Die Sonderausstellung „Past Food“ im Archäologiemuseum Bozen zeigt die Ernährung der letzten 15.000 Jahre in Südtirol.

Was unsere Urahnen aßen

Bei der Sonderausstellung „Past Food“ im Südtiroler Archäologiemuseum geht es um die Ernährung unserer Vorfahren. Andreas Putzer ist ihr Kurator. Im Interview erzählt der Archäologe, dass sich unsere Urahnen vielfältiger und gesünder ernährt haben als wir es heute tun.

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Leben

Andreas Putzer und sein Kuratorenteam haben sich für die Sonderausstellung „Past Food“ damit beschäftigt, was bei Herrn und Frau Südtiroler in den letzten 15.000 Jahre in Töpfen, Tellern und Bechern landete.

Südtiroler Landwirt: Herr Putzer, in der Sonderausstellung „Past Food“ geht es um die Geschichte unserer Ernährung. Wie haben sich unsere Vorfahren vor 15.000 Jahren ernährt?
Andreas Putzer:
Vor 15.000 Jahren war der Mensch ja Jäger und Sammler. Deshalb hat er sich vorwiegend von Wild ernährt, so war Steinbock sehr beliebt, aber auch Wildschwein oder Murmeltier kamen auf den Tisch. Es wurde aber auch Fisch gegessen, zum Beispiel Hecht, oder Vögel. Alles was in der näheren Umgebung kreuchte und fleuchte, kam auf den Teller. Und man hat Früchte, Beeren und Pilze gesammelt. Getreide hat zu der Zeit auch schon eine Rolle gespielt. Es gibt Nachweise dafür, dass es in der Ernährung bereits eine Rolle spielte, bevor die Menschen sesshaft wurden.

Woher stammen die Erkenntnisse aus dieser Zeit?
Indem man an den sogenannten „Rastplätzen“ Reste der Speisen gefunden hat, die verzehrt wurden: Knochen zum Beispiel.

Über die Jahrtausende hat sich das Klima verändert. Wie hat sich dadurch die Ernährung gewandelt?
Stimmt, die Eiszeit endet in unserer Gegend hier vor etwa 12.000 Jahren. Dadurch wurde es merklich wärmer, den Höhepunkt gab es vom sechsten bis zum vierten Jahrtausend vor Christus. Damals war es sogar noch wärmer als heute. In Europa hat in dieser Zeit die Landwirtschaft ihren Ursprung, mit dem Anbau von Getreide und Hülsenfrüchten und der Domestizierung von Tieren. Das war aber keine europäische Errungenschaft, vielmehr kam es im sechsten Jahrtausend zu einer großen Migrationswelle aus dem Vorderen Orient (Anatolien), verursacht durch die Klimaerwärmung. Diese Menschen waren eigentlich sesshafte Bauern, die durch ihre Einwanderung Haustiere und Saatgut nach Europa mitgebracht haben. Die lokale Bevölkerung, die noch Jäger und Sammler waren, haben diese Lebensweise für sich adaptiert. In der Folge ist die Population explodiert. Denn durch das sesshaft Werden, hat man begonnen, Vorräte anzulegen und dadurch wiederum konnte man besser planen.

Sie haben es gerade angesprochen: Schon früh hat der Mensch begonnen, Vorräte anzulegen. Welche Verfahren hat man verwendet, um Nahrungsmittel haltbar zu machen?
Bereits Jäger und Sammler haben Fleisch durch Trocknen und Räuchern haltbar gemacht. Auch die Kühllagerung durch kaltes Wasser aus Gebirgsbächen wurde sicher zur Konservierung genutzt. Als die Menschen sesshaft wurden, sind diese Methoden vermehrt eingesetzt worden: Getreide, Gemüse und Früchte wurden getrocknet. Auch das Käsen ist eine Form der Konservierung, zudem hat es Milch verträglicher gemacht. Wahrscheinlich haben die Bauern aus Anatolien auch diese Technologie mit nach Europa gebracht.

Ab wann kamen Genussmittel wie Bier oder Wein auf den Tisch?
Wann es in Südtirol das erste Bier gegeben haben mag, können wir nicht nachweisen. Aber Wein ist sicher über die Etrusker im fünften/sechsten Jahrhundert vor Christus hierhergebracht worden. In dieser Zeit tauchen auch Gerätschaften auf, die auf den Anbau von Trauben und die Herstellung von Wein hindeuten, Rebmesser zum Beispiel. Es gibt zwar den Nachweis von Weintrauben­kernen in Südtirol, die noch älter sind. Allerdings weiß man nicht, ob diese Trauben auch für die Weinproduktion verwendet wurden.

