Marlies Auer ist Betriebsleiterin der Gärtnerei Auer und Obmann-Stellvertreterin der Südtiroler Gärtnervereinigung Brixen-Bruneck.

„Habe Spaß an meiner Aufgabe“

Was weibliche Funktionärinnen in Gremien einbringen können und worauf es in Führungspositionen ­ankommt, erklärt Marlies Auer im Interview. Die Gärtnerin, Mutter und Obmann-Stellvertreterin der SGV Brixen-Bruneck meint auch: Frauen sollen sich mehr trauen!

Lesedauer: 7
SBB Leben Gärtnervereinigung

Den Familienbetrieb, die Gärtnerei Auer in Brixen, gibt es bereits seit 1930. Er umfasst rund 20.000 Quadratmeter Betriebsfläche und beschäftigt 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Marlies Auer ist die Betriebsleiterin der Gärtnerei und Mitglied der Landesleitung der Südtiroler Gärtnervereinigung. Im Interview mit dem „Südtiroler Landwirt“ erzählt sie über Frauen in Führungspositionen, gendergerechte Sprache und ihre Meinung zum Tag der Frau am 8. März.

Südtiroler Landwirt: Frau Auer, Sie haben keine klassische Gärtnerausbildung gemacht, sondern studiert. Was waren Ihre ursprünglichen Pläne, und warum haben Sie sich dann doch entschieden, in den Familienbetrieb einzusteigen?
Marlies Auer:
Es stimmt, ich habe die Handelsoberschule besucht und im Anschluss Betriebswirtschaft in Innsbruck studiert. Ich war unsicher, ob ich im Familienbetrieb mitarbeiten wollte, und bin erst nach Abschluss des Studiums in den Gartenbausektor eingestiegen. Zunächst sammelte ich Arbeitserfahrungen in Deutschland und den Niederlanden. Danach habe ich die Gesellenprüfung an der Fachschule Laimburg abgeschlossen, um die Grundlagen und fachlichen Kompetenzen im Gartenbau zu erwerben. Durch die Eintragung in das Berufsalbum war ich zudem befähigt, Lehrlinge auszubilden, was für unseren Familienbetrieb ein großer Vorteil ist.

Sie sind Mitglied der Landesleitung der Südtiroler Gärtnervereinigung. Sie besteht aus neun gewählten Vorstandsmitgliedern, zwei davon sind weiblich. Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit in diesem Gremium? Gehen die Frauen in den Diskussionen und Entscheidungen „unter“?
Nein, überhaupt nicht. Es ist ein vollkommen gleichberechtigtes Gremium, in dem jedes Mitglied gleichermaßen mitreden und mitentscheiden darf. Die meisten Mitglieder des Vorstands lernte ich schon in meiner Zeit bei den Junggärtnern kennen. Bereits damals gab es einen kontinuierlichen Austausch mit der Gärtnervereinigung. Zudem war mein Vater jahrelang Landesobmann-Stellvertreter, daher kannte ich die Tätigkeit bereits recht gut. Ich denke allerdings schon, dass sich Frauen grundsätzlich mehr Gedanken darüber machen, ob und wie sie sich in ein Gremium einbringen können. Männer nehmen es in dieser Hinsicht etwas gelassener. Bei Frauen, die Kinder haben, kommt zudem die zeitliche Verfügbarkeit als Hemmnis hinzu. Ich selbst habe das Glück, einen Mann zu haben, der meine Funktionärstätigkeit unterstützt und bei den Hausarbeiten und der Kinderbetreuung fleißig mithilft.

In der Landwirtschaft macht der Anteil der Betriebsleiterinnen etwa 16 Prozent aus. Der Großteil der Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter liegt laut Landwirtschaftszählung bei 45 bis 60 Jahren. Wie sieht es bei den Gärtnerbetrieben aus, ist diese Branche im Vergleich zur Landwirtschaft jünger und weiblicher?
Meiner Einschätzung nach nimmt auch bei den Gartenbaubetrieben der Anteil der Frauen in Führungspositionen zu. Dasselbe gilt für die Lehrlinge, immer mehr Frauen fassen in der ehemals männerdominierten Branche Fuß. Das liegt meines Erachtens auch daran, dass der Gartenbau spezifisch junge Frauen anspricht, die eine Freude mit Blumen und Pflanzen und somit eine gewisse Affinität zur Natur haben.

Sie sind Bezirksobmann-Stellvertreterin von Brixen-Bruneck, führen einen mittelständischen Betrieb. Wie interpretieren Sie diese Führungsrollen? Worauf kommt es dabei an?
Die Führungsrolle hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Früher gab es strenge, hierarchische Strukturen, Führungskräfte mussten in erster Linie gute Fachkompetenzen vorweisen. Mittlerweile sind vor allem soziale Kompetenzen gefragt, Führungskräfte müssen dafür sorgen, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Betrieb wohlfühlen und einen Sinn in ihrer Tätigkeit erkennen. Ebenso spielen neben flexiblen Arbeitszeitmodellen auch Entfaltungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten eine immer wichtigere Rolle.

