davor hatte Josef gemeinsam mit einem Verwandten und Mitarbeiter ausgeräumt und für den Umbau hergerichtet. Während der Bauphase hat er überall, wo es möglich war, mitgeholfen, ist den Handwerkern zur Hand gegangen. 

Den ganzen Bericht finden Sie ab Freitag im Spezial der Ausgabe 18 des „Südtiroler Landwirt“ vom 14. Oktober ab Seite 45, online auf „meinSBB“ oder in der „Südtiroler Landwirt“-App.

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