Südtirols Weidetiere vor dem Großraubwild schützen: Das ist das Ziel der Agrarpolitik auf allen politischen Ebenen. 

Ein Licht am Ende des langen Tunnels

Meinhard Durnwalder ist einer der Südtiroler Vertreter im Senat und kämpft seit Jahren für die Regulierung des Wolfes. Im Gespräch mit dem „Südtiroler Landwirt“ erklärt er, warum sich jetzt etwas bewegt, welche Schritte notwendig sind und was das bedeutet. 

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Politik Wirtschaft

Der Wolf und seine Ausbreitung in Südtirol haben sich im Laufe der vergangenen Jahre zu einer erheblichen Gefahr für die heimische Almwirtschaft entwickelt. Der Südtiroler Bauernbund hat von Beginn an auf das Problem hingewiesen – mit Protestaktio­nen, der Veröffentlichung von Bildern und Videos zu Wolfsrissen und mit der Teilnahme an Mahnfeuer-Aktionen. Vor allem aber mit hartnäckiger, konsequenter und sachlicher Überzeugungsarbeit und mit guten Partnern auf allen politischen Ebenen – von Bozen über Rom bis nach Brüssel und Straßburg. Überall galt es, Hindernisse zu überwinden, neue Wege zu suchen und Rückschläge zu verkraften. In der aktuellen Folge des Podcasts „Zua­glost“ ist der Senator Meinhard Durnwalder zu Gast, er ist seit sieben Jahren in Rom ein wichtiger Ansprechpartner für die Anliegen der Südtiroler Landwirtschaft. Im Podcast – und im folgenden Interview – berichtet er vom aktuellen Stand der Diskussion über eine mögliche Entnahme des Wolfes in Südtirol. 

Südtiroler Landwirt: Herr Durnwalder, das Thema Wolf beschäftigt die Bauern schon seit Jahren. Wie ist der aktuelle Stand der Dinge?
Meinhard Durnwalder:
Es gibt erstmals echte Bewegung auf europäischer Ebene. Die EU-Kommission und die anderen EU-Gremien haben beschlossen, den Schutzstatus des Wolfes in der FFH-Richtlinie von „streng geschützt“ auf „geschützt“ zu senken. Das ist ein Wendepunkt, an dem auch unser Südtiroler EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann maßgeblich beteiligt war. Damit sind wir nicht mehr gezwungen, aufwändige Herdenschutzmaßnahmen nachzuweisen, bevor eine Entnahme erfolgen kann. Das Thema Herdenschutz hat uns immer vor Probleme gestellt, auch weil die Regeln sehr schwammig formuliert waren: Einmal war der Herdenschutzzaun zu niedrig, einmal hätte man noch dies und das umsetzen sollen. Kurz: Die Gerichte haben immer etwas gefunden, was an Herdenschutz zu wenig geleistet wurde. Diese Änderung wird es den Regionen ermöglichen, realistische und praktikable Lösungen zu finden, um die Wolfsproblematik zu entschärfen. Jetzt muss diese Regelung noch im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden, danach kann Italien aktiv werden.

Was bedeutet das genau für die Bauern in Südtirol?
Sobald Italien die Richtlinie anpasst, kann das Land Südtirol eigene Abschussverordnungen erlassen. Dann können wir endlich eine regionale Regulierung einführen, die auch rechtlich standhält. Der Wolf bleibt weiterhin eine geschützte Art, aber wir können dann einen über den garantierten Mindestbestand hinausgehenden Teil regulieren. Dieses Prinzip kennen wir schon von Murmeltieren, Steinböcken und Gämsen. Damit schützen wir unsere Almwirtschaft, unser Weidevieh und die Arbeit der Bergbauern.

Welche Schritte sind jetzt konkret notwendig?
Die erste Voraussetzung ist, dass die EU-Entscheidung offiziell veröffentlicht wird. Danach muss Italien den nationalen Rechtsrahmen anpassen. Das heißt im Klartext: Der Wolf muss auch laut italienischem Recht von „streng geschützt“ auf „geschützt“ herabgestuft werden. In Rom arbeiten wir bereits an den entsprechenden Gesetzesänderungen. Die Landwirtschaftskommissionen in der Abgeordnetenkammer und im Senat haben bereits positive Gutachten abgegeben, es ist also damit zu rechnen, dass Italien hier bald nachziehen wird. Parallel dazu bereitet sich das Land Südtirol auf die Umsetzung vor – auch organisatorisch und verwaltungstechnisch.