Sie sind Mutter von drei kleinen Kindern. Wie kriegen Sie Beruf, Ehrenamt und Familie unter einen Hut? Welche sind die wichtigsten Voraussetzungen, die ein Funktionärsamt attraktiv und überhaupt „schaffbar“ machen?
Ich denke, das jeweilige Umfeld ist entscheidend: Wichtig ist, dass die Familie und allen voran der Partner die Tätigkeit unterstützt. Bei Kindern sind zusätzlich Betreuungsstrukturen oder -möglichkeiten notwendig. Ich selbst habe das Glück, die Kinder bei Bedarf bei den Großeltern unterbringen zu dürfen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Wenn man sich als Funktionärin oder Funktionär zur Verfügung stellt, will man seine Sache auch gut machen. Wichtig ist für mich, dass ich Spaß an meiner Aufgabe habe und mir die Sitzungen Freude machen.

Worin liegen für Sie persönlich die Vorteile Ihrer ehrenamtlichen Aufgabe als Funktionärin?
In Berufsvereinigungen ist man unter Gleichgesinnten, man braucht sich gegenseitig. Meine größte Motivation liegt darin, die Branche allgemein weiterzubringen. Das ist für mich Anreiz genug. Zudem lerne ich als Funktionärin viele andere Betriebe und Personen kennen und knüpfe neue Kontakte. Diese Vernetzung ist auch beruflich von Vorteil, ich kann neue Ideen aufgreifen und mich so auch persönlich weiterentwickeln. Ich bin stets auf dem neuesten Stand und kann mein Wissen an unsere Mitgliedsbetriebe weitergeben.

Bräuchte es Ihrer Meinung nach verstärkt junge und weibliche Funktionäre in Gremien? Wenn ja, wieso?
Ja, Frauen sind empathischer und haben andere Stärken als Männer. Sie denken weniger hierarchisch und haben ein gutes Gespür für soziale Belange. Vielleicht hängt dies mit dem Mutterinstinkt zusammen, auf alle Fälle haben Frauen eine andere Sichtweise auf die Dinge. Ich rate Frauen, sich einfach mehr zu trauen und damit ein Vorbild für junge Mädchen zu sein. Wenn sich Frauen mutig engagieren und sich selbstbewusst einbringen, ist dies besser als jede Quote. Gemischte Gremien sind grundsätzlich besser, denn solche Teams vereinen unterschiedliche Stärken und Ansichten. Das macht sie auch viel interessanter.

Der 8. März war der „Tag der Frau“. Wie beurteilen Sie diesen Tag, an dem spezifisch auf die Anliegen der Frauen hingewiesen wird. Ist ein solcher Tag noch zeitgemäß?
Doch, dieser Tag ist aus meiner Sicht noch zeitgemäß, auch in Südtirol. Es gibt viele frauenspezifische Anliegen und Themen, die nach wie vor aufs Tapet gehören, beispielsweise die soziale Absicherung im Alter, Kinderbetreuungsstrukturen oder die Gleichberechtigung bei den Gehältern. Diese Hausaufgaben sind noch nicht erledigt.

Sie zeichnen im Betrieb für Marketing und Kommunikation verantwortlich. Was halten Sie von gendergerechter Sprache und Schreibweise?
Das Lesen wird dadurch nicht leichter (lacht). Es ist schade, dass es hierfür überhaupt Regeln braucht. Es sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass sich jede/jeder in der Sprache und in der Schrift wiederfindet. Ich persönlich fühle mich nicht benachteiligt, wenn beispielsweise in einem Zeitungsartikel die weibliche Form nicht immer angeführt ist. Es ist mir aber auch klar, dass Sprache Bewusstsein schafft. Daher kann ich die Argumente für eine gendergerechte Sprache und Schreibweise durchaus nachvollziehen.

Die Südtiroler Gärtnervereinigung wurde im Jahr 1965 gegründet. Die Landesleitung der SGV wird alle fünf Jahre neu gewählt, die nächste Wahl findet bereits 2024 statt. Wie lange wird es wohl noch dauern, bis eine Frau die Führung – auf Bezirks- und/oder Landesebene – übernimmt?
Meiner Meinung nach kommt es nicht auf das Geschlecht, sondern auf das Engagement und die Persönlichkeit an, die eine erfolgreiche Führungskraft ausmachen. Für die Südtiroler Gärtnervereinigung wünsche ich mir, dass unser jetziger Landesobmann, Stephan Kircher, bei den Wahlen im kommenden Jahr nochmals antritt. Er macht seine Sache gut und ist mit viel Einsatz und Verantwortungsbewusstsein am Werk, das ist die Hauptsache.

Christoph Falkensteiner

Weitere Artikel zu diesem Thema