Die Reisegruppe der „Südtiroler Landwirt“-Leserreise vor dem Regierungssitz von Sultan Haitham bin Tariq in der omanischen Hauptstadt Muscat

Landwirtschaft im Orient

Neue Formen der Landwirtschaft entdecken und fremde Kulturen kennenlernen: Das ist das Ziel der „Südtiroler Landwirt“-Leserreisen. Von 5. bis 15. Februar hat sich eine 30 Mann und Frau starke Reisegruppe auf Spurensuche im Oman begeben.

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SBB Leben Landwirt

„Was ist eine Dattel?“ – Mit dieser nicht ganz ernst gemeinten Frage wollte ein Mitreisender aus unserer Gruppe unseren Reiseleiter Hamdy nach einigen Tagen scherzhaft aus dem Konzept bringen, und für den Bruchteil einer Sekunde gelang ihm das auch. Wie sollte man denn auch nach mehreren Tagen in diesem Land im Südosten der Arabischen Halbinsel noch nicht verstanden haben, was eine Dattel ist? Schließlich hat uns Hamdy ja bereits am ersten Tag am Flughafen mit Datteln und Kaffee (und die Damen mit roten Rosen) empfangen, und man kann hier kaum einen Laden betreten, ohne einen mehr oder weniger großen Haufen dieser süßen Früchte zu sehen. Auch der Baum, auf dem die Früchte wachsen – die Dattelpalme –, ist im Land so präsent, dass man ihn fast in der Landesflagge oder im Wappen vermuten würde (stattdessen sind dort Schwerter und ein Krummdolch zu sehen). Tatsächlich ist es eines der Ziele des herrschenden Sultans Haitham bin Tariq, innerhalb der nächsten Jahre die Zahl von zehn Millionen Dattelbäumen zu erreichen. Wenn man bedenkt, dass ein Baum im Schnitt zwischen 35 und 50 Kilogramm Datteln pro Jahr trägt, ist die produzierte Dattelmenge pro Jahr schnell berechnet.

Dattelanbau vom Wadi bis zum Hochplateau
Um mehr über den Anbau von Datteln im Oman zu erfahren, müssen wir die Hauptstadt Muscat verlassen. Wir zweigen von der Autobahn ab und biegen in ein schmales grünes Tal ein, das Wadi Tiwi. Auf der Fahrt haben wir solche Wadis schon mehrfach gesehen. Weil die Landschaft sonst nur aus Steinen besteht, fallen diese Täler gleich ins Auge. Wir ahnen schon, dass es hier wohl Wasser geben muss, denn links und rechts der Straße sehen wir zahlreiche Bananenbäume und Dattelpalmen. Wir werden von einem Mann mit weißem Umhang empfangen, den Hamdy uns als Masrut vorstellt. Auf insgesamt über 100 Hektar baut Masrut eine bemerkenswerte Vielfalt an Produkten an: Neben drei Sorten von Bananen und Datteln sind das Zitronen, Orangen, Zwiebeln, Knoblauch und vieles mehr. Etwas detaillierter beschreibt Masrut den Dattelanbau. Insgesamt gibt es 39 Dattelsorten allein in diesem Teil des Oman. Neue Bäume wachsen erst einmal für drei bis vier Jahre neben dem Mutterbaum, werden dann sorgfältig ausgegraben und an einer anderen Stelle wieder eingepflanzt. Nach weiteren drei bis vier Jahren trägt der neue Baum dann Früchte und wiederholt dies – je nach Sorte unterschiedlich – jedes Jahr oder alle zwei Jahre wieder. Die Ernte der Datteln erfolgt in mehreren Schritten: Erst werden sie von den Bäumen geholt, dann getrocknet, gewaschen und in große Säcke verpackt. Alle Produkte, die auf dem Betrieb von Masrut angebaut werden, landen dann auf dem großen Markt in der nahe gelegenen Stadt Sur.

