Milchwirtschaft hat eine gute Zukunft

Die Zahl der Milchvieh haltenden Betriebe in Europa sinkt. Auch in Südtirol nehmen die Milchproduzenten ab. Wie der Trend gestoppt werden kann und welche Zukunft die Milchwirtschaft im Berggebiet insgesamt hat, wurde auf der Agrialp diskutiert.

Lesedauer: 7
Produktion Wirtschaft

Etwa hundert Betriebe steigen jährlich aus der Milchproduktion aus. Das ist zwar weniger als im europäischen Vergleich, aber dennoch eine hohe Zahl, sagte Annemarie Kaser, die Direktorin des Sennereiverbandes Südtirol. Erfreulich sei aber, dass die Zahl letzthin leicht zurückgegangen ist. „Wir hoffen, dass wir diesen Trend verlangsamen und vielleicht sogar stoppen können.“ Gründe dafür, dass die Milchproduktion aufgegeben wird, gibt es mehrere: „Einige Bäuerinnen und Bauern steigen auf Alternativen um, während andere sich eine Vollzeitstelle außerhalb des Hofes suchen. Derzeit gibt es sehr viele interessante Arbeitsplätze, wo sich gutes Geld verdienen lässt. Viele Bäuerinnen und Bauern schreckt auch die immer mehr werdende Bürokratie ab“, zählte Kaser auf. 
Trotz des Rückgangs an Milchviehbetrieben ist die Gesamtzahl an bäuerlichen Betrieben stabil. Und nur weil einige Betriebe nicht mehr Milch produziert, bedeutet das aber noch lange nicht, dass gleich auch die Landwirtschaft aufgegeben wird. Vielmehr suchen sich die allermeisten Bäuerinnen und Bauern eine Alternative am Hof. „Das kann die Fleischproduktion sein oder ein Zuerwerb am Hof“, sagte Daniel Gasser, der Landesobmann-Stellvertreter des Südtiroler Bauernbundes. Primäres Ziel des SBB sei es deshalb auch, die Betriebe zu erhalten. „Wir bieten Bäuerinnen und Bauern, die sich nach einer Alternative umsehen, Beratung und Unterstützung an.“ Länger schon befasst sich Thomas Zanon von der Freien Universität Bozen mit der Entwicklung der Milchwirtschaft im Berggebiet. In seinen Untersuchungen stelle er immer wieder fest, dass es sehr große Unterschiede zwischen Betrieb und Betrieb gebe. „Es gibt Bauern, die für die Stallarbeit fünf Stunden am Tag benötigen, während in einem vergleichbaren Betrieb der Bauern zehn Stunden im Stall ist.“ Was jede Bäuerin und jeder Bauer tun könne, um die wirtschaftliche Situation zu stärken, ist, die Kosten im Blick zu halten. Ungleich schwieriger sei es, das Einkommen deutlich zu erhöhen. „Wir haben mit einem großen globalen Milchmarkt zu tun, wo das Marktgesetz von Angebot und Nachfrage gilt. Hier hat der einzelne Bauer wenig Möglichkeiten, einzugreifen“, so Zanon. Eine gute Arbeit würden die Genossenschaften leisten. Sie steigern den Veredelungsgrad der Milch, was höhere Preise bringt. Zudem verstehen es die Genossenschaften gut, das Alleinstellungsmerkmal der Südtiroler Milch – die Herkunft aus kleinen familiengeführten Betrieben im Berggebiet – zu spielen. Allerdings könnten die Genossenschaften ihre Produkte noch etwas mehr differenzieren und noch besser im Markt positionieren. Auch das Alleinstellungsmerkmal könnten noch stärker in den Mittelpunkt rücken.


Lobende Worte für die Milchhöfe fand auch Annemarie Kaser. „Die Milchhöfe arbeiten sehr gut und so eng zusammen wie noch nie.“ Trotz schwieriger Rahmenbedingungen sei es ihnen gelungen, den Preis zu steigern. Klar müsse aber auch sein, dass die allermeisten Betriebe von Milchverkauf alleine nicht leben und investieren können. Daher brauche es die öffentliche Unterstützung und häufig noch einen Zuerwerb. „Um von Milchpreis zu leben, müsste die Auszahlung bei mindestens 80 Eurocent je Liter liegen, für Biomilch bei einem Euro“, ergänzte Zanon. Davon sei man leider noch weit entfernt. Kann auch die Politik ihren Beitrag leisten, um die Berglandwirtschaft zu unterstützen? „Ja“, sagte Daniel Gasser: „Eine Möglichkeit wäre der Tourismus-Euro.“ Dabei bezahlt jeder Gast einen Euro am Tag, der dann in die extreme Berglandwirtschaft fließt. Gasser sei bewusst, dass der Gegenwind dafür groß und der Weg lang sein wird. Zu gehen sei er aber.
Wer aus der Milchwirtschaft aussteigt, spezialisiert sich häufig in der Rindermast und in der Fleischproduktion. Rindfleisch habe ein gewisses Potential, könne aber nie die Alleinlösung sein, war Thomas Zanon überzeugt. Und noch etwas war Zanon wichtig: „Was sich jeder überlegen muss, der etwas Neues am Hof beginnen möchte, ist, was ihm Freude bereitet und wie er sich von den Mitbewerbern unterscheiden kann.“
Dass die Viehwirtschaft auf den allermeisten Betrieben am Berg alternativlos ist, waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig. „Wo Grünland ist, muss es Wiederkäuer geben“, sagte Annemarie Kaser. Das sei auch das Beste für den Klimaschutz und den Zivilschutz, ergänzte Thomas Zanon: „Die grundfutterbasierte Viehwirtschaft ist das nachhaltigste System. Und eine gut funktionierenden Berglandwirtschaft mit Wiederkäuern ist für den Lawinen- und Murenschutz wichtig.“
Da immer mehr Menschen auf der Welt leben und gleichzeitig die landwirtschaftliche Nutzfläche durch den Klimawandel sinkt, wird sich die Milchproduktion auf das Grünland zurückziehen. „Das ist eine große Chance für die heimischen Milchwirtschaftsbetriebe. Daher bin ich für die Zukunft zuversichtlich“, schloss Annemarie Kaser. 

Weitere Artikel zu diesem Thema