Südtirols landwirtschaftliche Betriebe mit Direktvermarktung sind in den letzten fünf Jahren deutlich mehr geworden.

Direktvermarktung: ein Sektor im Wachstum

Zwischen 2019 und 2024 ist die Zahl der Direktvermarktungsbetriebe stark gewachsen. Mehr als die Hälfte möchte die Produktion weiter ausbauen. Das geht aus einer WIFO-Studie hervor. Sie belegt auch, wo sich Bäuerinnen und Bauern (mehr) Unterstützung erwarten.

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Wirtschaft Roter Hahn

Die Direktvermarktung in Südtirol ist ein Erfolgsmodell zur Sicherung der landwirtschaftlichen Betriebe“, unterstrich Handelskammer-Präsident Michl Ebner bei der Vorstellung der aktuellen Studie zur bäuerlichen Direktvermarktung in Südtirol. Das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO hat eine entsprechende Studie bereits im Jahr 2019 durchgeführt, nun liegen die Zahlen und Umfrageergebnisse des Jahres 2024 vor, sodass verglichen und ermittelt werden kann, wie sich der Sektor in den letzten fünf Jahren entwickelt hat. Die Daten zeigen deutlich: Er hat sich sehr gut entwickelt. Denn, so belegt die Studie, die Anzahl der direktvermarktenden Betriebe ist von 455 im Jahr 2019 auf 610 für das Jahr 2024 gestiegen, das bedeutet einen Zuwachs von beachtlichen 34 Prozent. Landesrat Luis Walcher sieht den Verdienst für diese positive Entwicklung vor allem im Einsatz und Fleiß der vielen kleinen landwirtschaftlichen Betriebe im Land, die „einen unbändigen Willen zeigen, Landwirtschaft zu betreiben“. Er lobte den Südtiroler Bauernbund, der Beratung und Weiterbildung für Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter anbietet, und IDM Südtirol mit verschiedenen Initiativen für geschlossene regionale Kreisläufe und neue Vermarktungswege. „Die Aufgabe der Politik ist schließlich, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Betrieben eine erfolgreiche Zukunft sichern“, unterstrich Walcher.
Daniel Gasser, Landesobmann des Südtiroler Bauernbundes, erklärte die Direktvermarktung zur Königsdisziplin der Landwirtschaft, denn Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter müssten mit Herzblut, breitem Fachwissen in verschiedensten Bereichen und vielfältigem Wissen ans Werk gehen. Gasser unterstrich: „Nischenprodukte machen Südtirol aus.“ Die Leistungen der Genossenschaften stelle wohl niemand in Frage, daneben brauche es aber die breite Palette an Nischenprodukten der bäuerlichen Direktvermarktung, um mehr Vielfalt auf den Tisch und in die Teller von Einheimischen und Gästen zu bringen. „Wir als Südtiroler Bauernbund unterstützen die Bäuerinnen und Bauern in der Direktvermarktung durch Initiativen wie die Direktvermarkter-Akademie, den Berater-Pool und Vermarktungsoffensiven wie das Farmfood-Festival im Kurhaus Meran, das Erntedankfest am Waltherplatz in Bozen.“ 

Zuwächse in fast allen Produktgruppen
Urban Perkmann vom Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO stellte schließlich die Ergebnisse der Studie vor und setzte sie mit den Zahlen von 2019 in Vergleich. So ist die Anzahl der Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter nicht nur insgesamt, sondern auch in fast allen Produktgruppen gestiegen: Im Bereich Pflanzenanbau sind das frisches Obst und Gemüse, Wein und andere alkoholische Getränke sowie verschiedene Produkte aus pflanzlichem Anbau, während es sich bei Produkten aus der Tierhaltung um Käse und Milchprodukte, Fleisch und Fleischprodukte, Eier sowie sonstige tierische Produkte handelt. Eine Ausnahme bilden „verschiedene Produkte aus pflanzlichem Anbau“ sowie „sonstige tierische Produkte“. Die Zunahme fiel in den einzelnen Segmenten allerdings sehr unterschiedlich aus: Von 46 im Jahr 2019 auf 107 im Jahr 2024 mehr als verdoppelt hat sich die Anzahl der Betriebe, die vorwiegend frisches Obst und Gemüse direkt vermarkten, sowie die Anzahl der Betriebe, die sich nicht auf eine bestimmte Produktgruppe spezialisiert haben. Auch die Zahl der Direktvermarkterinnen und -vermarkter von Fleisch und Fleischprodukten ist mit einem Zuwachs von 63,5 Prozent (von 31 im Jahr 2019 auf 50 im Jahr 2024) stark gestiegen. Deutliche Zuwächse sind zudem bei den Produzentinnen und Produzenten von Wein und anderen alkoholischen Getränken (von 138 im Jahr 2019 auf 178 im Jahr 2024) sowie von Eiern (von 44 im Jahr 2019 auf 55 im Jahr 2024) zu verzeichnen. Die Anzahl der Direktvermarktungsbetriebe, die Käse und Milchprodukte herstellen, hat sich hingegen in diesem Zeitraum nur leicht erhöht. 

