Wohnbaureform: die Neuerungen
Die Wohnbaureform, die am 20. Juni in Kraft getreten ist, betrifft in einigen Bereichen auch die Landwirtschaft. In diesem Beitrag wird ein Überblick der wichtigsten Änderungen und Neuerungen gegeben.
Anfang Juni hat der Südtiroler Landtag die seit Monaten heiß diskutierte Wohnbaureform beschlossen. Sie hat in erster Linie zum Ziel, leistbaren Wohnraum für Einheimische zu schaffen, womit der Wohnungsmarkt entlastet werden soll. Das Kernelement der neuen Bestimmungen bildet die Verpflichtung, dass die gesamte zur Wohnnutzung bestimmte neue Baumasse in Mischgebieten (bisher 60 %) für die Errichtung von Wohnungen für Ansässige (Exkonventionierung) bestimmt ist. Als neue Baumasse gilt dabei jene, welche auf dem einzelnen zusammenhängenden Baugrundstück oder im Baubezirk verwirklicht werden kann und die durch Neuerrichtung oder Umwandlung einer bestehenden Baumasse erhalten wird. Der Gemeinderat einer strukturschwachen und abwanderungsgefährdeten Gemeinde kann die Bindungspflicht von 100 auf 60 Prozent reduzieren. Eine weitere Ausnahme ist für die Errichtung von Wohnungen mit Preisbindung vorgesehen. Die Bindungspflicht kommt nicht zum Tragen, wenn eine seit dem 21. August 2020 bestehende und nicht gebundene Wohnung um nicht mehr als 20 Prozent erweitert wird. Wenn hingegen die Anzahl der Wohnungen erhöht wird (auch bei gleicher Baumasse), greift die Bindungspflicht sehr wohl. Geschlossene Höfe innerhalb des Siedlungsgebietes sind bis zu einer Baumasse von 1.500 Kubikmetern wie bisher von dieser Bestimmung ausgenommen.
Bindung Wohnungen für Ansässige
Ein Kurswechsel wurde für die Besetzung der für in Südtirol Ansässige gebundenen Wohnungen vorgenommen: Diese müssen künftig von Personen für den ständigen eigenen Wohnbedarf besetzt werden. Innerhalb von 60 Tagen ab Besetzung muss dazu der meldeamtliche Wohnsitz in diese Wohnung verlegt werden, außer die Besetzung erfolgt z. B. aus beruflichen Gründen oder für Ausbildungszwecke. Das Eigentum (persönlich oder der Familienmitglieder) an anderen Wohnungen spielt künftig keine Rolle mehr – somit auch nicht das Vorhandensein von eventuellen Wohnungen, welche für den Urlaub auf dem Bauernhof genutzt werden. Diese Bestimmungen gelten auch für alle „alten“ Konventionierungen laut Art. 79 des Landesgesetzes 13/1997 sowie die bisher angemerkten Bindungen laut Art. 39 des Landesgesetzes 9/2018. Zugleich wurde die Strafe bei einer Besetzung durch nicht berechtigte Personen von 5.000 auf 10.000 Euro verdoppelt – bei einer touristischen Nutzung oder einer anderen gewerblichen Tätigkeit fällt die dreifache Strafe an (somit 30.000 €).
