Ihren guten Ruf haben Südtirols Milchprodukte auch in den vergangenen Jahren der Krise bewahrt. Foto: Marco Parisi

Gutes Jahr trotz widriger Umstände

Die gesamtwirtschaftliche Lage ist schwierig, die Umstände auf den Märkten sind es auch. Trotzdem konnte die Südtiroler Milchwirtschaft bei der Vollversammlung des Sennereiverbandes auf ein gutes Jahr 2023 ­zurückblicken. Der durchschnittliche Milchpreis stieg deutlich an.

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Wirtschaft

Milch und Milchprodukte aus Südtirol haben auch in turbulenten Zeiten ihre wichtige Rolle bewahrt. Am internationalen Milchmarkt ist das Milchland Südtirol zwar nach wie vor sehr klein, punktet aber immer mit hoher Qualität und Zuverlässigkeit – darüber freute sich auch der scheidende Obmann des Sennereiverbandes, Georg Egger: „Die Qualität unserer Produkte ist hoch und kontrolliert, sie kommen daher bei den Konsumentinnen und Konsumenten gut an und man will auch in schwierigen Zeiten nicht auf sie verzichten“, betonte Egger, der auch auf das gute Südtiroler Image verwies – und darauf, dass, wo Südtiroler Milch draufsteht, auch Südtiroler Milch drin ist.

Energiepreise erholt, Niveau bei Löhnen und Verpackung hoch
Bei der Vollversammlung des Sennereiverbandes in Bozen betonte Egger, dass der gesamte Lebensmittelbereich bereits seit Monaten unter dem Druck von gleich zwei Seiten leide. Auf der Kostenseite seien zwar die Schwankungen der Energiepreise zurückgegangen, nach wie vor hoch seien aber Lohn- und Verpackungskosten. „Dazu kommt, dass die Leute wegen der Inflation und den gestiegenen Lebenshaltungskosten weniger, gezielter und verstärkt bei Aktionen kaufen“, berichtete der Obmann. Druck gebe es daher auch von der Seite des Absatzes.

Qualitätsmarke als Garantie
Dass sich die Südtiroler Milchwirtschaft in einem derart widrigen Umfeld bewährt und auf dem Markt behauptet habe, zeige, wie gut die Milchwirtschaft aufgestellt und welch wichtige Größe sie auf den Märkten sei, unterstrich Egger. „Trotz der Schwierigkeiten konnten wir den Auszahlungspreis für unsere Mitglieder anheben“, erklärte der Obmann, der dafür vor allem die Qualität der Produkte, die Zuverlässigkeit der Milchhöfe und die Bekanntheit der einzelnen Marken vor allem auf dem italienischen Markt verantwortlich macht. „Dass wir unter der Marke ,Südtirol‘ auftreten und von ihrem positiven Image profitieren können, hilft uns zudem“, betonte Egger.

Auszahlungspreis im Schnitt bei 68,67 Eurocent pro Kilogramm
Der durchschnittliche Auszahlungspreis pro Kilogramm Milch stieg im Jahr 2023 auf noch nie erreichte 68,67 Eurocent, berechnet über alle Qualitätsstufen hinweg und ohne Mehrwertsteuer. Für gentechnikfreie Qualitätsmilch gab es im Schnitt 66,97 Eurocent pro Kilogramm Milch, für Heumilch 70,70 Eurocent, für Bioheumilch 87 Eurocent und für Ziegenmilch 82,90 Eurocent pro Kilogramm. Insgesamt zahlten die Milchhöfe und Sennereien im vergangenen Jahr 248,96 Millionen Euro an Milchgeld aus. In diesem Zusammenhang verweist der Obmann des Sennereiverbandes auch darauf, dass die Qualitätsmarke auf der Verpackung Südtiroler Milchprodukte nicht nur ein Marketinginstrument sei, sondern eine Garantie: „Die Qualitätsmarke weist ein Produkt eindeutig, kontrolliert und garantiert als Südtiroler Produkt aus“, betonte Egger. Das heißt im Klartext: Wo Südtiroler Milch draufsteht, ist Südtiroler Milch drin. „Das Qualitätszeichen garantiert die Herkunft der Milch aus unserem Land, sie steht für das, was in unseren Ställen, auf unseren Wiesen und auf unseren Almen entsteht – also vor unseren Augen“, erklärte Egger.

Kontrollen vom Gras bis ins Glas
Die garantierte Herkunft sei dabei weit mehr als nur ein Versprechen der Produzenten, betonte der Obmann des Sennereiverbandes: „Es steckt ein flächendeckendes und lückenloses Kontrollsystem von unabhängigen Stellen hinter dem Qualitätszeichen“, sagte Egger. Überhaupt gehörten Milch und Milchprodukte zu den am besten kontrollierten Produkten. „Das gilt vor allem für jene aus Südtirol, die vom Gras bis ins Glas laufend auf ihre Qualität hin kontrolliert werden“, erinnerte der Obmann. Allein für die flächendeckende Kontrolle der Rohmilch wurden 2023 täglich knapp 3500 Proben untersucht, womit mehr als fünf Millionen Analysen vorgenommen wurden. Dazu kommen – um nur einige zu nennen – Futterproben, Überprüfungen der Melka­nlagen, die Kontrollen der Milchsammelwagen und fast 105.000 Produktkontrollen mit modernster Technik.

