Gut und doch günstig zugebaut
Größer, prunkvoller, teurer: Dass dieser Grundsatz für einen neuen Stall nicht unbedingt gelten muss, zeigt das Beispiel vom Kieneggerhof oberhalb von Algund. Der „Südtiroler Landwirt“ hat den Kieneggerbauern Martin Schmider besucht.
Hoch über Algund, etwas oberhalb der Fraktion Vellau, liegt auf 1100 Meter Meereshöhe der Kieneggerhof. Bekannt ist der Kienegger vor allem im Raum Meran für sein Gasthaus – ein beliebtes Ausflugsziel vor allem im Frühjahr und Herbst. Neben dem Gasthaus ist der Kienegger aber auch ein Bergbauernhof. Die zwei Brüder Hannes und Martin Schmider haben sich die Arbeit aufgeteilt: Hannes ist Koch und Chef im Gasthaus, Martin bewirtschaftet den Bauernhof.
Wer den Weg über die schmale Zufahrtsstraße zum Kieneggerhof nimmt, durchquert erst die Hofstelle, bevor er zur Terrasse des Gasthauses kommt. Und wer schon öfter hier war, erkennt, dass sich an der Hofstelle während der Pandemie einiges verändert hat – und doch vieles noch an früher erinnert.
Betrieb grundlegend umgestellt
Bauer Martin hat sich Gedanken über die Zukunft seines Betriebes gemacht und sich für eine grundlegende Umstellung entschieden: Wo früher Stall und Stadel nach dem klassischen System standen – oben der Stadel mit dem Heu und mehreren Futterlöchern, unten die Halle mit den Tieren in Anbindehaltung –, ist heute ein neuer Laufstall zu sehen. Martin hat versucht, neue Wege zu gehen, ohne alles über den Haufen zu werfen und Unsummen an Geld auszugeben: „Natürlich hatte ich auch die Alternative, alles komplett neu zu bauen. Das hätte mich aber 400.000 bis 500.000 Euro gekostet. Diesen hohen Schuldenberg wollte ich mir und meiner Familie aber nicht antun.
Zum Kieneggerhof gehören vier Hektar Wiese mit sehr mageren Böden, alle in der Nähe des Hofes gelegen. Die Hofstelle selbst liegt relativ eben und geschützt in einer Mulde. In einem „normalen“ Jahr mäht Martin seine Wiesen zweimal, viel muss wegen des Geländes in Handarbeit geschehen. Weil die Wiesen nicht nur zum Teil sehr steil, sondern zum überwiegenden Teil sogenannte Sonderflächen sind, weist der Kieneggerhof laut Höfekartei sage und schreibe 140 Erschwernispunkte auf. „Gebaut habe ich für eine Kapazität von zehn Großvieheinheiten, wir nutzen diesen Viehbesatz aber nicht aus. Man muss schon immer auch darauf schauen, was die eigenen Wiesen an Grundfutter hergeben. Eine Maximallösung kam für mich auch aus diesem Grund nicht in Frage“, erklärt Martin.
Neue Viehhalle angebaut
Schließlich hat sich Martin dafür entschieden, die bestehende Struktur zu nutzen und lediglich die Viehhalle neu zu bauen, und zwar auf einer Ebene anschließend an den Stadel. Diesen hat er so belassen, wie er war, an die Stelle des früheren Stalls ist nun ein Lagerraum für Maschinen und Zubehör getreten. Gleichzeitig mit dem Bau des neuen Stalls hat Martin seinen Betrieb auch auf Bio umgestellt: „Dieser Schritt war eigentlich nicht mehr so groß. Schließlich war ein Großteil der notwendigen Kriterien schon vorher erfüllt, weil wir uns an die Vorgaben der Cross Compliance gehalten haben. Neben der Haltungsform, die wir ja umgestellt haben, kamen nur noch die Regeln für den Zukauf von Tieren, Futter und Saatgut dazu. Und natürlich die jährlichen Kontrollen, die durchaus eine Herausforderung für einen Biobetrieb sind“, berichtet Martin. Wesentlich größer wäre der Aufwand, sobald die Produkte aus dem Betrieb weiterverarbeitet und vermarktet würden.
Künftig möchte Martin auf Mutterkuhhaltung setzen: „Wir halten derzeit drei Mutterkühe – zwei der Rasse Grauvieh, eine der Rasse Fleckvieh –, ein Grauviehkalb und ein Kreuzungskalb. Mittel- bis langfristig hoffe ich, dass wir auf vier bis fünf Mutterkühe samt Nachwuchs kommen. Das Fleisch möchten wir dann auch in Form von Komplettpaketen vermarkten.“ Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen – im Sommer hatte Martin wegen der anhaltenden Trockenheit einen Ernteausfall von 80 Prozent – versucht er, in diesem Jahr mit dem Minimum über die Runden zu kommen.
