Mit Kreativität und Lust am Schaffen

Nischenprodukte bedienen zwar nur eine bestimmte Klientel, dafür sind sie aber exklusiv und ein perfektes Alleinstellungsmerkmal. Fünf „Roter Hahn“-Direktvermarkterinnen und -Direktvermarkter erklären in Interviews, wie sie „ihr“ Produkt gefunden haben und was sie dabei besonders überrascht hat.

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Produktion

Wer in der Direktvermarktung erfolgreich sein will, braucht zunächst eine gute Idee, die es dann konsequent umzusetzen gilt. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Denn die erste Herausforderung besteht bereits darin, ein innovatives Produkt zu finden, das am Markt bestehen kann. Und während der Herstellung oder Rezeptierung stößt jede Direktvermarkterin/jeder Direktvermarkter auf Hindernisse und Schwierigkeiten, die angegangen und behoben werden müssen. Das ist oft ein beschwerlicher Weg. Es braucht Zähigkeit, Flexibilität, viel Mut und Engagement, um ans Ziel zu kommen. Im Folgenden erzählen fünf Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter über ihren Weg zu Produkten wie Johannisbeerlikör, Eierteignudeln, Fruchteis, Schafskäse oder Radicchioaufstrich: Heiner Mayer Kaibitsch vom Stanglerhof in St. Konstantin in Völs, Brigitte Malfertheiner vom Obermalidhof in Seis am Schlern, Elisabeth Stolz vom Hubenbauer in Vahrn, Daniel Thurner vom Gartenbachhof im Sarntal und Karin Dietl vom Hoamisch in Laatsch/Mals.

Johannisbeerlikör: Stanglerhof in St. Konstantin/Völs
Heiner Mayer Kaibitsch stellt am Stanglerhof in St. Konstantin in Völs seit mehreren Jahren verschiedene hochwertige Sirupe her. Einen besonderen Fokus legt er auf die Schwarze Johannisbeere die er auf einer Fläche von einem Hektar anbaut und woraus er einen besonders gehaltvollen Sirup produziert. Auf Basis dieses Sirups hat er nun einen Likör entwickelt, der nach dem Vorbild des französischen Crème de Cassis entstanden ist – einem traditionellen Produkt, das unter anderem für den Cocktail „Kir Royal“ verwendet wird.

Südtiroler Landwirt: Herr Mayer Kaibitsch, wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Likör aus Schwarzen Johannisbeeren zu machen?
Heiner Mayer  Kaibitsch:
Die Idee entstand bereits vor rund 18 Jahren bei einer Lehrfahrt nach Frankreich, wo ich einen Produzenten von „Crème de Cassis“ besuchte. Der intensive Fruchtgeschmack und das ausgewogene Zucker-Säure-Verhältnis seines Likörs sind mir bis heute in Erinnerung geblieben. Vor einigen Jahren begann ich dann, mit eigenen Rezepturen zu experimentieren und dabei das Zucker-Säure-Spiel gezielt zu verbessern. Nun bin ich mit meinem Johannisbeerlikör auf einem sehr guten Punkt und beginne, ihn zu vermarkten.

Womit hatten Sie nicht gerechnet?
Ich war überrascht, wie positiv die Rückmeldungen auf den Likör ausfallen – und gleichzeitig, wie wenig dieses Produkt ­hierzulande bekannt ist. Die Vermarktung wird daher sicherlich zu einer Herausforderung und erfordert noch einiges an Überzeugungsarbeit.

Eierteignudeln: Obermalid in Seis
Familie Malfertheiner bewirtschaftet in Seis einen Bergbauernhof und produziert dort neben Freilandeiern und Milch auch Roggen, Dinkel und Buchweizen auf etwa einem Hektar Fläche. Aus dem Getreide und den Eiern, die wegen ihrer Größe nicht in den Handel kommen, entsteht seit dem Jahr 2018 die Malider Bergbauernpasta.

Südtiroler Landwirt: Frau Malfertheiner, wie sind Sie auf die Idee gekommen, Eierteignudeln herzustellen?
Brigitte Malfer­theiner:
Unser Sohn Philipp hat nach seiner landwirtschaftlichen Ausbildung den Hof übernommen. Sein Ziel war es zunächst, durch Getreideanbau unseren  Selbstversorgungsgrad zu erhöhen. Und mit der Zeit entstand daraus die Idee, das hof-eigene Getreide gemeinsam mit den Eiern aus unserer Produktion für die Herstellung von Eierteignudeln zu nutzen.

Womit hatten Sie nicht gerechnet?
Dass die Vermarktung ab Hof am besten läuft. Am Markt gibt es viele Anbieter von Eierteignudeln, die sich als regionale Produzenten präsentieren, ihr Getreide aber günstig zukaufen und dadurch preislich im Vorteil sind. Unsere Qualität – 100 Prozent Eier und 100 Prozent Getreide vom eigenen Hof – lässt sich im Verkaufsregal nicht so leicht vermitteln. Viele Kundinnen und Kunden gehen nämlich davon aus, dass auch bei den anderen regionalen Eierteignudeln das Getreide vom Hof oder zumindest aus Südtirol stammt und greifen daher oft zum entsprechend günstigeren Angebot.

