„Ich wünsche den Neuen ein gutes Gespür“
Am 3. Dezember beginnen die Wahlen im Südtiroler Bauernbund, zunächst auf Ortsebene. Landesobmann Leo Tiefenthaler lädt alle Mitglieder zur Stimmabgabe ein. Denn: „Der Zusammenhalt als bäuerliche Familie hat uns immer schon starkgemacht“.
Der scheidende Bauernbund-Landesobmann Leo Tiefenthaler ruft alle Bäuerinnen und Bauern dazu auf, von ihrem Stimmrecht für die Bauernbund-Wahlen Gebrauch zu machen. Dafür beschwört er den Zusammenhalt der bäuerlichen Familie. Und er ist überzeugt: Die Mandatsbeschränkung ist sinnvoll, weil dadurch frischer Wind und neue Ideen in die Gremien kommen.
Südtiroler Landwirt: Herr Tiefenthaler, am 3. Dezember finden die Bauernbund-Wahlen auf Ortsebene statt. Alle Mitglieder haben die Möglichkeit, über Brief- oder Urnenwahl daran teilzunehmen. Wieso sollte man von seinem Stimmrecht Gebrauch machen?
Leo Tiefenthaler: Es ist einfach wichtig, dass die Bauernbund-Ortsgruppen gut funktionieren, und deshalb braucht es gute Funktionäre. Ich bin sicher, dass die amtierenden Ortsbauernräte fähige Kandidatinnen und Kandidaten nominiert haben, die für ihre Ortsgruppe engagiert arbeiten möchten. In der über 100-jährigen Geschichte des Bauernbundes hat das immer gut funktioniert. Und ich bin der Überzeugung, dass es nach wie vor Aufgabe von uns Bäuerinnen und Bauern ist, den Bauernbund lebendig zu erhalten und weiterzuentwickeln. Das geht nur mit einer gesunden, tatkräftigen Basis. Wir als Bauernbund haben nämlich vielfältige Aufgaben: im sozialen, im kulturellen, im wirtschaftlichen und auch im politischen Bereich. Das steht dezidiert im Statut festgeschrieben: Der Bauernbund muss sich auf Ortsebene für die Gemeinderatswahlen, auf Landesebene für die Landtagswahlen, auf nationaler Ebene für die Parlamentswahlen und auch auf EU-Ebene für das Parlament in Brüssel/Straßburg engagieren und kümmern.
Welche Möglichkeiten haben Ortsbauernräte, den Bauernbund mitzugestalten?
Da gibt es viele Möglichkeiten: Die Ortsbauernräte haben vorrangig die Aufgabe, auf Ortsebene zu agieren: einerseits politisch, aber auch bei Sachthemen, die Bäuerinnen und Bauern vor Ort beschäftigen. Einige Ortsbauernräte haben ihre Vertretung im Bezirksbauernrat bzw. sind alle Ortsobmänner/-frauen im erweiterten Bezirksbauernrat vertreten: Hier hat man die Möglichkeit, Themen, die alle oder zumindest mehrere Ortschaften eines Bezirks betreffen, zu diskutieren bzw. einer Lösung zuzuführen. Oder sie eine Ebene weiterzureichen, damit sie im Landesbauernrat behandelt werden. Denn jeder Bezirksobmann ist Mitglied des Landesbauernrates. Das garantiert eine gute Verbindung von Orts-, Bezirks- und Landesebene, und zwar in beide Richtungen: von der Basis in die Spitze und wieder zurück. Und natürlich ist auch das jeweilige Bezirksbüro Ansprechpartner und Bindeglied zwischen Ort, Bezirk und Land.
Zusätzlich zu den gewählten Mitgliedern gibt es auch die Möglichkeit, Mitglieder zum Ortsbauernrat zu kooptieren. Wieso sollte man davon Gebrauch machen?
