Weideführung ist eine effiziente Methode, um die Milchproduktion nachhaltiger zu machen. Foto: Markus Lintner

Nachhaltigere Milchproduktion

Wie nachhaltig sind die unterschiedlichen Milchproduktionssysteme in Südtirol? Die Freie Universität Bozen und das Versuchszentrum Laimburg sind dieser Frage in einer Fallstudie am Versuchsbetrieb Mair am Hof in Dietenheim nachgegangen. Das Ergebnis der Studie: Die wichtigste Stellschraube ist die Fütterung.

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Produktion

Emissionsreduktion, Umweltschutz und Schonung kontinuierlich knapper werdender Ressourcen sind Schlagwörter, mit denen auch Südtirols Milchviehbetriebe zunehmend konfrontiert werden. Dabei tragen viele Betriebe bereits erheblich zum Erhalt der Biodiversität und des Landschaftsbildes bei. Dennoch sind weitere Maßnahmen hin zu einer noch nachhaltigeren Landwirtschaft gefordert und auch grundsätzlich willkommen. Wichtig ist, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe darunter nicht leidet, da die Wirtschaftlichkeit eine wesentliche Säule der Nachhaltigkeit darstellt. Um die Auswirkungen der Milchproduktion auf die Umwelt speziell für Südtirol bestimmen zu können, wurde im Rahmen des Systemvergleichs Milchviehhaltung (im Rahmen des Aktionsplans Berglandwirtschaft der Provinz Bozen finanziert) eine sogenannte „Ökobilanzierung“ am Versuchsbetrieb Mair am Hof in Dietenheim durchgeführt. Dort werden bereits seit 2019 in Zusammenarbeit zwischen der Freien Universität Bozen und dem Versuchszentrum Laimburg zahlreiche Daten, vor allem zu Flächennutzung, Düngung, Futterproduktion, Weidemanagement, Fütterung, Milchleistung sowie Tiergesundheit erhoben.

Zwei Milchproduktionssysteme im Vergleich
Der Versuch stützt sich auf den Vergleich zweier Milchproduktionssysteme. Während ein System mit Fleckviehkühen auf eine Mais- und Grassilage sowie Kraftfutter-basierte Fütterung bei ganzjähriger Stallhaltung, d. h. eine intensive Haltung (hier als High-Input bezeichnet), setzt, wird im zweiten System Milch mit einer Grauviehherde mit saisonalem Weidegang und Fütterung nach Heumilchregulativ (hier als Low-Input bezeichnet) erzeugt. Neben Fütterung und Management, welche vornehmlich für die Wirkung auf die Umwelt verantwortlich sind, nehmen aber noch weitere Faktoren Einfluss. Dazu gehören die Ausscheidungen (Emissionen), welche direkt vom Tier abgegeben werden, und jene, die während der Lagerung und Ausbringung des Wirtschaftsdüngers entstehen. Dagegen belasten Stallungen, Energieverbrauch und Transportvorgänge im Betrieb die Umwelt kaum. Entsprechend liegen die Verbesserungspotenziale vor allem in den erstgenannten Bereichen.

Was wurde bisher untersucht?
Die Bewertung der Umweltwirkungen wurde, wie insgesamt üblich und bereits erwähnt, mittels Ökobilanzierung durchgeführt. Dabei werden vier „Wirkungsebenen“ bzw. „Wirkungskategorien“ bewertet. Diese umfassen:

  • das Treibhauspotenzial (CO2-Äquivalente, im weiteren als Klimawirkung bezeichnet). Damit wird das Erwärmungspotenzial der entstandenen Treibhausgase, beim Milchvieh vor allem Methan, bewertet;
  • das Versauerungspotenzial (im weiteren als Umweltwirkung zusammengefasst). Es beschreibt den Effekt verschiedener Schadstoffe auf Boden, Gewässer und Organismen;
  • das marine Eutrophierungspotenzial (im weiteren als Umweltwirkung zusammengefasst) welches die Störung von Gewässern durch den Eintritt übermäßiger Mengen von Nährstoffen bewertet;
  • die Landnutzung, die als jene Fläche definiert wird, welche für den gesamten Prozess (von der Futtergewinnung bis zur Milch, die den Betrieb verlässt) benötigt wird. D. h., es wird hier bewertet, wie viel Fläche benötigt wird, um eine bestimmte Menge Milch zu produzieren. Daher wurden die Ergebnisse aller untersuchten Wirkungskategorien anschließend auf jeweils einen Kilogramm Fett und Protein korrigierte Milch sowie auf einen Quadratmeter (m2) Betriebsfläche berechnet.