61,1 Millionen Euro Jahresumsatz
Insgesamt konnten die landwirtschaftlichen Betriebe in Südtirol im Jahr 2024 einen Umsatz von 61,1 Millionen Euro aus der Direktvermarktung erwirtschaftet, im Jahr 2019 waren es 44,7 Millionen Euro. Dies entspricht einem Plus von 16,4 Millionen Euro. Drei Viertel des Gesamtumsatzes entfallen auf pflanzliche Produkte (davon fast 30 Mio. Euro auf Wein), während ein Viertel von Produkten aus der Tierhaltung stammt. Der durchschnittliche Betriebserlös 2024 lag knapp über 100.000 Euro. Da seit 2019 neben dem Gesamtumsatz auch die Anzahl der Direktvermarktungsbetriebe gestiegen ist, hat sich der Durchschnittserlös pro ­Betrieb im Vergleich zu 2019 (98.400 Euro) aber kaum verändert, belegen die Zahlen.
Klar wird auch, dass die Direktvermarktung einen wichtigen Beitrag zur Einkommenssicherung für Südtirols Bauernhöfe leistet: 77,2 Prozent der Betriebe werden in Vollerwerb betrieben. Viele haben weitere Standbeine, 34 Prozent bieten z.B. auch Urlaub auf dem Bauernhof an. 28 Prozent der direktvermarktenden Bauernhöfe werden nach biologischen Richtlinien bewirtschaftet. Zum Vergleich: Insgesamt setzen zehn Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe auf Bio, 18 Prozent auf Urlaub auf dem Bauernhof.

Alle Absatzkanäle werden genutzt
Abgesetzt werden Produkte aus der bäu­erlichen Direktvermarktung über verschiedene Kanäle: Fast alle Betriebe geben an, mindestens einen Kanal zu nutzen, der direkt zu Endkonsumentinnen und  -konsumenten führt. Am häufigsten setzen sie dabei auf den traditionellen Ab-Hof-Verkauf: 2024 haben rund 81 Prozent aller Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter ab Hof an Endkunden verkauft. Ebenfalls viel genutzt werden ­Hauszustellungen an die Endverbraucherinnen und -verbraucher, was von 28,4 Prozent der Befragten angeboten wird. Ein Viertel der Direktvermarktungsbetriebe ist auf Bauernmärkten präsent, allerdings ist dieser Anteil leicht rückläufig: 2019 war noch etwa jeder dritte Betrieb dort vertreten. Weitere direkte Kanäle wie eigene Online-Shops werden von rund jedem zehnten Betrieb genutzt – hier zeigt sich seit 2019 ein leichter Anstieg. Die häufige Nutzung eines Vertriebskanals bedeutet jedoch nicht automatisch einen hohen Umsatz: So verkauft beispielsweise fast jeder Direktvermarkter direkt an Endkonsumenten, jedoch entfällt nur etwa ein Drittel des Gesamtumsatzes auf diese Vertriebsart (21,6 Mio. Euro). Allerdings hat sich der Umsatz aus dem Verkauf an Endverbraucherinnen und -verbraucher im Vergleich zu 2019 um rund 45 Prozent gesteigert. Dabei ist mit 15,3 Millionen Euro Umsatz besonders der Ab-Hof-Verkauf interessant, im Vergleich zu 2019 bedeutet das einen Zuwachs von rund 50 Prozent. Ein beträchtlicher Teil entfällt zudem auf den Bauernmarkt (3,8 Mio. Euro). „Andere Kanäle“ wie die Hauszustellung, oder ein eigener Onlineshop machen zwar nur einen geringen Teil aus, der über diese Kanäle generierte Umsatz hat sich jedoch seit 2019 jeweils verdoppelt. Auch der Umsatz aus dem Verkauf an Unternehmen ist seit 2019 um rund 32 Prozent auf 39,6 Millionen Euro gestiegen. Auffällig ist, dass bereits ein Drittel des Gesamtumsatzes (20,1 Mio. Euro) durch den Verkauf an Zwischenhändler erzielt wird. Diese verkaufen die Produkte wiederum an den Einzelhandel (4,1 Mio. Euro) oder die Gastronomie (16,0 Mio. Euro) weiter. Die Zusammenarbeit der Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter mit dem Lebensmitteleinzelhandel (9 Mio. Euro) und der Gastronomie (10,4 Mio. Euro) ist aber auch sehr wichtig. Insgesamt gehen somit 26,4 Millionen Euro, also 43,3 Prozent, (direkt oder indirekt) an die Gastronomie und 13,1 Millionen Euro an den Einzelhandel. 

