Forschungswegweiser bis 2030

Vielfältige Herausforderungen stellen die Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung auf die Probe. Das Versuchszentrum Laimburg hilft, sie auch künftig zu meistern. Deshalb wurde ein neues Forschungsschwerpunktprogramm bis 2030 erarbeitet.

Lesedauer: 5
Produktion

Klimawandel, Wasserknappheit, ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und die Biodiversitätskrise sind nur einige der Herausforderungen, denen sich die Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung in den kommenden Jahren stellen muss. Mit Blick in eine unsichere Zukunft hat die Europäische Kommission 2019 den Green Deal lanciert. Ziel dieser nachhaltigen und inklusiven Wachstumsstrategie ist es, die EU-Wirtschaft modern, ressourceneffizient und wettbewerbsfähiger zu gestalten.

Ein wesentlicher Bestandteil des Green Deals betrifft die Landwirtschaft. Mit der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ (Farm to Fork Strategy) soll eine faire, gesunde und umweltfreundliche Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion geschaffen werden. Die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ sieht unter anderem folgende Leitziele vor, die bis 2030 erreicht werden sollen: Einsatz und Risiko chemischer Pestizide sowie die Verwendung gefährlicherer Pestizide um 50 Prozent reduzieren, den Einsatz von Düngemitteln um mindestens 20 Prozent verringern, 25 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche biologisch bewirtschaften sowie Antibiotika für Nutztiere und Aquakultur um 50 Prozent reduzieren.

Das Forschungsprogramm des Versuchszentrums Laimburg reagiert auf diese Rahmenbedingungen mit einem Schwerpunktprogramm, das ökologische und ökonomische Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt.

Strategien für die Nachhaltigkeit

Um den vielfältigen Herausforderungen der kommenden Jahre zu begegnen, hat das Ressort für Landwirtschaft gemeinsam mit den Stakeholdern eine eigene, auf die Eigenschaften und Bedürfnisse Südtirols zugeschnittene Strategie für die Nachhaltigkeit erarbeitet: Das Strategiepapier und der dazugehörige Aktionsplan „LandWIRtschaft 2030“ legt für die drei großen Landwirtschaftssektoren in Südtirol – Obstwirtschaft, Weinwirtschaft und Berglandwirtschaft – Zielsetzungen und Handlungsanleitungen für die Jahre bis 2030 fest. Sieben Handlungsfelder bestimmen den Fokus der Strategie: Familienbetriebe & ländlicher Raum, Klima & CO2-Reduktion, Wasser & Boden, Artenvielfalt & Landschaft, Gesundheit & Genuss, Gesellschaft & Dialog, Monitoring & Digitalisierung.

Auch andere wichtige Organisationen der Branche haben Strategien für ein Mehr an Nachhaltigkeit ausgearbeitet. Sustainapple lautet der Weg der nachhaltigen Entwicklung der Südtiroler Apfelwirtschaft. Drei Aktionsbereiche, neun Zielbilder und zehn Maßnahmenpakete mit spezifischen Forschungs- und Entwicklungsprojekten, die auch unter Mitarbeit des Versuchszentrums Laimburg bearbeitet werden, bilden das Herzstück. Dadurch soll der Südtiroler Apfel als weltweites Erfolgsmodell dargestellt, die Menschen gesund ernährt und die Natur als Partnerin gesehen werden.

Die Weinwirtschaft Südtirols hat auf die drängenden Herausforderungen mit der Ausarbeitung der „Südtirol Wein Agenda 2030“ reagiert. Diese Agenda ist der Fahrplan in eine nachhaltige Weinwirtschaft und besteht aus den fünf Aktionsfeldern Boden, Reben, Wein, Menschen und Land mit insgesamt zwölf Meilensteinen. Auch hier sind in den nächsten Jahren zahlreiche Forschungsaktivitäten in Zusammenarbeit mit dem Versuchszentrum Laimburg geplant.

Partizipativer Entstehungsprozess

Mit vier Instituten, über 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie 378 Forschungsprojekten und -tätigkeiten ist das Versuchszentrum Laimburg das Forschungszentrum für die Südtiroler Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung. Ziel ist es, die Südtiroler Betriebe im Landwirtschafts- und Lebensmittelsektor mit wissenschaftlich fundierter Forschungs- und Versuchstätigkeit zu unterstützen, um die Qualität und Nachhaltigkeit der Agrarprodukte zu sichern und die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaftsbetriebe zu steigern. In Abstimmung mit dem Strategiepapier und Aktionsplan „LandWIRtschaft 2030“ hat das Versuchszentrum Laimburg eine eigene Zehnjahresstrategie für eine nachhaltige Landwirtschaft entwickelt: das Forschungsschwerpunktprogramm 2021–2030. In einem zwei Jahre dauernden, partizipativen Prozess wurden alle wichtigen internen und externen Akteure eingebunden: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Versuchszentrums Laimburg, Vertretungen der Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung, Teilnehmerinnen und Teilnehmer der alljährlichen Fachbeiratssitzungen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ressorts für Landwirtschaft und des Wissenschaftlichen Beirats des Versuchszentrums Laimburg. Ziel dieses Prozesses war es, die großen Herausforderungen und brennenden Fragen für die Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung in Südtirol möglichst umfassend zu erheben und anschließend zu erarbeiten, welche Fragestellungen das Versuchszentrum Laimburg in Zukunft konkret bearbeiten kann.