Die Ökobilanzierung eines Milchproduktionssystems umfasst üblicherweise nur jene Bereiche, die innerhalb des landwirtschaftlichen Betriebes ablaufen. Vorgelagerte ­Prozesse wie Anbau und Transport zugekaufter Futtermittel werden als sogenannte „Eingänge “berechnet. Stoffe, welche den
Hof verlassen (z. B. die verkaufte Milch), werden hingegen als „Ausgänge“ betrachtet (Abb. 1). Mit Hilfe verschiedener Rechenmodelle können, nachdem alle Daten (Ein- und Ausgänge) auf einem Betrieb erfasst wurden, die Umweltauswirkungen der einzelnen Prozesse bewertet bzw. berechnet werden.

Die Umweltauswirkungen im Überblick
Die berücksichtigten Umweltauswirkungen und die Effekte der Landnutzung (d. h. Flächenbedarf pro Einheit Produkt) fallen im Low-Input-System deutlich geringer aus als im High-Input-System. Das System ist in der Summe somit „umweltfreundlicher“. Allerdings ist das High-Input-System auf ein Kilogramm erzeugte Milch gerechnet deutlich „klimafreundlicher“ (Abb. 2). Durch die höhere Milchleistung kommt es nämlich zu einem sogenannten „Verdünnungseffekt“, das bedeutet, es entstehen weniger Emissionen pro Kilogramm Produkt. In Zahlen ausgedrückt, bedeutet dies im Schnitt 0,8 CO2-Äquivalente pro Kilogramm produzierte Milch für die High-Input-Gruppe und 0,9 Kilogramm CO2-Äquivalente für die Low-Input-Gruppe, also ein Unterschied von immerhin fast zehn Prozent.
Die Gesamtmenge an produzierten CO2-Äquivalenten entspricht in etwa einer Fahrt mit einem durchschnittlichen Pkw mit Verbrennungsmotor von nur vier bzw. viereinhalb Kilometern. Im Klartext heißt das, wer zur Arbeit und zurück täglich
40 Kilometer fährt, erzeugt in etwa gleich viele CO2-Äquivalente, wie bei der Erzeugung von etwa acht bis neun Kilogramm Milch entstehen. Zudem muss in der gegenwärtigen Diskussion unbedingt berücksichtigt werden, dass Südtirol in diesem Fall verhältnismäßig niedrige Umweltauswirkungen in Relation zu vergleichbaren Studien im Alpenraum zu verzeichnen hatte. Eine Studie aus Österreich zeigte demnach Ergebnisse knapp über einen Kilogramm CO2-Äquivalente pro Kilogramm Milch für alpine Betriebe. Vergleichen wir die Werte für das Treibhauspotenzial der Südtiroler  Studie mit Zahlen aus der Poebene kommen wir zum selben Schluss: Auch dort belaufen sich die Werte über einen Kilogramm CO2-Äquivalente pro Kilogramm produzierte Milch. Auf einen Quadratmeter Betriebsfläche gerechnet, schnitt wiederum die Low-Input-Gruppe sowohl bezüglich der Klima- (Abb. 2) als auch bezüglich der Umweltwirkungen besser ab.
Dabei zeigen die Ergebnisse vor allem großes Potenzial zur Reduzierung der allgemeinen Umweltbelastung durch die Verwendung heimischer Futtermittel und in der Weidenutzung. Tatsächlich wies das Low-Input-System während der Weidesaison (Sommersaison) einen deutlich niedrigeren Landnutzungsbedarf auf als während der Wintersaison und als das High-Input-System zur selben Zeit (Abb. 3).

Was bedeutet das für Südtirols Milchviehpraxis?
Eine möglichst effiziente Nutzung des betriebseigenen Grundfutters und eine damit verbundene Reduzierung des Kraftfutterzukaufs sowie saisonale Weidenutzung können wirksame Maßnahmen zur Reduzierung der betrieblichen Umweltauswirkungen darstellen. Die wichtigste Stellschraube zur Reduktion der Umweltbelastungen ist dabei die Fütterung, wohingegen eine reine Erhöhung der Milchleistung keine valide Maßnahme darstellt: Dadurch können zwar niedrigere Klimawirkungen pro Kilogramm Milch entstehen, andere Umweltbelastungen nehmen jedoch gleichzeitig zu. Entscheidend in der Diskussion rund um Klima- und Umweltschutz ist allerdings auch, dass die betriebliche Wirtschaftlichkeit sowie eine bedarfsgerechte Versorgung der Tiere gewährleistet sind, um zum einen den Fortbestand der Milchviehbetriebe und zum anderen Gesundheit und Wohlergehen der Tiere zu garantieren. Dabei erfüllen die Kühe vielfältige andere Funktionen, die in dieser Studie nicht bewertet werden können. Ganz sicher muss und soll der Sektor seinen Beitrag dazu leisten, noch stärker ist allerdings jede Privatperson gefordert, ihr Leben schrittweise auf die Erfordernisse anzupassen.

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