„Man muss nicht alles schon können“

Iris Giacomozzi ist Rechtsanwältin, Obst- und Weinbäuerin und Mutter von drei Kindern. 15 Jahre war sie auch Verwaltungsrätin der Raiffeisenkasse Salurn, nun beginnt ein neuer Abschnitt für sie. Wohin er sie führen wird, weiß sie selbst noch nicht. Aber offen ist sie für alles Mögliche.

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Leben

Auf einem Obst- und Weinhof in Kurting im Südtiroler Unterland ist Iris Giacomozzi (Jahrgang 1978) aufgewachsen. Gerade ist sie dabei, diesen Hof von ihrem Vater zu übernehmen, ihren Lebensmittelpunkt hat sie inzwischen aber an den Wegscheiderhof in Pinzon/Montan verlegt. Für die Landwirtschaft hat sie sich schon als Kind interessiert und hat deshalb immer mit an­gepackt, wo es nötig war. Auch während ihrer Schul- und Studienzeit. Nach dem Abschluss des Jurastudiums im Jahr 2001 hat sie zunächst in einer Kanzlei in Neumarkt gearbeitet, hat die Staatsprüfung für Rechtsanwälte abgelegt und ist dann als Direktionsassistentin zum Südtiroler Bauernbund gewechselt. Bis sie heiratete und 2010 ihre erste Tochter bekam.

Ein scheinbar ausgefüllter Tag
Damit wechselte sie wieder in die Kanzlei, arbeitete dort in Teilzeit als Rechtsanwältin und nebenbei als Bäuerin auf dem elterlichen Hof und dem ihres Mannes mit zwei Wohnungen für Urlaub auf dem Bauernhof. 2012 und 2017 kamen die Söhne Nathan und Eneas zur Welt. Zwischen Familie, Beruf und Landwirtschaft schien der Tag der heute 45-Jährigen ausgefüllt.
Aber weit gefehlt! Trotz der vielen Aufgaben, die Iris Giacomozzi täglich zu vereinen hat, ist sie auch ehrenamtlich und politisch aktiv: Seit ihrem zwölften Lebensjahr spielt sie bei der Musikkapelle Kurtinig Querflöte. Zweimal die Woche geht sie zur Probe, nur im September – zur Erntezeit – ist Pause. „Durch die Musikkapelle habe ich trotz allem den Bezug zu meinem Heimatdorf aufrechterhalten können, das Miteinander und der Kontakt  sind mir sehr wichtig“, erklärt die Unterlandlerin.
Im Jahr 2008 kandidierte sie für den Verwaltungsrat der Raiffeisenkasse Salurn und setzte sich gleich gegen drei männliche Bewerber durch. Ab 2011 war sie auch Vize-Obfrau. „Es war zwar nicht immer einfach, aber ich war in diesen 15 Jahren bei fast jeder Verwaltungsratssitzung dabei“, erklärt sie. Das sei nur möglich gewesen, weil ihr Mann nahtlos übernimmt, sobald sie weg muss. „Wenn man sich für ein Amt entscheidet, trägt man Verantwortung“, unterstreicht Iris Giacomozzi. Deshalb müsse man sich organisieren, flexibel sein und auch belastbar. Dafür profitiere man aber auch, denn „so ein Amt bereichert, man entwickelt sich weiter und erhält viel Genugtuung dabei“.
Seit diesem Jahr ist Iris Giacomozzi auch im Ortsbäuerinnenrat Montan und im Bäuerinnen-Bezirksausschuss Unterland aktiv. Den Verwaltungsratssitz bei der Raiffeisenkasse Salurn musste sie nun allerdings zurücklassen. Das tut ihr leid, denn die Aufgabe hat sie -ausgefüllt, Verantwortung nimmt sie gern wahr.

Die Bäuerin Iris Giacomozzi bei ihrer Arbeit im Weinberg.

Ohne Quote geht Umbau zu langsam
Zumal sie es wichtig findet, dass Frauen mitreden und -entscheiden. „Ich bin eigentlich gegen eine Frauenquote“, sagt sie, „aber ohne sie geht der Umbau zu langsam.“ Auch das Argument, dass man keine Frauen finden würde, die beispielsweise in Verwaltungsräten von Obst- oder Kellereigenossenschaften mitarbeiten möchten, lässt Iris Giacomozzi so nicht gelten: „Als mitarbeitendes Familienmitglied können Frauen mit Vollmacht des Betriebsinhabers kandidieren. Nützt man diese Möglichkeit, wäre die Auswahl an Frauen für solche Aufgaben groß.“ Sie selbst ist über diese Schiene in den Verwaltungsrat der Obstgenossenschaft Kurmarkt Unifrut gewählt worden und hatte das Amt ab 2018 drei Jahre lang inne. Auch diese Aufgabe hat ihr Spaß gemacht.

Der Arbeitskreis Frauen in der Führung von Genossenschaften

Aus der Komfortzone kommen
Mehr Frauen in den Entscheidungsgremien bedeutet aber nicht nur, dass die Männer -ihnen den Raum dafür geben, sondern vor allem auch, dass die Frauen aus ihrer Komfortzone herauskommen und sich trauen müssen, bringt es Iris Giacomozzi auf den Punkt. Dabei kann sie aus eigener Erfahrung sagen: „Mitreden heißt natürlich auch, manchmal anzuecken. Aber sich gar nicht einzubringen, ist keine Alternative.“ Es sei wichtig, dass auch Frauen in den Gremien mitdiskutieren und ihre Meinung vertreten, denn nur so könne man gemeinsame Ziele erreichen. Damit will sie anderen Frauen Mut machen, sich ein Amt in führenden Gremien zuzutrauen. „Man muss nicht alles schon kennen und können, bevor man so eine Aufgabe übernimmt“, sagt sie, „denn vieles kann man lernen. Und man wächst an den Herausforderungen.“
Wie aber geht es bei ihr weiter? „Ich arbeite gern in der Landwirtschaft, auch meine Familie ist mir wichtig“, räumt sie ein, „aber das allein ist mir zu wenig, ich brauche einen Ausgleich. Sie ist zwar Vize-Vorsitzende im Landwirtschaftsausschuss der SVP und arbeitet im Arbeitskreis Frauen in der Führung von Genossenschaften des Raiffeisenverbandes mit. Trotzdem hat sie noch Zeit und vor allem Lust, um sich einer neuen Aufgabe zu stellen.  Welche das sein wird, weiß sie selbst noch nicht. „Offen bin ich für alles Mögliche“, schließt sie das Gespräch mit einem Augenzwinkern ab.
Dieser Beitrag ist Teil des Projekts LINSA 2.0.

Renate Anna Rubner

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