Warum war das Thema in Rom und Brüssel bisher so schwer durchzubringen?
Die Habitat-Richtlinie hat lange Zeit verhindert, dass man überhaupt über eine Entnahme diskutieren konnte. Zudem war der politische Wille auf nationaler Ebene oft nicht vorhanden. Der Wolf war kein Thema im urbanen Raum, in dem viele Entscheidungsträger leben. Viele Menschen dort sehen im Wolf ein Symbol für unberührte Natur, nicht als Bedrohung. Dazu kommt: In Italien sind viele Gebiete gar nicht mehr bewirtschaftet, viele Almen aufgelassen. Die Betroffenheit ist regional sehr unterschiedlich. Und ganz entscheidend bei diesem Thema: In Italien gibt es eine sehr starke Tierrechtslobby – außerhalb, aber auch innerhalb des Parlaments. Wobei für diese Leute das Thema Tierschutz eine etwas eingeschränkte Rolle spielt – gerissene und blutig verendete Weidetiere gehören offenbar nicht zu ihrer Zielgruppe. 

Hat sich diese Wahrnehmung inzwischen verändert?
Ja, langsam, aber merklich. Der Wolf nähert sich inzwischen auch Siedlungen und sorgt dort für Verunsicherung. Gleichzeitig haben medienwirksame Fälle, wie der Tod eines Joggers durch einen Bären, das Sicherheitsbewusstsein gegenüber dem Großraubwild im Allgemeinen gestärkt. Auch die städtische Bevölkerung beginnt zu erkennen, dass es Grenzen braucht. Ein weiterer Faktor ist, dass sich nun auch andere Regionen, etwa im Apennin oder Friaul, des Themas ernsthaft annehmen. Es entsteht ein breiterer politischer Druck.

Was ist Ihr konkretes Ziel für Südtirol?
Ziel ist es, eine reguläre und rechtlich saubere Entnahme möglich zu machen. Bis zum heutigen Tag wurde in ganz Italien noch kein einziger Wolf legal entnommen, dabei haben wir hier mittlerweile europaweit eine der größten Wolfspopulationen. Wir brauchen eine Lösung, die sowohl der Biodiversität als auch der Landwirtschaft gerecht wird. Wenn der Wolf nicht reguliert werden kann, droht das Aus für viele Almen. Damit würden nicht nur Arbeitsplätze verloren gehen, sondern auch jahrhundertealte Kulturlandschaften. Deshalb wollen wir, dass die Entnahme zu einer alltäglichen, planbaren Maßnahme wird.

Wie realistisch ist eine solche legale Entnahme noch diesen Sommer?
Leider eher unwahrscheinlich. Die gesetzliche Grundlage wird sich vermutlich erst im Laufe des Jahres konkretisieren. Die Sommermonate 2025 werden voraussichtlich noch unter dem alten Regelwerk laufen. Ich hoffe aber, dass wir bis spätestens dem kommenden Frühjahr erste legale Entnahmen umsetzen können. Wichtig ist, dass damit endlich ein Tabu gebrochen wird. Wenn die erste Entnahme legal erfolgt, wird sich die Debatte versachlichen. Es gibt jetzt endlich Licht am Ende eines langen Tunnels. 

Wie soll die Regulierung des Wolfes technisch funktionieren?
Ähnlich wie bei anderen Wildtieren: Es wird Bestandszahlen geben, basierend auf Monitoring-Daten. Daraus ergibt sich eine Abschussquote. Diese kann dann per Dekret des Landes umgesetzt werden. Wichtig ist, dass wir hier nicht bei null anfangen. Wir haben in Südtirol kompetente Fachstellen, die solche Verfahren aufsetzen können. Auch die Zusammenarbeit mit der ISPRA, dem Umweltinstitut, wird eine Rolle spielen.