Fünf Forschungsschwerpunkte, 26 Handlungsfelder

Übergeordnetes Prinzip des Forschungsschwerpunktprogrammes ist die Nachhaltigkeit im ökologischen, ökonomischen und sozialen Sinne. Das neue Schwerpunktprogramm bündelt die Forschungstätigkeiten bis 2030 in fünf große Themengruppen. Diesen untergeordnet sind die konkreten Handlungsfelder.

Nachhaltige und resiliente Anbau­systeme: Ziel des Schwerpunktes ist es, im Anbau das volle Potenzial der Natur zu erschließen und eine nachhaltige, bedarfsgerechte und resiliente Bewirtschaftung zu entwickeln, die natürliche Ressourcen, Biodiversität und Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe stärkt. Beispielsweise soll das Potenzial einer grundfutterbasierten Milchproduktion stärker ausgeschöpft werden.

Digitale Innovation und smarte Technologien: Dieser Schwerpunkt zielt darauf ab, den Anbau und die Lebensmittelverarbeitung fit für die Zukunft zu machen. Ziel ist es, moderne Methoden wie Digitalisierung, Big Data, nicht-destruktive Qualitätsbestimmung, Automatisierung und Züchtungstechnologien zu nutzen: für eine smarte und qualitätsorientierte Lebensmittelproduktion, die effizienter, wirtschaftlicher und ökologisch nachhaltiger ist.

Klimaneutrale Landwirtschaft: Ziel dieses Schwerpunkts ist es, Anbau- und Verarbeitungsmethoden an den Klimawandel anzupassen. Die Landwirtschaft kann zur Erreichung der Klimaziele beitragen. Zu diesem Zweck soll eine Landwirtschaft mit geringerem Klima-Footprint und höherer Kohlenstoffbindung entwickelt werden. Ein weiteres Ziel ist die Einführung eines Nachhaltigkeits- und Klimachecks für Anbau- und Verarbeitungsinnovationen.

Qualität und Gesundheit: Gesunde und sichere Lebensmittel aus Südtirol zu produzieren, ist die Zielsetzung dieses Schwerpunkts. Dafür sollen innovative Methoden entwickelt werden, mit denen die Südtiroler Betriebe gesunde und schmackhafte Lebensmittel mit gesicherter Qualität und Herkunft produzieren können.

Lokale Vielfalt und Kreisläufe: Die Aufwertung des Berggebietes steht im Fokus dieses Schwerpunkts. Ziel ist es, die Vielfalt qualitativ hochwertiger Bergprodukte zu fördern sowie Neben- und Abfallprodukte im Sinne einer (über-)regionalen Kreislaufwirtschaft zu verwenden.

Ein Blick hinter die Kulissen: konkrete Beispiele

Das Projekt „Biologische Bekämpfung der Marmorierten Baumwanze in Südtirol“ trägt zum Schwerpunkt „Nachhaltige und resiliente Anbausysteme“ bei. Dabei machen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Versuchszentrums den natürlichen Gegenspieler der Marmorierten Baumwanze, einen Eiparasitoiden namens Samurai-Wespe (Trissolcus japonicus), zunutze. Die vorläufigen Daten und Ergebnisse dieser Versuche deuten auf einen ersten Erfolg und eine mögliche Eindämmung des Schädlings durch die Samurai-Wespe hin.

In den Schwerpunkt „Digitale Innovation und smarte Technologien“ reiht sich das Projekt „Bildanalyse des Stärkeabbau-Musters als objektive Reifebestimmung von Kernobst“. Im Projekt entwickeln Forscherinnen und Forscher am Versuchszentrum Laimburg ein digitales Verfahren basierend auf einer digitalen Bildanalyse, um den Stärkegehalt von Äpfeln zu messen. Die Bildanalyse bietet den Vorteil der Objektivität und ersetzt die visuelle Einschätzung, die zwar verlässlich, aber subjektiv ist. Die Bestimmung des Reifegrades ist wichtig, um die Öffnung der Erntefenster vorhersagen und den richtigen Erntezeitpunkt bestimmen zu können. Schließlich beeinflusst dieser maßgeblich den Erfolg der Lagerung.  

Den ganzen Bericht finden Sie ab Freitag in der Ausgabe 19 des „Südtiroler Landwirt“ vom 28. Oktober ab Seite 45, online auf „meinSBB“ oder in der „Südtiroler Landwirt“-App.

Weitere Artikel zu diesem Thema