Gespannt verfolgten die Besucher der Obstbautagung die Ausführungen zur aktuellen Lage auf dem Obstmarkt.

Perspektiven sind wieder gut

Ein Rundumblick über den aktuellen Stand am Welt-Apfelmarkt war der Höhepunkt der 71. Obstbautagung im Meraner Kursaal. Referent war mit Helwig Schwartau ein alter Bekannter, der nach schwierigen Vermarktungsjahren Mut machte.

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Produktion Wirtschaft

Seit Jahrzehnten gilt Schwartau als einer der führenden Experten auf dem internationalen Apfelmarkt. Als solcher war er auch bereits mehrfach bei der Obstbautagung in Meran zu Gast, die auch bei ihrer 71. Auflage vom Absolventenverein landwirtschaftlicher Schulen (A. L. S) veranstaltet wurde. Bei seinem – laut eigener Aussage – letzten Auftritt als Vortragender bei der Obstbautagung zog Schwartau Bilanz über mehrere Jahrzehnte Apfelmarkt und was sich in all den Jahren verändert hat: „Früher war es recht einfach: Die Preise am Markt ließen sich aus der vorhandenen Erntemenge ableiten. Heute sprechen wir von Warensicherheit, und äußere Einflüsse wie immer häufigere Wetterextreme und die komplexe politische Weltlage sind mitentscheidend dafür, wie sich der Apfelmarkt entwickelt.“ Laut einer aktuellen Statistik würden zurzeit nur 8,8 Prozent der Menschen auf dem Planeten in stabilen Demokratien leben, wo das nicht der Fall sei, komme das Marktgefüge rasch durcheinander.
Für die aktuelle Lage am Apfelmarkt nannte Schwartau sowohl positive als auch negative Aspekte: „Positiv ist, dass es derzeit durchwegs höhere Preise für die Produzenten gibt, was auch einer bemerkenswerten Geschlossenheit der Vermarkter am europäischen Markt zu verdanken ist. Diese haben gelernt, dass man gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel auch einmal Nein sagen kann“, unterstrich Schwartau. Besonders gut entwickle sich derzeit das Mostobst – also jenes Obst, das in die Vermarktung geht. Der Wandel im Sortiment sei in vollem Gange, die Clubsorten brächten nach wie vor höhere Wertschöpfung. Ebenfalls gut für die europäischen Äpfel sei auch, dass die Mengen von der Südhalbkugel kontinuierlich zurückgehen und mittlerweile ein Importdefizit herrsche.

Pulverfässer Osteuropa und Naher Osten
Negativ merkte Schwartau den rückläufigen Export an, der zu einem erheblichen Teil mit den schon genannten politischen Turbulenzen zu tun hat: „Osteuropa ist schon seit Jahren ein schwieriges Pflaster, jetzt kommt auch noch der Nahe Osten dazu. Für diese Märkte braucht ihr Alternativen, auf den meisten davon ist aber auch die Konkurrenz unterwegs“, erklärte Schwartau. Problematisch sei auch die enorme Kostensteigerung und die doch immer noch große Macht des Lebensmitteleinzelhandels. Der Konsum für Äpfel geht seit Jahren stetig zurück, in der Politik fehle auf europäischer Ebene eine starke Lobby („Das läuft bei euch in Südtirol anders“) und die schon traditionelle Überproduktion in Polen bringe die ganze EU-Produktion in Schwierigkeiten.
Die Anbaufläche in der EU ist seit über zehn Jahren um knapp 40.000 Hektar bzw. sieben Prozent gesunken, dennoch ist Überproduktion am EU-Apfelmarkt zur Normalität geworden. „Die Einkaufsmengen im Handel sind wieder zurück auf Vor-Corona-Niveau gesunken, aber immerhin sind Preise und Umsatz im Lebensmitteleinzelhandel im Plus. Das liegt auch daran, dass der Handel im Herbst endlich die Preise für Obst deutlich angehoben hat“, sagte Schwartau. Für die Apfelvermarkter gelte es nun, standhaft zu bleiben. Denn der Preis für Äpfel sei zwar um durchschnittlich 12,5 Prozent gestiegen, der Anstieg bei anderen Obstsorten wie Trauben, Steinobst und vor allem Beeren sei deutlich höher.

Überraschende neue Märkte
Wo aber sollen die Äpfel hin, die nicht in Krisengebiete exportiert werden können, sich in Europa mit dem Absatz schwertun und auf Märkten wie Indien und den arabischen Ländern zunehmend mit der Ware aus dem globalen Süden konkurrieren? Schwartau zeigte eine etwas unerwartete Alternative auf: „Lateinamerika hat in den vergangenen Jahren für Äpfel aus der EU an Bedeutung gewonnen. So sind etwa in Brasilien die Importe aus Italien deutlich gestiegen, hier ist es euch gelungen, einen guten Markt aufzubauen“, lobte Schwartau. Rund die Hälfte der in Brasilien verkauften Äpfel kommt aus der EU, Italien ist nach dem Nachbarn Chile sogar das zweitwichtigste Importland. „Mit Hauptmärkten wie Deutschland können die Zahlen natürlich noch nicht mithalten, doch ist das Potenzial hier durchaus vorhanden“, betonte Schwartau. Und da die Importe in die EU aus der Südhalbkugel zurückgehen, sei es vor allem für den deutschen Markt wichtig, Sorten zu fördern, die auch im letzten Drittel der Vermarktungssaison noch verfügbar sind.

Bio und konventionell nähern sich an und wachsen zusammen
Harte Zeiten durchlebt derzeit auch der Biosektor: Corona und Wirtschaftskrise haben den Konsum eingebremst. Gleichzeitig hat die EU den Bioanbau massiv angetrieben – allein in Italien hat sich die Anbaufläche innerhalb weniger Jahre fast verdoppelt. „Die Produktionsmenge im Biobereich ist stark gestiegen – der Konsum kann da nicht mithalten. Das sorgt vielerorts für wenig zufriedenstellende Preise und Bauern, die die Umstellung auf Bio überdenken. Der Produktionswechsel von konventionell zu bio muss durch die Nachfrage begleitet werden, der Konsument muss mitmachen!“, erklärte Schwartau. Für ein Raunen im Kursaal sorgte eine weitere Aussage des Experten: „In 50 Jahren wird niemand mehr von bio oder konventionell sprechen. Die Politik der EU in Sachen Pflanzenschutzmittel wird dafür sorgen, dass immer weniger Mittel für den konventionellen Anbau zugelassen werden. Das heißt zwangsläufig, dass sich die beiden Produktionsformen annähern und irgendwann zusammenfallen.“

Nachhaltigkeit wird Standard werden
Wenig Spielraum sieht Schwartau für einen Mehrwert durch ein Nachhaltigkeitslabel: „Nachhaltigkeit wird vor allem beim konventionellen Anbau Standard werden, das heißt, die nachhaltige Produktion von Obst wird vorausgesetzt. Bestenfalls lässt sich so der Konsum halten.“ Schwartau rät den Vermarktern, am höheren Preisniveau festzuhalten und gegenüber den Handelsketten hart zu bleiben. Allgemein machte der Experte den Südtiroler Obstbäuerinnen und -bauern Mut: „Ich bin froh, dass ich nicht im Vorjahr hier gestanden bin und referiert habe. Damals waren die Aussichten wenig rosig. Jetzt gibt es für den Obstbau mit den steigenden Preisen wieder eine gute Perspektive!“

Bernhard Christanell

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