Falaj: Bewässerung mit Waalen auf omanisch
Erstmals begegnet uns bei Masrut das ausgeklügelte Bewässerungssystem der Falaj. Wir werden diese Kanäle in den kommenden Tagen noch öfter sehen. Das Bewässerungssystem, das sehr den in Südtirol bekannten Waalen ähnelt, ist bis zu 5000 Jahre alt – und auch wenn die Bauern im Iran behaupten, es erfunden zu haben, beharren die Omanis darauf, die Urheber der Falaj zu sein. Die Falaj begegnen uns auch am kommenden Tag in der Stadt Birkat El Mouz: Bekannt ist sie für ihre große Anlage von Dattelpalmen und Bananenbäumen – und für das ausgedehnte Bewässerungssystem des Falaj Al Khatmeen, der eine Gesamtfläche von 72 Hektar bewässert und Teil des UNESCO-Weltkulturerbes ist. Die Verteilung des Wassers aus den Falaj auf die einzelnen Felder folgt ganz präzisen Zeitplänen, die uns ebenfalls an unsere Heimat erinnern. Nicht nur in der Ebene, auch höher am Berg begegnen uns diese Bewässerungskanäle. Im Bergdorf Misfah auf etwa 1000 Meter Meereshöhe erfolgt die Bewässerung über mehrere Terrassen. Die Wasserrechte sind auch hier genau nach Stunden geregelt – je größer die zu bewässernde Fläche, umso mehr Zeit bleibt dafür. Abgesehen vom Beregnungswasser und dem Wasser, das die Frauen zum Waschen und Kochen benötigen, ist das Wasser kostenlos für alle. Neben Datteln und Bananen wachsen auf den Terrassen von Misfah auch Papayas, Knoblauch, Zwiebeln, Süßkartoffeln und Früchte, deren Name keiner von uns je zuvor gehört hat.
Am Ende zeigt uns einer der Mitarbeiter noch, wie er am Stamm entlang auf einen Dattelbaum klettert. Wir denken dabei an die bei uns geltenden strengen Vorschriften zur Arbeitssicherheit … In den Monaten Jänner und Februar – also auch in der Zeit, in der wir hier sind – besteht die Hauptaufgabe der Arbeiter in der Bestäubung der weiblichen Bäume. Diese erfolgt in Misfah zum Teil noch per Hand, mancherorts werden dafür aber auch schon Drohnen eingesetzt. Noch höher liegt das Hochplateau des Jebel Akhdar, was zu Deutsch so viel wie „Grüner Berg“ bedeutet. Auf den ersten Blick sehen wir auf der Fahrt hinauf wenig Grün, aber die Sträucher und Gräser zwischen den Felsen werden sichtlich mehr. Oben auf rund 2000 Meter Meereshöhe angekommen, spazieren wir über einen schmalen Weg durch mehrere Häusergruppen. Schon von Weitem bestaunen wir die zahlreichen Terrassen, die in den Fels gehauen wurden und in denen auf dem fruchtbaren Boden zahlreiche Früchte angebaut werden – von Granatäpfeln, Walnüssen und Rosen bis hin zu Äpfeln und Weizen reicht die Palette. Leider sehen wir von den Früchten und Blüten nichts – kein Wunder, denn wir haben ja Mitte Februar und da hat auch hier die Vegetationsperiode noch nicht begonnen.