Viele Melkanlagen weisen mehr oder weniger grobe Mängel auf
Auch in den Ställen hält moderne Technik immer mehr Einzug. Um mit dieser Technik auch richtig umgehen zu können, bedarf es auch einer umfangreichen und flächendeckenden Beratung, um die sich ebenfalls der Sennereiverband kümmert. Annemarie Kaser, die Direktorin des Sennereiverbandes, stellte aktuelle Zahlen vor: „Im Jahr 2023 haben die Hofberater des Sennereiverbandes 2372 Betriebsbesuche abgewickelt – eine Zahl, die zwar leicht zurückgegangen ist, dafür steigt aber mit der Modernisierung der Melktechnik auch der Aufwand der Beratung.“ Tatsächlich gibt ein Wert durchaus zu denken: 1900 Melkanlagen wurden im vergangenen Jahr kontrolliert, gut 40 Prozent davon wiesen mehr oder weniger grobe Mängel auf. „Dies zeigt, wie wichtig eine regelmäßige Überprüfung der Melkanlagen ist. Die meisten Mängel sind auf unzureichende bzw. oft fehlende Wartungsarbeiten zurückzuführen“, erklärte Kaser.

Immer weniger Milchproduzenten
Während der trotz der schwierigen Situa­tion gestiegene Auszahlungspreis an die Bäuerinnen und Bauern die positive Meldung bei der Vollversammlung war, hielt 2023 ein negativer Trend weiter an. So wurden fast sechs Prozent weniger Kuhmilch angeliefert als im Jahr zuvor, was auch daran liegt, dass die Zahl der Produzenten, die Zahl bäuerlicher Milchbetriebe also, wie auch im Vorjahr weiter zurückgegangen ist. Es gibt noch knapp 4100 Milchlieferanten in Südtirol – das sind rund 30 Prozent weniger als noch vor 20 Jahren. Die Milchmenge lag 2023 hingegen ziemlich genau auf demselben Niveau wie im Jahr 2003.
Dem seit mehr als zwei Jahrzehnten anhaltenden Trend sinkender Produzenten-Zahlen steht die Stabilität auf der Verarbeiterseite gegenüber. „Die Milchhöfe sind in Südtirols Wirtschaftsgefüge eine feste und wichtige Größe“, betonte Georg Egger, der nicht nur auf gestiegene Umsätze im Vorjahr verwies, sondern auch auf die Bedeutung als Arbeitgeber. „2023 haben die Milchhöfe 1139 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einen Arbeitsplatz geboten“, erklärte der Obmann. Der Umsatz der Milchhöfe ist 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 12,12 Prozent auf 684,24 Millionen Euro gestiegen. Südtirols Milchprodukte werden mittlerweile in über 40 Länder exportiert.

Neue Führungsspitze beim Sennereiverband
Bei der Vollversammlung des Sennereiverbands standen in diesem Jahr auch Neuwahlen an. So wurde der Verwaltungsrat neu bestellt, aus dessen Mitte in einem zweiten Schritt der Obmann gewählt wurde. Der neue Verwaltungsrat ist drei Jahre im Amt. Da Georg Egger eine Woche zuvor sein Amt als Obmann des Milchhofes Meran nach 28 Jahren an Thomas Egger abgegeben hatte, schied er auch als Obmann des Sennerei­verbandes aus. Sein Nachfolger in diesem Amt ist zugleich auch sein Vorgänger: Joachim Reinalter, Obmann des Milchhofs Bergmilch Südtirol – Mila, wird in den kommenden Jahren dem Sennereiverband als Obmann vorstehen, sein Stellvertreter ist Klaus Faller, Obmann des Milchhofs Brimi. Weiters sitzen im neuen Verwaltungsrat Alfred Pobitzer, Adalbert Braunhofer, Thomas Egger, Anton Tschurtschenthaler, Paul Fuchs, Peter Ladurner und Josef Theiner.
Für den scheidenden Obmann Georg Egger gab es viel Lob – von seinem Nachfolger Joachim Reinalter ebenso wie von den Ehrengästen. „Du hast mit deiner ausgleichenden Art immer auch Weitblick bewiesen und so die Südtiroler Milchwirtschaft mitgeprägt“, unterstrich Bauernbund-Landesobmann Daniel Gasser. Landwirtschafts-Landesrat Luis Walcher hob die Leistung der bäuerlichen Familien hervor: „Eure Liebe zu den Tieren  zeichnet euch Bergbauern aus, eure Leidenschaft ist ansteckend. Ohne bäuerliche Familien ist Milchwirtschaft  nicht möglich.“
Landeshauptmann-Stellvertreter Marco Galateo betonte, dass man bei allen notwendigen Diskussionen über Nachhaltigkeit nie vergessen dürfe, dass die bäuerlichen Familien auch arbeiten müssen. EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann warnte vor einem weiteren Rückgang der Tierhaltung im Alpenraum: „Wo die Tiere – vor allem die Milchkühe – wegfallen, gibt es bald auch keine Bauern mehr. Und ohne Bauern sind die Dörfer tot. Wir müssen sicherstellen, dass die Fördergelder dorthin kommen, wo sie hingehören und wo sie auch dringend benötigt werden.“

Der neu gewählte Verwaltungsrat mit Obmann Joachim Reinalter (5. v. l.)

Bernhard Christanell

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