Seit 35 Jahren hilft der Bäuerliche Notstandsfonds, wenn jemand in Südtirol unverschuldet in Not gerät.

Nicht lang reden, einfach helfen

Unschuldig in Not Geratenen unbürokratisch helfen: Das ist seit 35 Jahren das Ziel des ­„Bäuerlichen Notstandsfonds – Menschen helfen“ (BNF). Bei der – diesmal besonders ­emotionalen – Vollversammlung vergangene Woche in Marling wurden viele Wege sichtbar, wie der BNF dieses Ziel umsetzt.

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Bäuerlicher Notstandsfonds

Wenn vom Bäuerlichen Notstandsfonds die Rede ist, dann verbindet das ganze Land das vor allem mit einem Mann: Seit seiner Gründung im Jahr 1990 steht der Algunder Sepp Dariz dem BNF vor. Bei der Vollversammlung in der Kellerei Meran Burggräfler in Marling blickte er diesmal nicht nur auf das abgelaufene Jahr zurück, sondern auf die gesamte Entwicklung des Bäuerlichen Notstandsfonds. Über den Werdegang des BNF hat der „Südtiroler Landwirt“ bereits ausführlich berichtet (s. Ausgabe Nr. 5 vom 15. März 2025). Dariz blickte in Marling auf die ersten Jahre zurück: „Die Anfangsjahre waren sehr schwierig, keiner von uns wusste, wie man so eine Hilfsorganisation aufbaut.“ Mit intensiver Sensibilisierungs-, Netzwerk- und Medienarbeit gelang es, den Bäuerlichen Notstandsfonds (wie er übrigens erst ab dem Jahr 2000 hieß) und seine Ziele im ganzen Land bekannt zu machen. 

Vertrauen und wertvolle Kontakte gewonnen
„Es ging uns in diesen Jahren vor allem darum, Partner zu gewinnen, das Vertrauen unserer Spender zu gewinnen und es zu bewahren. Gute Kontakte zur öffentlich-rechtlichen Rai – Sender Bozen und zur Landesregierung haben uns dabei geholfen“, erinnerte sich Dariz und nannte einige Aktionen, die den BNF seit vielen Jahren begleiten: So wurden über die jährliche Weihnachtskartenaktion seit 1994 fast zwei Millionen Karten verkauft. „Das bedeutet in all den Jahren zwei Millionen Kontakte mit dem Bäuerlichen Notstandsfonds!“, betonte Dariz. Seit dem Jahr 2009 ist der BNF Träger des Spendensiegels „Sicher spenden“, was als Nachweis für eine hohe Glaub- und ­Spendenwürdigkeit gilt. Längst ist der BNF nicht nur – wie es der Name vermuten lässt – für bäuerliche Familien da. „Wir unterstützen immer öfter auch Notleidende außerhalb der Landwirtschaft, in den vergangenen Jahren waren diese sogar deutlich in der Mehrheit“, berichtete Dariz. Insgesamt hat der Vorstand des BNF in den 35 Jahren seines Bestehens 3.381 Notstandsgesuche bearbeitet, davon kamen 2.555 aus einem bäuerlichen und 826 aus einem nichtbäuerlichen Umfeld. Über 87 Prozent der gesamten Ansuchen wurden positiv begutachtet. 