Tierzucht: Kamele, Rinder und edle Pferde
Dattelpalmen und Bananenbäume bestimmen – dort, wo der Oman grün und fruchtbar ist – das Landschaftsbild. Doch auch inmitten der Sandwüste gibt es Spuren von Landwirtschaft, allerdings eher in Form von Kamelen. Diese werden hier als Arbeitstiere und teilweise auch als Renntiere genutzt. Am Morgen nach einer Übernachtung in einem Beduinencamp nutzen einige aus unserer Reisegruppe die Gelegenheit, um auf dem Rücken dieser Wüstenschiffe in den Sonnenaufgang zu reiten. Eine wesentlich größere Vielfalt an Tieren begegnet uns auf dem Tiermarkt in Nizwa: Woche für Woche werden hier Schafe, Ziegen und Rinder durch einen Versteigerungsring getrieben, jeder Handel wird mit Handschlag besiegelt (und ohne lästige Formulare) – und das alles bei ohrenbetäubender Lautstärke. Neben Kamelen, Schafen, Ziegen und Rindern werden im Oman auch Pferde gezüchtet: Zweimal begegnen wir gegen Ende unserer Reise den edlen Araberpferden, die teilweise unverkäuflich sind und auch bei internationalen Rennen bereits Erfolge feierten.

Weihrauch und Fische
Der Oman hat also an Landwirtschaft deutlich mehr zu bieten, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Dabei haben wir das landwirtschaftlich wichtigste Gebiet dieses Landes – die Gegend um die Stadt Salalah im Süden des Landes – aus Zeitgründen gar nicht besucht. Ein wichtiges landwirtschaftliches Produkt, das dort gewonnen wird und auf den Märkten von Muscat, Nizwa und so weiter in verschiedenen Qualitätsstufen erhältlich ist, ist der Weihrauch. Die Bäume, aus deren Rinde der Weihrauch gewonnen wird, wachsen vorwiegend in der Hochebene der Region Dhofar. Von dort wird das kostbare Harz ins ganze Land ausgeliefert. Auch die Fischzucht spielt im Oman eine bedeutende Rolle – wie der Fisch gefangen und vermarktet wird, sehen wir auf zwei verschiedenen Fischmärkten. Neben diesen Einblicken in die Landwirtschaft im Wüstenstaat lernen wir von Hamdy – einem Ägypter, der seit über zehn Jahren im Oman als deutschsprachiger Reiseleiter arbeitet – viel über die Kultur der Araber und ihre Religion, den Islam. Seine spannenden Erzählungen über die Lebensumstände arabischer Familien ziehen uns in den Bann und ermöglichen es, dass wir diese für uns fremde Welt noch besser kennenlernen können. Für diese Einblicke sind wir sehr dankbar, auch wenn es uns manchmal schwerfällt, die Sichtweisen der Araber mit unseren Werten in Einklang zu bringen.

Ein schwerer Schlag zum ­Abschluss
Am Ende unserer Reise müssen wir leider noch einen schweren Schicksalsschlag miterleben: Peter Noflatscher aus Albeins, der mit seiner Frau Veronika Teil unserer Reisegruppe war, erliegt am letzten Reisetag am Strand von Muscat einem Herzinfarkt. Der Schock darüber sitzt uns allen noch in den Knochen und trübt die Erinnerung an diese Reise. Wir schließen Peter in unser Gebet mit ein und versuchen, Veronika so gut es geht beizustehen und sie nach Hause zu begleiten. Wir behalten Peter als stillen und ruhigen Teil unserer Gruppe in Erinnerung, mit dem man dennoch lange und ausgiebig diskutieren konnte. Wir erinnern uns auch an die vielen Funktionen, die Peter in der Obstgenossenschaft Melix in Brixen und anderen landwirtschaftlichen Vereinigungen innehatte und was er für die Bäuerinnen und Bauern in Albeins und darüber hinaus getan hat. Er möge in Frieden ruhen! Am Ende hat uns diese harte Prüfung als Gruppe noch enger zusammengeschweißt, und wir sind uns sicher: Sobald es geht, wollen wir uns wieder auf eine Leserreise begeben und die Landwirtschaft in fremden Ländern kennenlernen.

Das Bewässerungssystem der Falaj erinnert stark an unsere Waale.

Auf dem wöchentlichen Viehmarkt in Nizwa herrscht geschäftiges Treiben.

Bernhard Christanell

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