Es gibt verschiedene Institutionen auf Orts- oder auch Bezirksebene, beispielsweise Bonifizierungskonsortien oder Genossenschaften, deren Obmänner sinnvollerweise in den Orts- oder Bezirksbauernrat kooptiert werden können. Oder politische Vertreterinnen und Vertreter. Auch zum Landesbauernrat wurden beispielsweise die bäuerlichen Landtagsmandatare kooptiert, damit der Austausch mit der politischen Vertretung gewährleistet ist. Zudem gibt es auf allen Ebenen Rechtsmitglieder, wie die jeweilige Spitze der Bauernjugend, der Bäuerinnen und der Seniorenvereinigung, die auch Stimmrecht haben. Das ist notwendig, damit der Bezug zu den Organisationen aufrecht bleibt, egal ob bäuerliche oder eben Genossenschaften, Konsortien oder politische Vertretung, weil wichtige Entscheidungen für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung nun mal auf politischer Ebene getroffen werden: im Gemeinderat oder Landtag, im Parlament in Rom bzw. im EU-Parlament. Den Kontakt mit den politischen Vertretern müssen wir pflegen, um einerseits unsere Anliegen zu kommunizieren und um andererseits Entscheidungen und Informationen aus erster Hand zu erhalten. So können wir für unsere Bäuerinnen und Bauern das Beste herausholen.
Nach den Ortsbauernräten kommen bis 12. Jänner die Bezirksbauernräte dran. Sie werden von den Ortsbauernräten gewählt. Welche Funktion hat der Bezirksbauernrat?
Der Bezirksbauernrat fungiert einmal als Bindeglied zwischen Orts- und Landesebene, damit Informationen weitergegeben werden, wie bereits erwähnt. Und dann beschäftigt er sich mit Fragen und Themen, die den jeweiligen Bezirk oder einige Ortsgruppen/ Gemeinden innerhalb des Bezirks betreffen. Hier sind natürlich auch die Bezirksbüros gefordert, die mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für solche bezirksbezogene Themen Ansprechpartner sind.
Wieso ist es auch in diesen Gremien wichtig, alle Bereiche der Landwirtschaft, neue und bewährte Mitgliedern, junge Männer und Frauen und Erfahrene zu versammeln?
Der Bauernbund ist ja wie eine Familie: Das beginnt bei der Bauernjugend, die Mädchen und Buben vertritt, geht über die Bäuerinnen und die Bauern bis hin zu den bäuerlichen Senioren. Das ist wichtig, um das soziale bäuerliche Netzwerk aufrecht- und stark zu erhalten. Uns macht aber auch die Mischung aus allen Bereichen schlagkräftig: Der Weinbauer kennt und versteht die Bergbäuerin, der Viehbauer weiß um die Themen und Herausforderungen des Obstbaus. Der Zusammenhalt innerhalb der Landwirtschaft bleibt dadurch groß und macht uns stark. Obwohl wir nur noch wenige sind: Acht bis neun Prozent der Südtiroler Bevölkerung hängen direkt von der Landwirtschaft ab. Das ist im internationalen Vergleich zwar noch viel, aber doch relativ wenig. Und trotzdem sind wir politisch gut vertreten, was für mich bedeutet, dass bäuerliche Kandidatinnen und Kandidaten auch für die nicht-bäuerliche Bevölkerung gut wählbar sind, sonst hätten wir nicht einen Anteil von gut 20 Prozent bäuerlicher Mandatare in den Gemeindestuben und im Landtag sitzen.
Hat die vom Bauernbund selbst beschlossene Beschränkung auf drei Amtsperioden dafür gesorgt, dass es schwierig ist, geeignete Kandidaten zu finden?
Ich glaube nicht, dass die Kandidatenfindung dadurch schwieriger wird. Aber ich bin der Meinung, dass es wichtig und richtig war, diese Mandatsbeschränkung statutarisch zu verankern, weil wir dadurch eine sukzessive Erneuerung in den Spitzenpositionen des Südtiroler Bauernbundes haben. Alle fünf Jahre haben wir bei den Neuwahlen zwischen 35 und 40 Prozent junge, frische Mandatare, und zwar in Orts-, Bezirks- und Landesbauernrat. Das ist wichtig, weil dadurch frischer Wind hineinkommt, neue Ideen Platz bekommen und das dem Bauernbund guttut.