Baurechte
Ein neues Baurecht wurde für kleine Wohngebäude im Landwirtschaftsgebiet geschaffen: Sofern diese seit 24. Oktober 1973 mit einer Baumasse von mindestens 200 Kubikmeter bestehen und nicht zu einem geschlossenen Hof gehören oder nicht
von einem geschlossenen Hof abgetrennt wurden, dürfen diese auf maximal 500 Kubikmeter erweitert werden. Die Erweiterung muss für Ansässige gebunden werden, der Energiebonus kann nicht beansprucht werden. Restriktiver geregelt wurde die Bindungspflicht bei der Erweiterungsmöglichkeit von Wohngebäuden nicht geschlossener Höfe auf 1.000 Kubikmeter: Die Erweiterung muss nur dann nicht für Ansässige gebunden werden, wenn die zusätzliche Baumasse zur Erweiterung um nicht mehr als 20 Prozent einer nicht gebundenen Wohneinheit verwendet wird, die seit dem 21. August 2020 bereits besteht, unbeschadet der Pflicht der Bindung im Falle einer nachträglichen Teilung der erweiterten Wohnung. Klargestellt wurde, dass bei Almhütten unterirdische Räumlichkeiten für Nebenzwecke (z. B. Keller, WCs), die unterhalb der überbauten Fläche des Gebäudes errichtet werden, nicht zu den Nutzflächen (z. B. max. 30 m² für das Almpersonal bei 400 Weidetagen) zählen. Die durch den Energiebonus hinzugewonnene Baumasse kann künftig im historischen Ortskern – neben der Zweckbestimmung Wohnen mit der Bindung für Ansässige – auch die Zweckbestimmungen Dienstleistung, Einzelhandel, gastgewerbliche Tätigkeit oder Handwerk (beschränkt auf die umweltschonenden Tätigkeiten) aufweisen.
In Mischgebieten erfolgt die Aufteilung der Rechte und Pflichten (vor allem Kostenaufteilung) künftig im Verhältnis zu der gemäß Durchführungsplan zulässigen Baumasse und nicht mehr über die Fläche. Neu definiert wurden folgende freie baurechtliche Eingriffe (Achtung: Nicht immer handelt es sich dabei auch um einen landschaftlich freien Eingriff in Natur- und Agrargebieten!):
- Sonnenschutz- und Wetterschutzvorrichtungen, deren Hauptstruktur aus Markisen, Sonnensegeln, Außenmarkisen, Pergola-Markisen einschließlich bioklimatischer Markisen, mit einziehbarem, auch wasserdichtem Material oder mit beweglichen oder verstellbaren Sonnenschutzelementen besteht und die an Gebäuden oder Gebäudeteilen angelehnt oder daran befestigt werden;
- Wildschutzzäune laut den von der Landesregierung genehmigten Richtlinien (sind noch ausständig);
- Wärmepumpen für Gebäude für die Klimatisierung und Warmwasseraufbereitung;
- Agri-Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von weniger als einem Megawatt laut den von der Landesregierung genehmigten Richtlinien (sind noch ausständig);
- notwendige saisonale Bauwerke und Bauarbeiten für 180 Tage (bisher 90 Tage) – der Baubeginn ist der Gemeinde zu melden.
Für die Aussiedlung der Hofstelle wurden Präzisierungen gemacht, ohne nennenswerte inhaltliche Änderungen zu bewirken.
Umwandlung von Baumasse
Die Umwandlung von Beherbergungsbetrieben in den Natur- und Agrargebieten in Wohnungen für Ansässige ist innerhalb des Siedlungsgebietes für jene Betriebe gestattet, die zum Stichtag 7. August 2013 höchstens 40 Betten hatten (außerhalb bis
maximal 25 Betten wie bisher). Eine Nutzung für Privatzimmervermietung oder Urlaub auf dem Bauernhof in Abweichung zur Bindung für Ansässige ist hingegen nicht mehr möglich. Neu ist die Möglichkeit, in Gebäuden, die seit 24. Oktober 1973 im Landwirtschaftsgebiet bestehen und die vorwiegend zu Wohnzwecken bestimmt sind und nicht zu einem geschlossenen Hof gehören, bestehende Baumassen aufgelassener Speise- und Schankbetriebe in Wohnungen für Ansässige umzuwandeln. Sofern die Gebäude mehr als 300 Meter vom nächsten verbauten Ortskern entfernt sind, kann der Gemeinderat aufgrund eines Gutachtens der Gemeindekommission für Raum und Landschaft eine solche Umwandlung bis maximal 1.000 Kubikmeter zulassen.