Auf lange Sicht gesehen werde es aber immer schwieriger, einen solchen Betrieb weiterzuführen: „Bergbauern sind von Natur aus zähe Burschen und eng mit ihren Höfen verbunden. Wäre das nicht so, würden angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen sicherlich viel mehr Höfe ihre Stalltüren zusperren. Wichtig war daher für mich, dass neben der Arbeit am Hof noch genügend Zeit für meinen Brotberuf bleibt – ich arbeite selbstständig als Wegmacher für die Gemeinde und den Tourismusverein – und dass die ganze Familie voll mitzieht“, erzählt Martin.
Wohlergehen der Tiere hat Vorrang
Bei der Einrichtung des neuen Stalls stand für Martin das Wohlergehen seiner Tiere an erster Stelle – weshalb sein Laufstall auch etwas anders aussieht, als man es gewohnt ist: „Die Liegeflächen befinden sich in der Mitte, die Fressflächen an der Seite. Das bietet den Tieren genügend Raum, um einander bei Bedarf ausweichen zu können. Ansonsten kann es bei Mutterkühen – die wie in meinem Fall meist behornt sind – im Stall durchaus zu brenzligen Situationen kommen“, erklärt Martin. Weil ihm das Wohl seiner Tiere wichtiger ist als weitere Arbeitsersparnis – und weil es dieser Aufbau des Stalles auch nicht anders zulässt –, hat Martin daher auch auf Investitionen in Melkanlagen und Fütterungsroboter verzichtet. Auch das Entmisten erledigt Martin per Hand. „Mein Ziel“, sagt der Kieneggerbauer, „war es, dass das Arbeitspensum am Hof möglichst gering ist und dass es den Tieren gut geht – dann geht es auch mir und meiner Familie gut!“
Kompetente Beratung vom BRING
Wie aber ist Martin Schmider auf diese etwas ungewöhnliche Lösung für seinen neuen Stall gekommen, woher hat er das Geld dafür bekommen, und wer hat ihn dabei beraten? Alles Fragen, die Martin gerne beantwortet und damit auch eine Anregung für Bäuerinnen und Bauern in ähnlicher Lage bieten will: „Beim Finden der richtigen Lösung hat mich Michael Kuppelwieser vom Beratungsring Berglandwirtschaft BRING tatkräftig und kompetent unterstützt“, berichtet Martin und findet auch sonst lobende Worte für den BRING, zu dessen Gründungsmitgliedern er übrigens zählt: „Bergbauernberater in Südtirol zu sein, ist ein sehr herausfordernder Job. Kein Hof gleicht dem anderen, jede Situation ist individuell zu prüfen und zu entscheiden – und manchmal kommt es auch darauf an, dass der richtige Berater zum richtigen Hof kommt.“
Erfolgreich knapp kalkuliert
Auch bei der Finanzierung seines Projektes hat Martin einen ungewöhnlichen Weg gewählt: „Oft wird der Landesbeitrag, den man erhält, dazu verwendet, um zum ohnehin schon teuren Projekt noch das eine oder andere Extra dazuzuplanen. Ich habe hingegen versucht, mit dem Beitrag für den Bau so weit wie möglich zu kommen, damit sich die Restinvestition einigermaßen in Grenzen hält. Zudem habe ich für die Halle das Holz aus meinem eigenen Wald verwendet und einen großen Teil der Handwerksarbeiten selbst organisiert, das spart natürlich auch Kosten“, blickt Martin zurück.
Bei dieser Form der Kalkulation war Martin durchaus erfolgreich: Anstelle der bereits genannten 400.000 bis 500.000 Euro, die ein kompletter Neubau verschlungen hätte, ist er mit einem Bruchteil davon ausgekommen. Über zwei Drittel der insgesamt rund 100.000 Euro konnte Martin über den Landesbeitrag abdecken. Dass sich die Investitionen in Grenzen gehalten haben, hängt auch damit zusammen, dass die Einkaufsliste beim betreffenden Stalleinrichter recht kurz war: „Dass man nur ein kleiner Kunde ist, lassen einen die betreffenden Firmen schon auch manchmal spüren. Da muss man einfach zu seiner Überzeugung stehen“, betont Martin.
Beispiel für kleine Betriebe
Die Arbeiten selbst sind nahezu reibungslos verlaufen – und Martin ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden: „Ich bin überzeugt, dass diese Form des sparsamen Zubaus für viele kleine Bauernhöfe in meiner Größenordnung eine gute Alternative sein könnte. Ob ein Betrieb langfristig überlebt, hängt nicht unbedingt davon ab, wie groß und prunkvoll Stall und Stadel ausgestattet sind, sondern wie gut es den Tieren und damit auch dem Bauern geht“, betont Martin abschließend.