Alle Bezirksobmänner sitzen im Landesbauernrat, das haben Sie bereits gesagt. Bei der Klausurtagung des Südtiroler Bauernbundes am 10. Februar 2024 werden zudem der Landesobmann, sein Stellvertreter, ein Ladiner- und ein Berglandwirtschaftsvertreter gewählt. Sie selbst dürfen nicht mehr kandidieren und werden die Obmannschaft abgeben. Welche sind die großen Themen, die während Ihrer Amtszeit gut zu Ende gebracht wurden, und welche werden vom neuen Landesbauernrat anzugehen sein?
Es gibt einiges, was wir im Landesbauernrat während meiner über 30 Jahre in diesem Gremium (zunächst als Bezirksobmann, dann als Landesobmann-Stellvertreter und zum Schluss als Landesobmann) weitergebracht haben: Berg und Tal sind enger zusammengerückt, es ist mehr Verständnis füreinander da und mehr Gemeinschaft. Das ist etwas vom wichtigsten, weil es die Basis dafür ist, gut zusammenarbeiten zu können. Das ist uns gelungen. Auch mit der Gründung der Plattform Land ist uns etwas sehr Positives geglückt. Inzwischen sind sehr viele Verbände und Institutionen und auch das Land selbst mit dabei. Man hat also verstanden, dass man nicht unbegrenzt Boden verbauen darf und kann und dass man alte Kubatur nutzt, statt neu zu bauen.
Für die Zukunft gibt es natürlich ein ganz großes Thema: Bär und Wolf. Wir haben schon vor zehn Jahren begonnen, auf dieses Problem hinzuweisen, sind aber nicht ernst genommen worden. Das Problem hat sich nun stark verschärft, auch das Bewusstsein ist ein anderes geworden, beim Großteil der Bevölkerung zumindest. Aber das ist sicher eine der großen Aufgaben, die es zu bearbeiten gilt. Und die überbordende Bürokratie, auch das ist ein großes Problem, das nicht nur die Landwirtschaft betrifft, sondern alle: Unternehmen und Private gleichermaßen. Oft fragt man sich, wem das alles einfällt! Man redet zwar immer von Entbürokratisierung, aber passieren tut das Gegenteil. Allerdings haben wir in den letzten Jahren sehr viel Zeit damit verbracht, solche Entwicklungen zu verhindern. Dabei ist uns zum Glück einiges gelungen, es hat aber auch viel Arbeit bedeutet, die man von außen nicht sieht.
Was wünschen Sie ihrem Nachfolger? Und was dem neuen Landesbauernrat?
Ich wünsche dem neuen Landesbauernrat eine gute Zusammenarbeit, wie wir sie die letzten Jahre auch hatten. Das möchte ich unterstreichen und mich auch dafür bedanken: Angefangen bei den Bezirksobmännern über die bäuerlichen Organisationen bis hin zur Gärtnervereinigung, den jeweiligen Vertretern der extremen Berglandwirtschaft und der Ladiner. Und nicht zuletzt bedanke ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Südtiroler Bauernbund, allen voran dem Direktor Siegfried Rinner. Wir sind ein gutes Team, der Bauernbund ist einer der angesehensten und respektabelsten Verbände – das sage nicht ich, sondern das höre ich immer wieder von außen. Das ist nur deshalb möglich, weil Jugend und Senioren, Bäuerinnen, Bauern, Funktionärinnen und Funktionäre sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut zusammenarbeiten.
Deshalb wünsche ich dem neuen Landesobmann, dass er ein gutes Gespür dafür haben möge, und viel Geduld mit uns Bauern. Und eine gute Hand dafür, die richtigen Entscheidungen zu treffen.