Tankstellen und Radstationen
Sondernutzungsgebiete können künftig – zusätzlich zu gastgewerblicher Tätigkeit, Energieerzeugung, landwirtschaftlichen Genossenschaften und Schotterverarbeitung – auch für Infrastrukturen in Skigebieten, Straßentankstellen, Radstationen und Freizeitanlagen vorgesehen werden. Für Straßentankstellen ist die Errichtung eines Schankbetriebes und die Ausübung von Einzelhandelstätigkeit (beschränkt auf die Warentabelle für Tankstellen) von jeweils maximal 50 Quadratmetern vorgesehen. Freizeitanlagen: Für lineare Strukturen (z. B. Rodelbahnen) oder wenn auf der betroffenen Fläche die land- und forstwirtschaftliche Nutzung zumindest teilweise aufrechterhalten bleibt, erfolgt die Kennzeichnung im Landschaftsplan durch grafische Überlagerung. Mögliche Bauvolumina müssen dazu im Landschaftsplan explizit vorgesehen werden.
Weitere Bestimmungen
Künftig werden die erteilten Baugenehmigungen wieder auf der Amtstafel der jeweiligen Gemeinde veröffentlicht. Ist für einen Eingriff die landschaftliche Genehmigung durch das Land vorgesehen, so fällt diese nach dem Verstreichen einer Frist von 60 Tagen in die Zuständigkeit der Gemeinde zurück, welche innerhalb von weiteren 60 Tagen entscheidet.
Geförderter Wohnbau
Werden Förderungen für den Bau, Kauf und die Wiedergewinnung von Wohnungen gewährt, so geht damit eine ewige Bindung der Wohnung für Ansässige einher. Die zehnjährige Sozialbindung von Wohnungen für den Grundwohnbedarf wurde gleichzeitig auf zwanzig Jahre erhöht. Neu eingeführt wird ein zinsbegünstigtes Darlehen mit festem oder variablem Zinssatz und einer Laufzeit von mindestens zehn und maximal 30 Jahren für den Grundwohnbedarf. Die einmaligen Schenkungsbeiträge wurden als Fixbeträge festgelegt (z. B. 35.000 € für Einzelwerber und 52.000 € für zwei Familienmitglieder), wobei Erhöhungen (z. B. für die Wiedergewinnung von Wohnungen für den Grundwohnbedarf) vorgesehen sind und eine Staffelung nach dem Faktor der wirtschaftlichen Lage erfolgt. Diese neuen Berechnungsmodalitäten treten jedoch erst in Kraft, sobald der entsprechende Kriterienbeschluss genehmigt wird, und betrifft nur jene Gesuche, die nach diesem Datum eingereicht werden. Die bisherigen Obergrenzen von110 bzw. 160 Quadratmetern gibt es nicht mehr. In Zukunft wird die Katasterkategorie (A/2–A/7) ausschlaggebend für die Beitragsgewährung sein. Die konventionierte Wiedergewinnung von Wohnungen wurde neu geregelt. Die Förderung in Höhe von maximal 25.000 Euro kann für bestehende und nicht konventionierte oder nicht für Ansässige gebundene und mindestens 25 Jahre alte Bausubstanz im Siedlungsgebiet in Anspruch genommen werden. Die geförderten Wohnungen müssen für Ansässige gebunden und 20 Jahre lang vermietet werden. Diese Bestimmungen betreffen nicht die landwirtschaftliche Wohnhausförderung des landwirtschaftlichen Unternehmers, sehr wohl aber oft mit Fruchtgenuss belastete Wohnungen an der Hofstelle (z. B. Altenwohnung oder Jungbauernwohnung). Neu ist hier, dass für die vom Fruchtnießer beantragten Förderungen auch der nackte Eigentümer seine Zustimmung geben muss.
Geschlossene Höfe
Beim Erwerb des Eigentums, Miteigentums oder Fruchtgenussrechtes an einem geschlossenen Hof mit einem Rechtsgeschäft unter Lebenden, also z. B. einem Kauf- oder Tauschvertrag, muss die Bewilligung der örtlichen Höfekommission eingeholt werden. Diese prüft das Vorliegen der folgenden subjektiven Voraussetzungen der erwerbenden Person.
Landwirtschaftliche Tätigkeit: Der Erwerber muss entweder selbstbewirtschaftender Bauer oder beruflich in der Landwirtschaft tätig sein oder eine frühere Berufserfahrung in der Landwirtschaft nachweisen können.
