Ein Frauentrio für St. Pauls

Ein Gespräch mit den drei Frauen im neuen Verwaltungsrat der Kellerei St. Pauls: Wie sie das Ehrenamt sehen und woher sie die Motivation nehmen. Es geht aber auch um Diplomatie, Kuchen für den Teamgeist und wieso Nachhaltigkeit vor allem die Zukunftssicherung der Betriebe bedeutet.

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SBB Leben Landwirt

Drei ist die magische Zahl: Seit November 2022 mischen im Verwaltungsrat der 1907 gegründeten Kellerei St. Pauls drei Frauen mit: Franziska Bauer, Erika Call und Magdalena Kössler. Neu ist diese Konstellation nur zum Teil, denn Erika bestreitet bereits ihre dritte Legislaturperiode. Franziska und Magdalena sind hingegen zum ersten Mal mit dabei. Wie fühlt man sich vor der ersten Verwaltungsratssitzung? „Vor der ersten Sitzung war ich schon ein bisschen aufgeregt“, gibt Magdalena zu. „Man fragt sich als Neuzugang oft ,Was muss ich und was darf ich'. Aber inzwischen freue ich mich richtig auf die Sitzungen. Sie geben mir viel, menschlich und fachlich. Ich sehe sie quasi als Weiterbildung.“    
„Die Dreierkombi ist sehr interessant“, erklärt Erika Call. „Man hat drei Ideen und Köpfe und mindestens drei Visionen. So bleibt es spannend und dynamisch.“ Sie selbst hat die Landwirtschaft des Vaters übernommen und stellte schrittweise ganz auf Weinbau um. Vor sechs Jahren schließlich wurde sie in den Verwaltungsrat der Kellerei gewählt.
Franziska Bauer kam beim zweiten Anlauf zum Zug. Dass es nicht gleich beim ersten Mal geklappt hat, empfand sie keinesfalls als entmutigend. „Ich hatte schon Erfahrung in verschiedenen Gremien gesammelt, also wusste ich auch, dass ein ‚Nein‘ heute nicht für immer gilt. Man darf nicht den Mut verlieren.“

Gemeinsames Ziel: gesundes Lesegut produzieren
Auf die Frage, ob für Frauen die Hemmschwelle höher ist, um überhaupt zu kandidieren, und ob sie deshalb mit besonderem Ehrgeiz reagiert hat, winkt sie ab: „Nicht wirklich. Das Ziel ist doch für alle dasselbe: gesundes Lesegut zu produzieren. Davon hängt viel ab, also gibt jede und jeder das Beste.“ Schlussendlich komme es auf den Menschen an, nicht auf das Geschlecht. „Dass man im Verwaltungsrat mehr angeschaut wird, ist normal. Das betrifft männliche und weibliche Mitglieder gleichermaßen“, ergänzt Erika Call. „Schließlich trifft man Entscheidungen nicht nur für sich, sondern auch für die Betriebe anderer. Davon hängen Familien und Existenzen ab. Und nicht zuletzt auch deren Zukunft.“

