Winterschule: Natur als Hochschule
30 Jahre Winterschule Ulten: eine einzigartige Ausbildungsstätte für traditionelle und handwerkliche Techniken im Alpenraum – bekannt über die Grenzen hinaus. Eine Schule, die Menschen begeistert.
In der Holzwerksatt der alten Grundschule in Kuppelwies in Ulten wird gedrechselt. Im Klassenzimmer im oberen Stock sitzen einige Frauen im Kreis und diskutieren über Achtsamkeit und die richtige Technik der Atmung. Zur gleichen Zeit wird in St. Walburg in der Textilwerksatt der Winterschule Ulten gekämmt, gesponnen und gewoben. Es sind die letzten Unterrichtseinheiten im heurigen Schuljahr der Winterschule Ulten. „Drei Jahre Ausbildung ist schon intensiv“, sagt Kathrin, die das Hauptfach „Wald–Gesundheit–Natur“ besucht. „Den ganzen Winter über je ein Wochenende im Monat in Ulten zu verbringen, bedeutet eine intensive Zeit mit hohem Energieaufwand. Aber es ist wirklich bereichernd, auf allen Ebenen.“ Auf Kathrin trifft die Aussage zu: „Einmal Winterschule – immer Winterschule!“ Es ist bereits ihre zweite Ausbildung. Vor zehn Jahren hat sie die „Alpine Kräuter“-Ausbildung besucht.
Natur als „höchste Hochschule“
Die Winterschule gibt es nun schon seit 30 Jahren. Altes Wissen weiterzugeben, motivierte Waltraud Schwienbacher im Jahre 1993, die Winterschule aufzubauen. Sie ist bekannt als Visionärin und als Zugpferd für viele nachhaltige Projekte im Ultental. Heute noch wird sie als Wegbereiterin und Vordenkerin sehr geschätzt. „Die Natur ist die reinste Intelligenz, sie ist die höchste Hochschule, an der wir studieren können“, ist Waltraud überzeugt. „Von ihr können alle lernen. Die Natur schenkt uns alles, was unser Körper braucht.“ Der Gedanke, dass die Schafwolle im Müll landet, war für Waltraud ausschlaggebend dafür, die Winterschule zu gründen. Als Hauptfach hinzu nahm sie auch noch Holz und Kräuter. Ihr Ziel: diese Rohstoffe zu veredeln, dadurch Arbeitsplätze im Tal zu schaffen – vor allem für Bäuerinnen und Bauern – und so die Wertschöpfung im Tal zu halten.
Mit 16 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gelang der Start, heute sind es knapp 500 pro Anmeldezyklus. Die Winterschule hat sich in diesen 30 Jahren seit ihrer Gründung zu einer einzigartigen Ausbildungsstätte für traditionelle handwerkliche Techniken im Alpenraum entwickelt. Ihr Ziel ist es, sie mit neuem Wissen zu beleben und mit natürlichen, regionalen Rohstoffen zu arbeiten.
Zehn Haupt-, viele Nebenfächer
Aus den damals drei Hauptbereichen haben sich bis heute zehn verschiedene Hauptfächer in den Bereichen Flechten, Holzwerkstatt, Wildblumenfloristik, Alpine Kräuterkunde, Weben, Stricken, Filzen, Klöppeln, Waldgesundheit und Permakultur entwickelt. Und dann gibt es noch die Nebenfächer: Nähen, Handspinnen, Milchveredelung, Farbenlehre, Drechseln, Florale Gestaltung und vieles mehr – all das kann man in der Winterschule lernen. Nach drei Jahren Hauptfach und zwei Nebenfächern freier Wahl schließt man die Ausbildung mit einem Gesellenstück als Fachkraft für das jeweilige Handwerk ab.
Franziska Schwienbacher hat vor 15 Jahren die Leitung der Winterschule von ihrer Mutter Waltraud Schwienbacher übernommen. Für sie ist das Weitergeben der Wertschätzung für die lokalen Rohstoffe, für das traditionelle Handwerk an nächste Generationen und der Austausch der Teilnehmerinnen und Teilnehmer untereinander wesentlich. „Da entsteht ganz viel Wertvolles. Die Leute suchen in der heutigen technisierten, schnelllebigen Zeit einen Ort, wo sie zur Ruhe kommen. Und es ist schön, sie dabei zu begleiten“, sagt sie. Die Schülerinnen und Schüler sind zwischen 18 und 80 Jahre alt, also generationenübergreifend. Und sie kommen aus den unterschiedlichen Bereichen, aus unterschiedlichen Gegenden und haben unterschiedliche Voraussetzungen. Gerade das macht die Winterschule so besonders. Der Name Winterschule wird bleiben, sagt Schwienbacher. Entstanden ist der Name, weil sie eigentlich für die Bäuerinnen und Bauern vorgesehen war, die im Winter Zeit für Weiterbildung haben. Heute würde Naturschule oder Naturakademie die Schule eher bezeichnen. Der Name ist aber mittlerweile ein Begriff – über die Grenzen hinaus.
Die Winterschule ist zurzeit auf drei Standorte aufgeteilt. Seit zehn Jahren gibt es Bemühungen, hier eine Lösung zu finden. Franziska Schwienbacher hofft, dass in naher Zukunft ein Ort für die Winterschule geschaffen wird, damit genügend Raum für die praxisnahe Ausbildung gewährleistet und der Austausch untereinander gestärkt werden kann. Zudem strebt sie einen neuen Abschluss an, und zwar für jene, die Spezialisierungskurse besuchen: „Sozusagen die Meisterklasse oder spezialisierte Fachkraft und vielleicht noch eine Kooperation mit der Universität Bozen im Bereich Design. Eine Zusammenarbeit der Studenten mit unseren Praktikern im Bereich traditionelles Handwerk könnte von beiden Seiten sehr interessant sein.“
Den ganzen Bericht finden Sie ab Freitag in der Ausgabe 13 des „Südtiroler Landwirt“ vom 21.Juli ab Seite 27, online auf „meinSBB“ oder in der „Südtiroler Landwirt“-App.