Langjährige Projekte sind tragende Säulen
Eine weitere wichtige Säule der Unterstützungsmaßnahmen ist der Verleih von Holzblockhäusern an Familien, die über einen gewissen Zeitraum über keine feste Bleibe verfügen. Seit dem Jahr 1995 wurden auf diese Weise 28 Familien unterstützt. Weil der Auf- und Abbau der Häuser immer mit hohem Aufwand und Kosten verbunden ist, kam im vergangenen Jahr erstmals ein Wohncontainer zum Einsatz. Wertvolle Unterstützung bieten auch die Förderkredite über die Schiene „Ethical Banking“. Seit dem Jahr 2000 konnten über diese Finanzierungsform der Raiffeisenkasse Bozen und der beteiligten Partnerkassen Kredite in Höhe von zehn Millionen Euro an 59 landwirtschaftliche Betriebe vergeben werden, aktuell gibt es 36 Kreditnehmer. „Zukunft schenken“ nennt sich ein Projekt, mit dem Kinder und Jugendliche aus Familien in finanziellen Notlagen in ihrer schulischen und universitären Ausbildung unterstützt werden. Seit dem Jahr 2007 konnte der BNF 293 Kindern und Jugendlichen mit insgesamt rund 800.000 Euro unter die Arme greifen. Maßgeblich beigetragen hat zu diesem Projekt neben einer Hinterlassenschaft vor allem der Kiwanis Club Bozen mit seiner finanziellen Unterstützung. Neben solch langjährigen Aktionen zeichnet den Bäuerlichen Notstandsfonds auch ein großer Ideenreichtum aus, wenn es um die Unterstützung Hilfesuchender geht. So bietet er seit einigen Jahren in Zusammenarbeit mit mehreren ausgebildeten Trauerbegleiterinnen eine Hilfestellung vor allem für Kinder und Jugendliche an, die um einen nahen Verwandten trauern. Seit dem Jahr 2022 finanziert der BNF Lebensmitteltafeln über den „Banco Alimentare“ mit saisonalen und regionalen Lebensmitteln sowie „Monni Card“-Wertgutscheine als Weihnachtsgeschenk für 70 bis 80 Kinder im Jahr. Erst seit dem vergangenen Jahr läuft ein Projekt in Brixen, bei dem Frauen mit Kindern nach dem Aufenthalt in einem Frauenhaus eine Übergangswohnung zur Verfügung gestellt wird. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit den Sozialdiensten der Bezirksgemeinschaft Eisacktal und der „b*coop Bürger*innengenossenschaft Brixen“ organisiert. 

Hilfe annehmen ist keine Schande
Obmann Dariz berichtete von einem Umstand, der den BNF ebenfalls seit vielen Jahren beschäftigt: „Nach wie vor schämen sich viele Menschen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das stimmt uns immer nachdenklich, denn wir könnten als BNF viel bewirken. Aber wenn es zu spät ist, dann ist es auch für uns schwierig zu helfen.“ Überhaupt habe er über die Jahre die Erfahrung gemacht, dass es vergleichsweise einfach ist, in Südtirol Spendengelder zu sammeln – aber umso schwieriger, diese dann gerecht und angemessen zu verteilen. „Wir als Vorstand des BNF tragen eine große Verantwortung, wir können den zahlreichen Spenderinnen und Spendern nur für ihr großes Vertrauen danken, das sie uns seit vielen Jahren schenken“, unterstrich Dariz. Seit seiner Gründung konnte der BNF weit über 30 Millionen Euro an Spendengeldern sammeln und zu hundert Prozent an Betroffene weitergeben. „Dass wir das nach wie vor tun können, haben wir den vielen Steuerzahlern zu verdanken, die in ihrer Steuererklärung fünf Promille ihrer Einkommenssteuer dem BNF zuweisen“, erinnerte Dariz. Neben den unzähligen Privatspendern darf sich der Bäuerliche Notstandsfonds auch über viele Benefiz-Aktionen und treue Partner freuen: Die Veranstaltung „Austern und Sekt“ der Südtiroler Gärtner am Silvestertag in Bozen-Gries, der Weihnachtskeller in St. Pauls und der schon genannte Kiwanis Club Bozen sind nur einige Beispiele, dazu kommen viele Aktionen der Ortsgruppen der bäuerlichen Organisationen. Zu den besonderen Aktionen, die den Bäuerlichen Notstandsfonds seit Jahren unterstützen, zählt der Kalender der Südtiroler Flugretter, die immer wieder beeindruckende Summen ergibt. Bei der Versammlung in Marling konnte der Scheck der Aktion 2024 in der Höhe von 30.000 Euro übergeben werden. Seit dem Jahr 2007 stellen die Flugretter den Erlös aus dem Verkauf der Kalender dem BNF zur Verfügung. In dieser Zeit konnten die Flugretter insgesamt 383.000 Euro an Spendengeldern sammeln, sie gingen an insgesamt 92 Familien.