Mehr Unterstützung gefordert
So gut sich der Sektor entwickelt, so gibt es doch Herausforderungen, die mit dem Einstieg in die Direktvermarktung auf Bäuerinnen und Bauern zukommen: In erster Linie wurde dabei der hohe Arbeitsaufwand genannt, mit Unterschieden je nach Betriebstyp. Insbesondere Mischbetriebe, d. h. Betriebe, die ihre Produktion auf mehrere Produktgruppen aufbauen, sowie Produzentinnen und Produzenten von Käse und Milchprodukten empfinden den Arbeitsaufwand als überdurchschnittlich hoch. Als weitere Schwierigkeiten werden komplexe gesetzliche Vorschriften, der Aufwand für die Vermarktung und die vergleichsweise hohen Investitionskosten genannt. Allerdings hat sich dieses Bild im Vergleich zu 2019 kaum geändert. Viele Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter erwarten sich deshalb für ihre Arbeit Unterstützung von außen. Die Prioritäten nach Themenbereichen haben sich seit 2019 zwar nur geringfügig geändert, die Wünsche sind allerdings in allen Themenbereichen deutlich gestiegen: Am häufigsten wird Unterstützung für die Sensibilisierung der Konsumentinnen und Konsumenten gefordert: Vier von fünf Direktvermarktern wünschen sich verstärkte Maßnahmen, um Verbraucherinnen und Verbraucher über Themen wie Produktqualität, Regionalität, Nachhaltigkeit aufzuklären. Das soll in Form von Informationskampagnen, Veranstaltungen oder Werbung geschehen. Mehr als die Hälfte der Befragten wünschen sich außerdem mehr Unterstützung bei Genehmigungen und arbeitsrechtlichen Fragen sowie bei der Umsetzung von Etikettierungsvorschriften und Hygienebestimmungen. Mehr als 50 Prozent der Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter erwarten sich zusätzliche Hilfe bei der Vermarktung ihrer Produkte, insbesondere bei Preisgestaltung und Bewerbung. Allerdings plant mehr als die Hälfte der Südtiroler Direktvermarkter (54,5 %) trotz der zahlreichen Herausforderungen einen Ausbau ihrer Tätigkeit: Zwei Drittel der Produzentinnen und Produzenten von frischem Obst und Gemüse sind bereits dabei, ihre Produktion zu erweitern, während sechs von zehn Produzenten von Käse und Milchprodukten ihre Tätigkeit konsolidieren wollen. Knapp drei Viertel der Betriebe, die eine Erweiterung der Direktvermarktung planen, möchte dies durch eine Steigerung der Produktmenge bewerkstelligen. Außerdem möchte ein wachsender Anteil der ausbauwilligen Direktvermarkter in Zukunft ihre Produktpalette erweitern. Während das im Jahr 2019 44,5 Prozent der Befragten vorhatten, sind es 2024 bereits 56,9 Prozent. 

Renate Anna Rubner

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