Feingefühl und Diplomatie
„Jede und jeder kann sich bei Sitzungen einbringen, das ist das Schöne an der Arbeit im Verwaltungsrat. Müssen und Zwingen hat keinen Zweck, sonst hat man keine Freude daran“, erklärt Franziska. Die Aufgabe im Verwaltungsrat verlange ein gewisses Maß an Feingefühl und Diplomatie: Man müsse ein Gespür dafür entwickeln, was man sagt und vor allem wie. Ein Drahtseilakt, der auch seine Faszination hat, sind sich alle einig. Gleichzeitig müsse man zuhören können: Viele Anliegen schnappe man abseits der offiziellen Kanäle auf und könne sie dann bei den Sitzungen einbringen.
„Kritisieren ist einfach“, meint Franziska Bauer auf die Frage, warum es wichtig ist, sich für ehrenamtliche Funktionen aufstellen zu lassen. „Aber wenn man etwas bewegen und verändern will, muss man aktiv werden. Und durch unser Mitwirken im Verwaltungsrat können wir unseren Beitrag dazu leisten. Das ist für mich wichtig.“ Magdalena Kössler überlegt: „Interessant ist auch der Blick hinter die Kulissen: Nach einigen Sitzungen verstehe ich die Beweggründe hinter Entscheidungen, die ich davor vielleicht nicht begriffen und womöglich sogar kritisiert hätte.“ Erika Call bestätigt das: „Ja, man bekommt einen anderen Zugang zu Themen und Menschen. Der persönliche Faktor spielt hier eine große Rolle.“
Lust auf mehr bekomme man sicher auch wegen des sozialen Faktors. „Erfreulicherweise ist die Diskussionskultur im Verwaltungsrat sehr angenehm. Der Austausch fällt dadurch leicht. Und weil man untereinander allgemein gut auskommt, trifft man sich auch außerhalb in größeren und kleineren Gruppen und pflegt so ein soziales Netz“, freut sich Franziska Bauer.
Das sei nicht zu unterschätzen: „Ab und zu ein Kuchen, ein gemeinsames Essen oder eine Unternehmung fördern Zusammenhalt und Teamgeist. Da kommt gleich mehr Freude beim Arbeiten auf“, unterstreichen die drei Frauen. Heute werde leider vieles als Arbeit gesehen, was früher einfach Freude gemacht hat: ganz konkret das Mitwirken als Funk-tio-nä-rin oder Funktionär.

Gesellschaft hat sich verändert
Steckt deshalb das Ehrenamt manchmal in einer Krise? „Die Gesellschaft hat sich schon sehr verändert“, überlegen die drei. „Viele Bäuerinnen und Bauern haben zusätzlich noch andere Jobs und dadurch weniger Zeit – auch für das Ehrenamt, was ja ganz verständlich ist. Eine Lösung könnte z. B. sein, sich als kooptierte Mitglieder für kürzere Perioden oder projektbezogen ehrenamtlich einbringen zu können.“
Wichtig sei auch, engagierte Menschen direkt anzusprechen und zum Mitmachen einzuladen. Das zeigt sich auch am Beispiel der drei Frauen: Sie selbst seien gezielt angesprochen worden, erklären sie. „Ausschlaggebend dabei war sicher die Begeisterung für die Sache, die wir gespürt haben, das hat sich übertragen“, sind sich alle drei sicher.
Der Arbeitsaufwand hält sich in Grenzen: Einmal im Monat gibt es im Verwaltungsrat eine Hauptsitzung, bei Bedarf Zwischensitzungen. Franziska und Erika, die auch im Ortsbäuerinnenrat tätig waren, wissen, dass man dafür vielleicht etwas mehr Zeit investieren muss, man aber gleichzeitig viel zurückbekommt: Gemeinschaft, Rückhalt, „a Hetz“ und das Gefühl, einen Beitrag geleistet zu haben.

Großes Thema: Weinagenda 2030
Auch einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit und zum Klimaschutz: So ist die Weinagenda 2030 beispielsweise ein wichtiger Bestandteil der Verwaltungsratssitzungen und wird es wohl noch lange bleiben. „Seit Beginn dieses Jahres haben wir unter anderem zu diesem Thema bereits zwei Klausuren gemacht“, erzählt Magdalena Kössler.
Es laufen aber schon seit einigen Jahren wichtige Maßnahmen zu Einsaat, Unterstockbegrünung und Wassermanagement. Außerdem nehmen inzwischen alle Mitglieder der Genossenschaft an der nationalen Zertifizierung SQNPI teil. „Wichtig ist aber auch, dass man Platz schafft und bewahrt, damit die Existenz eines jeden Genossenschaftsmitglieds erhalten bleibt. Auch das ist Nachhaltigkeit“, unterstreicht die junge Bäuerin.

Annamaria Anderlan

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