Alte Obstbäume können bezeugen, wie sie das Klima verändert hat und wie sie sich an diese Bedingungen angepasst haben.

Obstbäume erzählen Klimageschichte

Ein Forschungsteam der Fakultät für Agrar-, Umwelt- und Lebensmittelwissenschaften der Freien Universität Bozen zeichnet anhand der Jahresringe von fast hundertjährigen Bäumen die Anpassung von Apfel- und Birnbäumen an den Klimawandel in Südtirol nach.

Lesedauer: 10
Leben

Obstbäume können ein lebendes Archiv sein, das wertvolle Informationen über das Klima der Vergangenheit und die Anpassung von Pflanzen an Klima- und Wetterveränderungen liefert. Das verdeutlicht ein Forschungsteam der Freien Universität Bozen, das auf Basis einer Analyse von ­Kohlenstoff- und Sauer­stoffisotopen die Zusammensetzung der Jahresringe von Stämmen alter Apfel- und Birnenbäume untersucht hat. Für diesen Blick in die Vergangenheit fand das Team in Lana seltene Exemplare von Apfelbäumen der Sorte Gravensteiner, die etwa 100 Jahre alt sind, und in Prad am Stilfser Joch Birnbäume der Sorte Williams, die etwa 80 Jahre alt sind. In Prad wurde darüber hinaus ein etwa 200 Jahre alter Birnbaum der Sorte Palabirne beprobt.

Kernbohrungen der Jahresringe
Durch Kernbohrungen wurden aus den Jahresringen von jeweils fünf Bäumen jeder Sorte Kohlenstoff-Isotope (13C) und Sauerstoff-Isotope (18O) gewonnen und analysiert. Dabei handelte es sich um die schwerere Form dieser Atome, die in der Natur seltener vorkommt als die „leichteren“ Formen 12C und 16O, die eine geringere Anzahl von Neutronen enthalten. In der Studie nutzten die Forscherinnen und Forscher diese Eigenschaft, um für jedes Jahr dieser langen historischen Reihe zu analysieren, wie diese Pflanzen Kohlendioxid und Wasser für die Photosynthese und für die Transpiration nutzten. Dabei geben die Pflanzen Wasser in Form von Dampf ab. Den Forschern gelang es erstmals, diese bisher nur bei Waldbäumen angewandte Methode auch auf Obstbäume zu übertragen. Sie konnten durch die Studie dokumentieren, dass sich Birnbäume und vor allem Apfelbäume an die seit 1990 gestiegene Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre angepasst haben, indem sie den CO2-Anstieg für eine Steigerung der ­Photosyntheseleistung nutzten. Eines der Produkte der Photosynthese ist Glukose, der Zucker, aus dem die Energie für die verschiedenen Prozesse und für den Aufbau aller Moleküle in den Zellen gewonnen wird. Mehr Photosynthese bedeutet also mehr Energie für die Bäume, mehr Wachstum und oft auch eine höhere Produktivität. Die Studie wurde von Leonardo ­Montagnani und Enrico Tomelleri, Professoren für Waldökologie, Massimo Tagliavini, Professor für Physiologie und Ökologie des Baum­ökosystems, und Nilendu Singh, Gastwissenschaftler vom Wadia Institute  of Himalayan Geology in Dehradun, Indien, durchgeführt. Die Bäume konnten dank ­Wolfgang Drahorad, ehemaliger Techniker des Beratungsrings für Obst- und Weinbau, sowie Reinhold Stainer, ehemaliger Wissenschaftler am Versuchszentrum Laimburg, gefunden werden. 
Die Ergebnisse der explorativen Studie zeigen, dass Apfel- und Birnbäume ihre Wassernutzungseffizienz seit 1990 ähnlich wie Waldbäume gesteigert haben, wobei dieser Effekt beim Apfelbaum stärker ausgeprägt ist als beim Birnbaum. Grund dafür ist das Mehr an Kohlendioxid in der Atmosphäre, das sich positiv auf die Photosynthese auswirkt, während kein Einfluss auf die Transpiration festgestellt wurde. Die Isotopenanalyse hat auch gezeigt, dass die Wasserversorgung der Bäume in den letzten Jahrzehnten stabil geblieben ist. Die Studie des Teams der Freien Universität Bozen verdeutlicht, wie wichtig die alten Obstbäume sind, die es in Südtirol noch gibt. Sie sind Zeugen anderer Lebens- und Wirtschaftsepochen und lebende Archive, die es ermöglichen, die Wechselwirkungen zwischen Baum, Mensch und Umwelt in früheren Zeiten zu verstehen. 

Weitere Artikel zu diesem Thema