Ausbildung: Zudem muss der Erwerber einen Studientitel, ein Diplom oder eine Teilnahmebestätigung eines Fortbildungskurses für Junglandwirte in den Bereichen Land-, Forst- oder Hauswirtschaft und Ernährungswissenschaften nachweisen. Die Details müssen noch mit Durchführungsverordnung festgelegt werden.
Die Bewilligung der örtlichen Höfekommission muss innerhalb von 30 Tagen der für die Landwirtschaft zuständigen Abteilung (Amt für bäuerliches Eigentum) übermittelt werden, welche gegen die Entscheidung Beschwerde vor der Landeshöfekommission einreichen kann. Bei Erwerb von Todes wegen, also über eine Erbschaft oder ein Vermächtnis, braucht es keine Bewilligung. Ausgeschlossen von dieser strengen Regelung sind zudem Schenkungen, Erwerbe innerhalb der engen Familie (also zwischen Ehegatten oder Lebensgefährten sowie zwischen Verwandten bis zum 3. Grad), Erwerb von Miteigentumsanteilen im Zuge der Auflösung der Miteigentumsgemeinschaft, Erwerbe im Zuge der Ausübung des Hofübernahmerechts oder von Trennungs- bzw. Scheidungsverfahren sowie Erwerb von öffentlich-rechtlichen oder kirchlichen Körperschaften. Für all jene, die bereits einen Kaufvorvertrag abgeschlossen und diesen vor Inkrafttreten des Gesetzes (also vor dem 20. Juni 2025) bei der Agentur der Einnahmen registriert haben, kommen die neuen Bestimmungen ebenfalls nicht zur Anwendung.
Privatzimmervermietung und Urlaub auf dem Bauernhof
Tiefgreifende Änderungen kommen auch auf Privatzimmervermieter zu. Die Tätigkeit darf nur noch im selben Gebäude ausgeübt werden, in dem sich der Wohnsitz des Betriebsinhabers oder der Rechtssitz des Unternehmens befindet. Die Eintragung in das Handelsregister der Handelskammer wird verpflichtend. Ausgenommen davon sind nur Mietverträge laut Art. 4, G.v.D 50/2017 (sogenannte Kurzzeitmiete). Die Geschäftsführung muss durch den Inhaber selbst erfolgen. Ist dies nicht möglich
(z. B. aufgrund einer längeren Abwesenheit), muss ein Geschäftsführer bestellt werden. Beide (Inhaber und Geschäftsführer) müssen berufliche Qualifikationen aufweisen. Hierzu braucht es noch einen Beschluss der Landesregierung. Neu geschaffen wird die Möglichkeit der Betriebsaussetzung bis zu einem Jahr (bei Baumaßnahmen bis 3 Jahren), ohne dass der Betrieb eingestellt wird und das Bettenkontingent verfällt. Die Aussetzung ist meldepflichtig. Diese neuen Bestimmungen gelten auch rückwirkend bis zum 17. August 2022. Betriebe, die im Zeitraum zwischen 17. August 2022 und 19. Juni 2025 gegründet wurden (es zählt das Datum der SUAP), gilt eine Anpassungsfrist von zwei Jahren, also bis zum 20. Juni 2027. Weiters wird die Aushängepflicht der Preise (gilt auch für Urlaub auf dem Bauernhof) genauer definiert. Die Preise müssen in jedem Stockwerk und bei unterschiedlichen Preisen auch in den einzelnen Unterkünften ausgehängt werden. Für die entsprechende Kontrolle ist grundsätzlich die jeweilige Gemeinde zuständig. Mit diesem Gesetz wird allerdings die Möglichkeit geschaffen, die Überwachung mittels Konzession an externe Dienstleister auszulagern. Weiters wird auch das Urlaub-auf-dem-Bauernhof-Gesetz abgeändert und klargestellt, dass an der Hofstelle im Rahmen von Urlaub auf dem Bauernhof maximal fünf Ferienwohnungen oder acht Zimmer möglich sind.