Hier im Südtiroler Landtag möchten die vier bäuerlichen Kandidaten nach dem 22. Oktober die Anliegen der Landwirtschaft vertreten.

„Entscheidungsfreude ist gefragt“

Wie die vier bäuerlichen Landtagskandidaten als Persönlichkeiten „ticken“, hat der „Südtiroler Landwirt“ in Podcast-Folgen und der letzten Ausgabe bereits herausgefunden. Im ausführlichen Sommergespräch geht es diesmal um wichtige politische Fragen.

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Südtiroler Landwirt: Die letzten fünf Jahre waren für die Politik schwierige Jahre. Die Pandemie, der Ukraine-Krieg und die Preissteigerungen sorgten für viel Verunsicherung. Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen konnten wieder wichtige Anliegen umgesetzt werden. Was ist aus Sicht der Landwirtschaft besonders wichtig?

Franz Locher: Mit den Kollegen im Landtag konnten wir einiges in Bewegung setzen. Das war nur möglich, weil wir zusammengehalten haben. Mich freut es, dass es gelungen ist, die Beiträge für die Waldpflege zu verdoppeln. Auch kann nun Holz am Bahnhof Bozen auf die Güterzüge verladen werden. Mit dem Gesetz zum Großraubwild hoffe ich, dass wir endlich vom verpflichtenden ISPRA-Gutachten wegkommen. Auch bei anderen Themen wie dem ländlichen Entwicklungsplan oder den Wasserkonzessionen haben wir einiges für die Bäuerinnen und Bauern verbessern können.

Sepp Noggler: Es ist uns gelungen, das Gesetz zum Großraubwild zu verabschieden. Auch beim Bettenstopp haben wir uns mit Erfolg für den Urlaub auf dem Bauernhof eingesetzt. Viel zu tun gab es bei der Landesraumordnung. Die Direktvermarktung war ebenfalls öfters ein Thema. Auf einem Dreier-Landtag haben wir zudem eine gemeinsame Vorgehensweise beim Borkenkäfer beschlossen. Ebenso haben wir uns mit den Wasserableitungen und der Energie beschäftigt. Sie ist sehr teuer geworden und darunter leidet die Landwirtschaft besonders. 

Maria Hochgruber Kuenzer: Das Thema Raumordnung war sicher die größte Herausforderung der vergangenen fünf Jahre. Jetzt ist das Gesetz aber anwendbar. Die Kostensteigerung bei den Energiepreisen hat die Förderung erneuerbarer Energien stark beschleunigt. So haben wir Tabus wie die Anbringung von Photovoltaik-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden überwunden. Auch eine Reihe von Baurechten im landwirtschaftlichen Grün haben wir neu geregelt und damit eine Entwicklung der Betriebe ermöglicht.

Luis Walcher, Sie sind das neue Gesicht unter den bäuerlichen Kandidaten. Was sind Ihre Beweggründe, von der Bozner Stadtpolitik in die Landespolitik zu wechseln?

Luis Walcher: Nach 18 Jahren im Bozner Gemeinderat und 920 Gemeinderatssitzungen bin ich für den Südtiroler Landtag recht gut gerüstet. Der Grund, wieso ich in die Landespolitik wechseln möchte, ist, dass es mir letzthin bei einigen Themen zu langsam ging. Leider sind einige Bereiche zum Teil Großbaustellen geblieben, wie etwa die Raumordnung. Ich bin in Bozen für die Urbanistik zuständig. Oft konnten wir den Bürgerinnen und Bürgern keine klaren Antworten geben. Ein weiterer Grund, wieso mich die Landespolitik reizt, ist, dass ich gut zwischen Menschen vermitteln und ein Ziel auch hartnäckig verfolgen kann. Außerdem bin ich entscheidungsfreudig. Das, glaube ich, ist im Südtiroler Landtag besonders gefragt. 

Die Raumordnung wurde schon mehrfach erwähnt. Franz Locher, Sie haben in den letzten Jahren nie einen Hehl daraus gemacht, dass Sie mit der Landesraumordnung nicht einverstanden sind. Was muss verbessert werden? 

Franz Locher: Tatsache ist, dass es bei jedem neuen Gesetz Rechtssicherheit braucht. Die Bauämter müssen die Möglichkeit haben, mit dem neuen Gesetz gut zu arbeiten. Und da gibt es leider Probleme. Das Gesetz wurde jährlich geändert, aber keine Durchführungsbestimmung erlassen. Das wäre, wie wenn ein Auto verkauft wird, das Lenkrad aber erst Monate später geliefert wird. Daher konnten und können viele mit dem Gesetz nichts anfangen. 

Maria Hochgruber Kuenzer, Sie hatten mit der Raumordnung das wohl schwierigste Ressort geleitet und einige nicht leichte Entscheidungen zu treffen, für die es – wie man sieht – auch in der bäuerlichen Welt mitunter einiges an Kritik gab. Wo steht die Raumordnung jetzt?