War die Entwicklung der Ernährung eine langsame Entwicklung, oder geprägt von starken Umschwüngen und sprunghaften Veränderungen der Essgewohnheiten?
In der Wissenschaft wird um das sechste Jahrtausend vor Christus sehr wohl von einer „neolithischen Revolution“ gesprochen, weil es in der Jungsteinzeit wirklich diese radikale Veränderung in der Lebensweise der Menschen gegeben hat: Vom mobilen Jäger und Sammler zum sesshaften Bauern. Das hat zu massiven Veränderungen geführt: Ab diesem Zeitpunkt gab es neben Wild auch das Fleisch domestizierter Tiere zum Essen, vom Rind, von Schaf und Ziege oder Schwein, später auch vom Huhn. Hauptnahrungsmittel wird durch diese neue Lebensweise aber das Getreide.

Viele Nahrungsmittel, die wir als traditionell bezeichnen wie Kartoffeln oder Roggen sind nicht heimisch. Wann sind sie nach Europa und in den Alpenraum gelangt?
Stimmt, vor allem die Kartoffel wird in Südtirol erst ab dem 19. Jahrhundert richtig angebaut und spielt in der Bauernkost eine große Rolle. Die ersten Getreidesorten waren Gerste, Einkorn und Emmer. Roggen ist in der Urgeschichte nicht nachgewiesen, nicht einmal in der Römerzeit. Für die Römer war das Pferdefutter, also minder. Der Roggenanbau ist also auch nicht so alt, wie man vermuten würde. Gerste hingegen gibt es in Südtirol schon seit 8000 Jahren und gehörte auch im Mittelalter zu den bedeutendsten Getreidearten.

Ab wann spielt Honig als Süßungsmittel eine Rolle?
Der Mensch ist ein Allesfresser und hat Honig von Wildbienen sicher schon sehr früh konsumiert. Dass Bienen gezüchtet und der Honig davon gewonnen wurde, geht nachweislich auf die Zeiten von Ötzi zurück, also vor 5000 Jahren. In der Schweiz gibt es eine Siedlung aus dieser Zeit, wo man ausgehöhlte Baumstämme gefunden hat; man vermutet, dass darin Bienen gehalten wurden.

War Salz schon früh Thema?
Salz kennt man aus der Jungsteinzeit. Im fünften Jahrtausend vor Christus gibt es in Hallstadt Nachweise dafür, dass alpines Steinsalz abgebaut wurde. Wahrscheinlich wurde auch damit gehandelt.

Man muss aber davon ausgehen, dass wenig oder gar nicht gesalzt wurde. War das Essen unserer Urahnen also fad?
Nein, das war es wohl nicht. Was man gefunden hat, zeigt, dass das Essen damals sehr vielseitig und reich war. Es gibt Untersuchungen aus der Schweiz, bei denen Speiseresten analysiert wurden: Daraus hat man ableiten können, dass die Basis immer Getreide war, das wurde aber angereichert mit Fleisch, Fisch, mit Hülsenfrüchten, Kräutern wie Dill und Petersilie. Man darf sich die Nahrung unserer Vorfahren also nicht als monoton und einseitig vorstellen, aber man weiß, dass es manchmal (sehr) wenig war.

Hat sich der Mensch also früher gesünder ernährt?
Bei Ötzi hat man Studien am Darm-­Mikrobiom gemacht und hat festgestellt, dass es viel reicher war als unsere heutige Darmflora. Also geht man davon aus, dass er vielseitiger gegessen hat, während wir heute an Getreiden vor allem Weizen konsumieren. Und die Nahrungsmittel damals waren wenig verarbeitet und dadurch voll von Vitaminen und Mineralstoffen. Wenn man das mit den hochverarbeiteten Nahrungsmitteln vergleicht, die heute oft gegessen werden  (z. B. Junk­-
food), erklärt sich das von alleine.

Andreas Putzer: „Die gefunden Speisereste zeigen, dass das Essen damals sehr vielseitig war.“

Renate Anna Rubner

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