Risikomanagement neu denken
Das Risikomanagement in der Landwirtschaft befindet sich in einer Phase des Umbruchs. Das Aufkommen von Schadensereignissen durch klimatische Risiken hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Was das für die bäuerlichen Betriebe in Südtirol bedeutet, ist Thema dieses Beitrags.
Besonders die Regionen Norditaliens, aber auch jene in Mittel- und Süditalien waren in den vergangenen Jahren mit verheerenden Witterungsereignissen konfrontiert, die Schäden in teils dreistelliger Millionenhöhe verursachten. Auch in Südtirol verzeichnet das Hagelschutzkonsortium eine stetig zunehmende Intensität der widrigen Witterungsereignisse. In diesem Jahr waren wieder außergewöhnliche Hagelschläge mit ungewöhnlich großer Körnung zu verzeichnen. Doch nicht nur an der Intensität von Hagelschlägen lässt sich eine klimatische Veränderung ableiten. Fehlender Niederschlag über Monate hinweg, Trockenheit, gefolgt von heftigen Starkregenereignissen sind Phänomene, die bisher im Risikomanagement in Südtirol kaum eine wesentliche Rolle gespielt haben, letzthin aber immer öfter auftreten.
Mithilfe aller ist gefordert
Es ist deutlich erkennbar, dass die Landwirte in der Region Trentino-Südtirol aktiv Maßnahmen ergreifen, um sich vor den zunehmenden klimatischen Risiken zu schützen. Die Investition in aktive Schutzmaßnahmen wie Hagelschutznetze und die Suche nach Versicherungsschutz sind vernünftige Ansätze, um die Auswirkungen von extremen Wetterereignissen zu mildern. Zwar haben die EU und der Staat in der aktuellen GAP 2023–2027 für das Risikomanagement in der Landwirtschaft mehr Finanzmittel als in der vergangenen Agrarperiode zur Verfügung gestellt, dennoch wird man mit diesen Ressourcen nachhaltiger umgehen müssen, da der Versicherungsschutz stetig zunimmt und vielfach auch stärker beansprucht wird. Gerade hier ist aber auch die Mithilfe aller gefordert. Das aktuelle System wird nicht nur durch ein höheres Prämienaufkommen aufgrund des zunehmenden Versicherungsschutzes ausgereizt, sondern vielfach auch durch das Versichern unnötig hoher Versicherungsvolumina, die von den versicherten Landwirten in Deckung gebracht werden. Die Einhaltung der Vorgaben, nur den durchschnittlichen Produktionswert der vergangenen drei oder fünf Jahre zu versichern, sollte eine Standardpraxis sein, auch wenn dieser unter dem sogenannten Standardwert je Hektar liegt, welcher vom Ministerium vorgegeben wird. Leider halten sich auch in Südtirol nicht alle versicherten Bäuerinnen und Bauern an diese Praxis.
Um eine Auszahlung von Fördermitteln auch bis 2027 zu garantieren und um eine bessere Planbarkeit im Umgang mit den vorhandenen Ressourcen zu garantieren, wurde die römische Zahlstelle AGEA vom Landwirtschaftsministerium im Maßnahmendekret zur Gesuchstellung 2023 angewiesen, vorerst eine Akontozahlung in Höhe von 40 Prozent zu tätigen. Dafür wurden knapp 300 Millionen Euro bereitgestellt, was in etwa dem jährlichen Budget der GAP 2023–2027 entspricht. Vorerst soll jeder Landwirt für 2022 und 2023 somit rund 40 Prozent der Versicherungskosten als Akontozahlung gefördert erhalten. Der Rest wird inzwischen vom Hagelschutzkonsortium weiter bevorschusst, bis klar ist, wie hoch die Saldozahlung (max. 30 %) ausfallen wird. Auch für die Jahre 2024–2027 wird vorerst das Budget entsprechend festgelegt, um eine Akontozahlung möglichst in Höhe von 40 Prozent zu garantieren. Gleichzeitig wird es aber Lösungen brauchen, die einen nachhaltigeren und intelligenteren Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen fördern und nach Möglichkeiten suchen, um aktuell zur Verfügung stehende Fördermittel mit nationalen Ressourcen nachhaltig aufzustocken. Michael Simonini, der Obmann des Hagelschutzkonsortiums, ist zuversichtlich, dass weitere Geldmittel zur Verfügung gestellt werden, „aber ohne ein Umdenken und nachhaltige Lösungen werden auch diese Gelder nicht ausreichen, um weiterhin nur annähernd 70 Prozent an Förderbeiträgen auszahlen zu können“.
Das Hagelschutzkonsortium wird sich in Zusammenarbeit mit dem Nationalverband der Schutzkonsortien ASNACODI Italia, dem Südtiroler Bauernbund sowie allen nationalen Bauernverbänden um technische Lösungen bemühen, die mittelfristig greifen. Dabei wird man sich mit den technischen Ergebnissen der jüngsten Versicherungskampagnen, mit der Entwicklung der Versicherungswerte pro Hektar und pro Betrieb sowie mit der Dynamik der Prämien auseinandersetzen müssen, um bewusst korrigierende Faktoren identifizieren zu können, die in der Lage sind, die gewünschte Nachhaltigkeit zu erreichen. Wie hoch schlussendlich die Saldozahlung (max. 30 %) ausfallen wird, hängt sehr stark von diesen Faktoren ab und in welcher Höhe eine zusätzliche Aufstockung der aktuellen Ressourcen mittels lokaler und nationaler Geldmittel möglich sein wird.
Langfristig wird man aber auf ein 360°-Risikomanagement setzen müssen. Das heißt: Alle Systeme müssen ineinandergreifen – angefangen bei einer intelligenten Sortenauswahl, die dem Standort angepasst ist, über aktive Schutzmaßnahmen, die Risiken bereits aktiv abfangen und reduzieren, bis hin zu innovativen und nachhaltigen Versicherungslösungen sowie lokalen Mutualitätsfonds, die nicht kalkulierbare Risiken abfedern. Nur so wird das Risikomanagement in der Landwirtschaft trotz Klimawandel und zunehmender widriger Witterungsereignisse weiterhin finanzierbar bleiben.