Maria Hochgruber Kuenzer: Das Gesetz war nicht fertig und auch nicht anwendbar, dafür waren viele Beschlüsse und über 25 Durchführungsverordnungen notwendig, die immer mit dem Rat der Gemeinden abzustimmen waren. Dazu kam die verständliche Unsicherheit in den Gemeinden und eine gewisse Grundhaltung gegen das Neue und Unbekannte. Jetzt sind wir aber auf einem guten Weg, das Gesetz für Raum und Landschaft ist jetzt anwendbar. Dass alle 116 Gemeinden ein Gemeindeentwicklungsprogramm mit allen Detailplänen ausarbeiten, ist völlig neu. Die Finanzierung dieser Planungen war sicher die größte Leistung.

Auf fast allen Treffen der erweiterten Bezirksbauernräte haben Mitglieder kritisiert, dass die Beamten entscheiden und nicht mehr die Politik. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?

Franz Locher: Ja, das kann ich. Sehr viele Zuständigkeiten wurden an den Leiter des Bauamtes der Gemeinde delegiert. Wenn nun aber auch nur ein Dokument fehlt, wird der Antrag erst gar nicht an die Gemeindekommission für Raum und Landschaft weitergeleitet, sondern zurückgeschickt. Was auch problematisch ist: Der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin ist nicht mehr mit Sitz und Stimme in der sogenannten kleinen Kommission vertreten und kann nicht die Situation vor Ort erklären. Das soll keine Kritik an den Beamten sein. Die Politik hat zu viele Zuständigkeiten an die Beamten abgegeben. Die Folgen sieht man jetzt. 

Ein heikles Thema ist auch der Landschaftsschutz. Wie können die Erwartungen der Bevölkerung und die Anliegen der Landwirtschaft in Einklang gebracht werden?

Maria Hochgruber Kuenzer: Das Bild wird von unterschiedlichen Gruppierungen der Gesellschaft zum Teil völlig gegensätzlich gesehen. Die einen wollen in der Landschaft wirtschaften, die anderen alle so erhalten, wie sie ist. Landschaft hat sich immer verändert und wird das auch in Zukunft tun. Kulturlandschaft wird durch die Landwirtschaft geprägt. Landschaft, Natur und auch das Klima lassen sich nicht schützen, sie verändern sich – und es ist unsere Aufgabe, diesen Wandel zu gestalten und zu begleiten.

Vor knapp zwei Monaten wurde das Landesgesetz genehmigt, das unter bestimmten Umständen die Entnahme von Wölfen in Südtirol vorsieht. Angenommen, das Gesetz wird vom Staat nicht angefochten – kann es uns wirklich einen Schritt weiterbringen?

Sepp Noggler: In erster Linie geht es bei diesem Gesetz ja darum, dass wir Weideschutzgebiete ausweisen. Bei den Weideschutzgebieten haben wir autonomiepolitisch eine primäre Zuständigkeit, auch wenn es darum geht, sie zu schützen. Und wenn es Umstände gibt, die den Fortbestand dieser Schutzgebiete stören, dann dürfen wir dagegen vorgehen. Im Falle des Wolfes heißt das, dass wir ihn vergrämen oder im Extremfall auch entnehmen können. Ich bin zuversichtlich, dass Rom – wenn überhaupt – nur einzelne Aspekte des Gesetzes überarbeiten möchte und nicht das Gesetz als Ganzes anfechten wird. Ich bin überzeugt, dass das Gesetz uns einen Riesenschritt weiterbringt.

In den vergangenen zwei Jahren sind die Produktionskosten in allen Sektoren deutlich gestiegen, die Erlöse sind im besten Fall gleich geblieben. Angenommen, die Kosten bleiben hoch, wie lassen sich die Produkterlöse langfristig steigern?

Luis Walcher: Das Problem der sinkenden Erlöse ist tatsächlich in allen Sektoren – mit Einschränkungen im Weinbau – stark spürbar. Im Obstbau ist in den vergangenen Jahren in Sachen Fusionen viel passiert, hier wird es bei der Vermarktung sicher noch einen großen Schritt brauchen, etwa indem wir die Marke Südtirol stärker in den Vordergrund stellen. In der Milchwirtschaft müssen wir uns überlegen, ob man nicht noch einmal ein Premiumprodukt schaffen kann. Denn in den Supermarktregalen sind die Preise für Industrieware aus den Gunstlagen oft sogar höher als jene für die qualitativ hochwertigen Südtiroler Produkte. Die IDM sollte die Südtiroler Produkte noch stärker bewerben, damit unsere bäuerlichen Familien auch von ihren Produkten leben können. Auch die Direktvermarkter – speziell die Bauernmärkte – können sich noch stark weiterentwickeln und brauchen dafür Unterstützung.

Das ganze Interview finden Sie ab Freitag in der Ausgabe 14 des „Südtiroler Landwirt“ vom 4. August ab Seite 4, online auf „meinSBB“ oder in der „Südtiroler Landwirt“-App.

 

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