Fruchteis: Hubenbauer in Vahrn
Schon seit 15 Jahren produziert Elisabeth Stolz am Hubenbauerhof in Vahrn Speiseeis: Mittlerweile sind es rund 15 verschiedene Sorten aus Früchten und Kräutern. Ihre Rezepturen wurden bereits mehrfach bei internationalen Wettbewerben ausgezeichnet. Alle verwendeten Früchte und Kräuter stammen vom eigenen Hof, auf künstliche Zusatzstoffe wird völlig verzichtet. Erhältlich ist das Eis am Buschenschank Hubenbauerhof sowie am Obstmarktstand von Hopfen & Co in Bozen.

Südtiroler Landwirt: Frau Stolz, wie sind Sie auf die Idee gekommen, Speiseeis herzustellen?
Elisabeth Stolz:
Als ich selbst Kinder bekam und mit ihnen Eis essen ging, habe ich mir erstmals genauer angeschaut, was in herkömmlichem Eis alles enthalten ist. Die lange Zutatenliste hat mich überrascht – vieles davon erschien mir unnötig. Zufällig erfuhr ich etwa um die gleiche Zeit von der „Università del Gelato“ in Bologna und habe mich dort kurzerhand zu einem Lehrgang angemeldet. Danach habe ich mir eine professionelle Eismaschine angeschafft und mit der Produktion begonnen. 

Womit hatten Sie nicht gerechnet?
Mit den hohen Anschaffungskosten für hochwertige Eismaschinen. Und damit, dass viele Menschen einen weiten Weg auf sich nehmen, um unser Eis zu probieren. Überraschend war für mich aber auch, wie gut es möglich ist, ganz auf künstliche Zusatzstoffe zu verzichten – vorausgesetzt natürlich, man hat nicht das Ziel, möglichst günstig zu produzieren.

Käse und Joghurt aus Schafmilch: Gartenbachhof im Sarntal
Am Gartenbachhof im Sarntal leben rund 40 Milchschafe. Aus ihrer Milch entstehen zehn verschiedene Käse- und Joghurtsorten, die der Bauer Daniel Thurner in der hofeigenen Käserei herstellt. Das Käsehandwerk hat er an den Fachschulen Salern und Fürstenburg gelernt und vertiefte sein Wissen zusätzlich bei einem Kurs in der Schweiz.

Südtiroler Landwirt: Herr Thurner, wie sind Sie auf die Idee gekommen, Schafe zu halten und aus ihrer Milch Käse und Joghurt herzustellen?
Daniel Thurner:
Ich suchte nach einer Alternative zur Milchkuhhaltung, die besser für unsere sehr steilen Flächen geeignet ist und gleichzeitig die Produktion eines Nischenprodukts am Hof ermöglicht. So bin ich schließlich bei den Schafen gelandet und habe festgestellt, dass sie sehr gut zu unserem Betrieb passen.

Womit hatten Sie nicht gerechnet?
Die starke Nachfrage hat mich überrascht – die Vermarktung verläuft einfacher als gedacht. In der Produktion besteht die größte Herausforderung darin, eine gleichbleibende Qualität sicherzustellen. Besonders das Weidemanagement auf steilem Gelände, etwa die optimale Wuchshöhe des Grases, ist anspruchsvoll und kann zu Schwankungen in der Milchqualität und damit bei den Schafmilchprodukten führen.

Radicchioaufstrich: Hoamisch in Laatsch/Mals 
Karin Dietl und Günther Wallnöfer bauen auf ­ihrem Acker in Laatsch Biogemüse an und verarbeiten es zu Aufstrichen und Eingelegtem. Zum Sortiment gehören Essiggurken, süß-sauer eingelegtes Gemüse, Rohnensalat, Zucchini- und Radicchioaufstrich.

Südtiroler Landwirt: Frau Dietl, wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Karin Dietl:
Wir hatten einmal eine besonders gute Radicchioernte und suchten nach einer Möglichkeit, ihn haltbar zu machen. Da wir bereits seit einigen Jahren einen Zucchiniaufstrich herstellten, habe ich versucht, das Rezept für Radicchio anzupassen. Das Ergebnis hat uns auf Anhieb überzeugt, und wir haben beschlossen, den Radicchioaufstrich fix ins Sortiment aufzunehmen.

Womit hatten Sie nicht gerechnet?
Nicht gerechnet haben wir mit der großen Nachfrage – und das hat mich gleich vor ein Dilemma gestellt: Einerseits würde vieles dafürsprechen, die Produktion auszubauen – mit zusätzlichem Personal, einigen Investitionen und maschineller Unterstützung. Andererseits möchten wir den Betrieb bewusst klein und überschaubar halten. Das bedeutet aber, dass nach wie vor jede Charge in Handarbeit entsteht und wir der Nachfrage bei Weitem nicht nachkommen können. 

Interview: Hannes Knollseisen

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