Welche Rolle spielt der Bauernbund in diesem Prozess?
Eine tragende. Der Bauernbund ist der einzige Verband, dem es gelungen ist, einen Gesprächstermin mit dem Landwirtschaftsminister zu bekommen. Und das nicht allein, sondern gemeinsam mit dem zuständigen Landesrat – seit dem vergangenen Jahr Luis Walcher. Und bei diesem Gespräch – so wie bei vielen anderen Gelegenheiten – haben wir immer und immer wieder auf das Problem hingewiesen und sachliche Argumente für eine Neuregelung vorgebracht. Das zeigt, wie gut die Vernetzung funktioniert. Der Bauernbund liefert nicht nur Zahlen und Fakten, sondern versteht es auch, politisch Druck zu machen. Das ist in Rom extrem wichtig.

Gilt die neue Regelung auch für andere Wildtiere wie den Goldschakal?
Der Goldschakal breitet sich ebenfalls aus und führt in manchen Regionen schon zu Problemen ähnlich wie der Wolf. Auch hier setzen wir uns für eine Herabstufung des Schutzstatus ein. Es ist dasselbe Prinzip: Erst wenn die gesetzliche Grundlage passt, können wir in den Regionen selbst handeln. Noch sind wir beim Goldschakal nicht so weit, aber der politische Wille ist da.

Woher kommt die politische Unterstützung für diese Vorhaben?
Sie ist das Ergebnis jahrelanger Aufbauarbeit. Ich habe seit meinem Amtsantritt 2018 bei jeder sich bietenden Gelegenheit über das Thema gesprochen, bei Kollegen, Ministerien, in Kommissionen. Heute sehen wir erste Erfolge. Aber das war ein langer Weg, und es braucht Geduld und Beharrlichkeit. Auch andere Regionen bringen sich mittlerweile ein. Wir sind nicht mehr allein.

Was ist Ihre langfristige Perspektive für den Umgang mit Großraubwild?
Wir müssen weg von der Schwarz-Weiß-Debatte. Es geht nicht um Ausrottung, sondern um ein Gleichgewicht. Der Mensch hat die Kulturlandschaft geprägt. Der Wolf darf diese nicht zerstören. Wir brauchen einen rechtssicheren, planbaren Weg, um die Population zu kontrollieren. Mein Ziel ist, dass diese Regulierung in zehn Jahren so selbstverständlich ist wie die Jagd auf andere Wildtiere. 

Meinhard Durnwalder: „Wichtig ist, dass es endlich zu einer legalen Entnahme kommt!“

Weitere Themen im Podcast

 

In der aktuellen Folge von „Zuaglost“ spricht Meinhard Durnwalder nicht nur über den Wolf. Zur Sprache kommen auch weitere Themen mit Südtirol-Bezug.

Autonomiereform: Das Land erhält in Zukunft mehr Kompetenzen in Bereichen wie Umweltschutz, Wildtiermanagement, Wasserrecht und Vergabewesen. Besonders wichtig: Der Landeshauptmann kann bei Gefahr durch Großraubwild sofortige Maßnahmen ergreifen. Die Reform befindet sich derzeit im parlamentarischen Verfahren. Ein Abschluss noch in dieser Wahlperiode ist möglich, aber anspruchsvoll. (Siehe auch S. 4–5 in dieser Ausgabe.)
Tiertransporte: Bisher galten für Tiertransporte unpraktikable Vorschriften, etwa Ruhezeiten kurz vor dem Ziel. Jetzt gibt es Erleichterungen durch eine Ausnahmegenehmigung für Berggebiete. Das ist besonders wichtig für Versteigerungen oder für Betriebe mit weiten Wegen zu den Verarbeitungsbetrieben. (Siehe dazu auch S. 30 in dieser Ausgabe.)
Anti-Mafia-Erklärungen: Es wird eine Vereinfachung bei den Dokumentationspflichten angestrebt, insbesondere bei der Vergabe von Kleinaufträgen oder EU-Förderprojekten. Bisher waren diese Pflichten für viele kleine Betriebe eine enorme Belastung.
Borkenkäfer-Bekämpfung: Für die kommenden drei Jahre wurden insgesamt 2,1 Millionen Euro für die Bekämpfung des Borkenkäfers in Südtirol gesichert. Diese Mittel fließen in Forstschutz, Schädlingsüberwachung und Beratung.

Das komplette Gespräch mit Meinhard Durnwalder gibt es in der neuen Folge des Podcasts „Zuaglost“ unter dem Link zuaglost.podigee.io und auf allen gängigen Podcast-Plattformen (Spotify, Apple Podcasts, Audible …). Die Redaktion freut sich über Rückmeldungen und Empfehlungen.

Interview: Bernhard Christanell

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