Gedanken zum Jubiläum von Rudi Gamper
Ein langjähriger Freund des Bäuerlichen Notstandsfonds ist der bekannte Moderator und ehemalige RAI-Sender-Bozen-Koordinator Rudi Gamper. Er fasste anlässlich des 35-jährigen Bestehens die Bedeutung und das Wirken des BNF zusammen: „Es gibt im Leben viele Dinge, über die man eigentlich nicht reden muss, man muss sie einfach tun. Der Bäuerliche Notstandsfonds ist ein Paradebeispiel dafür“, betonte Gamper. Was den BNF auszeichne, sei die Vertrauenswürdigkeit und die Gabe, den Menschen im Land tragische Einzelschicksale nahezubringen. „Wer sich mit dem Schicksal einer Familie identifizieren kann, der hilft gerne – und noch lieber, wenn er weiß, dass die Spende direkt bei den Betroffenen ankommt“, sagte Gamper. Auch in den Grußworten – diesmal ausschließlich von den Spitzenvertretern der bäuerlichen Organisationen – kam diese Anerkennung dem BNF gegenüber zum Ausdruck. Landesbäuerin Antonia Egger lobte den BNF, weil er „den Menschen das Gefühl gibt, nicht alleine zu sein, und nicht lange überlegt, wie man helfen könnte, sondern das einfach tut“. Es tue auch den Helfenden gut, wenn sie jenen Menschen, die Hilfe erfahren haben, später begegnen und sehen dürfen, dass sie wieder mitten im Leben stehen. Bauernjugend-Landesobmann Raffael Peer hob die Vertrauenswürdigkeit des BNF hervor: „Die Leute wissen, für was der BNF steht und dass das gespendete Geld gut ankommt.“ Die Menschen in Südtirol würden nicht gerne offen zeigen, wenn es ihnen nicht gut geht, egal ob finanziell oder seelisch. Daher sei es umso wichtiger, solche Menschen auf den BNF hinzuweisen. „Wenn es einem gut geht, ist es gut zu wissen, dass es mit dem BNF eine Einrichtung gibt, über die man anderen helfen kann“, betonte Peer. Johann Weissenteiner, stellvertretender Landespräsident der Seniorenvereinigung im Bauernbund, verwies auf die Armut, die es auch in einem reichen Land wie Südtirol gebe: „Es ist gut, dass es den BNF gibt, denn wir haben da draußen viele Alleinstehende, die arm sind und Hilfe brauchen“, erinnerte Weissensteiner. Bauernbund-Landesobmann Daniel Gasser lobte schließlich die Gründerväter und -mütter des BNF für ihren Weitblick und Mut: „Ihr habt mit dem BNF eine überaus wertvolle und unschätzbar wichtige Organisation aufgebaut. Wir können nur den Hut vor euch ziehen, jetzt liegt es an uns, den BNF weiterzutragen.“ Mit einer sehr emotionalen Audiobotschaft der Familie von Obmann Sepp Dariz fand die Versammlung des Bäuerlichen Notstandsfonds in der Kellerei Meran Burggräfler ihren würdigen Abschluss. 

Sepp Dariz ist als Obmann seit 35 Jahren das prägende Gesicht des BNF.

Ein Film zum Jubiläum

Ein sehr berührender Höhepunkt der Versammlung in Marling war die Vorstellung des Films „5 Schicksale – ein Film“, der anlässlich des 35-Jahr-Jubiläums des Bäuerlichen Notstandsfonds erstellt wurde. Der etwa 17-minütige Film zeigt anhand von fünf beeindruckenden Beispielen, wie Betroffene in Kontakt mit dem Bäuerlichen Notstandsfonds gekommen sind und wie dankbar sie über die erfahrene, vielfältige Hilfe waren und sind: ein eindrückliches Zeugnis der Arbeit des BNF in den 35 Jahren seines Bestehens. Der Film ist auf dem YouTube-Kanal des „Südtiroler Landwirt“ hier und auf der Webseite des BNF unter www.menschen-helfen.it abrufbar. 

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