Kritik an Vorschlag für GAP-Reform
Die EU-Kommission plant – laut einem ersten aktuellen Vorschlag – ab 2028 drastische Kürzungen der Agrarpolitik. Statt 387 Milliarden Euro sollen nur noch 302 Milliarden zur Verfügung stehen. Bauernverbände warnen vor Wettbewerbsverzerrungen.
Die Europäische Kommission hat ihre ersten Pläne für den Mehrjährigen Finanzrahmen 2028–2034 vorgestellt. Das Gesamtbudget soll von derzeit 1.200 Milliarden Euro auf 2.000 Milliarden Euro ansteigen. Doch für die Landwirtschaft bedeutet dies paradoxerweise eine massive Kürzung: Das Agrarbudget wird um 22 Prozent oder 85 Milliarden Euro reduziert – von 387 Milliarden Euro auf nur noch 302 Milliarden Euro. Confagricoltura-Präsident Massimiliano Giansanti bezeichnete die Pläne in einer Kundgebung in Brüssel als „Kriegserklärung an die Landwirtschaft“. Er warf EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor, ihre eigenen Aussagen über den strategischen Wert der Landwirtschaft zu untergraben. Die geplanten 300 Milliarden Euro seien völlig unzureichend, um die wachsenden Herausforderungen des europäischen Agrarsektors zu bewältigen.
„Single Fund“ gefährdet bewährte Struktur
Besonders umstritten ist der Vorschlag, alle indirekten EU-Fonds – einschließlich der GAP-Gelder – in einem einheitlichen nationalen Finanzierungsinstrument zusammenzufassen. Dieser „Single Fund“ würde das bewährte Zwei-Säulen-Modell der GAP beenden. Bisher waren der Garantie-Fonds für Direktzahlungen und der Fonds für ländliche Entwicklung getrennt organisiert. Auch der Österreichische Bauernbund warnt vor den Folgen: „Der vorliegende Vorschlag führt dazu, dass künftig unterschiedliche Beträge in den einzelnen Ländern ausgezahlt werden könnten. Das verursacht einen unfairen Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten.“ Aus dem „Single Fund“ sollen „Nationale und regionale Partnerschaftspläne“ finanziert werden, die zwischen EU-Kommission und nationalen Behörden abgestimmt werden. Die Kommission gibt den Mitgliedstaaten nur Meilensteine und Ziele vor. „Das bringt mehr Gestaltungsspielraum, aber dadurch auch Konkurrenz zwischen den Politikbereichen“, warnt der Österreichische Bauernbund.
Renationalisierung der GAP befürchtet
Confagricoltura spricht von einer drohenden „Renationalisierung“ der GAP, die die Einheitlichkeit gefährden würde. Es drohen Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten, Machtverschiebungen zugunsten einzelner Regierungen und ein Kompetenzverlust des EU-Parlaments. Besonders kritisch wäre dies für Italien, da die Landwirtschaft hier regional organisiert ist. Der italienische Verband fordert entschieden den Erhalt der zwei Säulen: Die erste Säule mit den Direktzahlungen soll jährlich EU-finanziert bleiben, die zweite Säule weiterhin langfristig und kofinanziert durch EU und Mitgliedstaaten bestehen. Auch das EU-Parlament, allen voran der Agrarausschuss, unterstützt die Beibehaltung der bestehenden Struktur.
Neue Deckelung der Direktzahlungen
Der Kommissionsentwurf sieht zudem eine verschärfte Deckelung der Direktzahlungen vor. Ab 20.000 Euro soll eine Degression in drei Stufen greifen: 25 Prozent Kürzung zwischen 20.000 und 50.000 Euro, 50 Prozent zwischen 50.000 und 75.000 Euro und 75 Prozent über 75.000 Euro. Bei 100.000 Euro ist die absolute Obergrenze erreicht. Der Österreichische Bauernbund lehnt diese Pläne ab: „Die Degression der Direktzahlungen schon ab 20.000 Euro würde zahlreiche größere Familienbetriebe treffen und ist daher abzulehnen.“ Confagricoltura betont, dass Direkthilfen nur aktiven, marktorientierten Landwirten zustehen sollten – unabhängig von der Betriebsgröße.
Südtiroler Bauernbund unterstützt Petition
Der Südtiroler Bauernbund schließt sich der Kritik des aktuellen Vorschlags der EU-Kommission an und unterstützt die von den EU-Verbänden der Bauern und Genossenschaften, Copa und Cogeca, initiierte Petition „Keine Sicherheit ohne GAP“. Landesobmann Daniel Gasser ruft alle Mitglieder zur Unterzeichnung auf: „Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass die GAP ihre tragende Rolle behält!“ Die Petition fordert einen zweckgebundenen, gestärkten und inflationsbereinigten GAP-Haushalt mit Erhalt der Zwei-Säulen-Struktur. Die Petition läuft noch den ganzen Sommer über und kann hier online unterschrieben werden.
Intensive Verhandlungen stehen bevor
Die Kommissionspläne sind lediglich der Startschuss für intensive Verhandlungen zwischen Kommission, Mitgliedstaaten und EU-Parlament, die voraussichtlich zwei Jahre dauern werden. Für einen Beschluss braucht es Einstimmigkeit im Rat und eine absolute Mehrheit im EU-Parlament. Der Österreichische Bauernbund zeigt sich trotz der Kritik optimistisch: „Wir sind zuversichtlich, in diesem Prozess deutliche Verbesserungen für die Landwirtschaft erzielen zu können.“ Confagricoltura kündigte bereits weitere Proteste für September an – „in noch größerem Umfang“. Eine starke, gemeinsame Agrarpolitik bleibt nach Ansicht der Bauernverbände Voraussetzung für Ernährungssicherheit, wirtschaftliche Stabilität und gesellschaftlichen Zusammenhalt in der EU. Eine voreilige Reform ohne gesicherte Finanzierung gefährde die Zukunft der europäischen Landwirtschaft.
Weitere Neuheiten und Ergänzungen zum Thema finden Sie ab Freitag in der Ausgabe 14 des „Südtiroler Landwirt“ vom 1. August ab Seite 14, online auf „meinSBB“ oder in der „Südtiroler Landwirt“-App.