Die über 700 Abgeordneten im Europäischen Parlament haben bei der EU-Gesetzgebung ein gewichtiges Wort mitzureden.

Chance zur Mitbestimmung nutzen

Auch wenn „die EU“ oft weit weg scheint: Wir alle sind Teil davon – und wir alle können mitbestimmen, ­welchen politischen Weg die Europäische Union geht. Auch deshalb ist es wichtig, sich aktiv an den Wahlen zum EU-Parlament am Wochenende zu beteiligen.

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Politik

Zum zehnten Mal sind die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union in diesen Tagen dazu aufgerufen, die über 700 Mitglieder des Europäischen Parlaments zu bestimmen. Erstmals fanden 1979 Wahlen zum EU-Parlament statt, Südtirol war von Anfang an immer mit einem oder mehreren Abgeordneten vertreten.

Was das EU-Parlament macht
Das Europäische Parlament vertritt die Interessen der Bürgerinnen und Bürger der EU und hat gemeinsam mit dem Rat der EU die Gesetzgebungsbefugnis in vielen Bereichen. Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben auch die Aufgabe, die Arbeit der Europäischen Kommission zu kontrollieren. Auch bei den Wahlen an diesem Wochenende geht es um viel – es werden die Weichen gestellt, wie es in den nächsten Jahren in der EU weitergeht. Das ist gerade für die Bäuerinnen und Bauern wichtig, denn: Der Großteil der Gesetze, die die Land- und Forstwirtschaft direkt betreffen, hat seinen Ursprung in Beschlüssen der europäischen Gremien. Und nach wie vor macht der Agrarhaushalt fast ein Drittel des gesamten Haushaltes der EU aus.

Warum die Gemeinsame Agrarpolitik wichtig bleibt
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist eine Partnerschaft zwischen Europa und den Landwirten. Die Ziele sind: Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln, ein angemessenes Einkommen für die Bäuerinnen und Bauern und eine nachhaltige Bewirtschaftung von Grund und Boden. Gerade die vergangenen fünf Jahre waren für die Landwirtschaft in der EU keine leichten Jahre – mit mehreren umstrittenen Verordnungen und einer GAP, deren Umsetzung nur langsam in die Gänge kam. Dazu kamen mehrere Krisen – einmal aufgrund der Corona-Pandemie, zum anderen wegen des Ukraine-Krieges.

Was nach den Wahlen ansteht
Bald nach den EU-Wahlen wird es um die Verhandlungen zur neuen EU-Finanzierungsperiode gehen, die nach dem Jahr 2027 in Kraft treten soll. Dabei geht es für die Berglandwirtschaft im Alpenraum einmal mehr um die Existenz: Nur durch eine solide Finanzierung über mehrere Säulen – darunter eben auch die EU – kann die klein strukturierte Landwirtschaft langfristig überleben. Mehr zu den Schwerpunkten der EU-Politik in den vergangenen Jahren und zu den wichtigen Themen der kommenden Jahre ist im Interview mit dem amtierenden EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann in der „Südtiroler Landwirt“-Ausgabe Nr. 9 vom 10. Mai 2024 nachzulesen und in der Podcast-Folge von „Zuaglost“ unter dem Link zuaglost.podigee.io/27-dorfmann nachzuhören.

Wie und wann wird gewählt?
Die Wahllokale sind am morgigen Samstag, dem 8. Juni, von 15 bis 23 Uhr und am Sonntag, dem 9. Juni, von 7 bis 23 Uhr geöffnet. Die Voraussetzungen, um an der Wahl zum EU-Parlament teilnehmen zu können, sind je nach Mitgliedstaat im Detail oft unterschiedlich. Voraussetzungen für die Stimmabgabe in Italien sind:

  • italienische Staatsangehörigkeit bzw. Unionsbürgerschaft mit Hauptwohnsitz in Italien oder italienische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die im Ausland wohnen;
  • Eintragung im Wählerverzeichnis der eigenen Gemeinde;
  • Volljährigkeit (18 Jahre).

Die Stimmabgabe erfolgt durch das Ankreuzen einer Liste, die im betreffenden Wahlkreis kandidiert. Südtirol gehört zum Wahlkreis Nord-Ost, der die Regionen Trentino-Südtirol, Venetien, Emilia-Romagna und Friaul–Julisch-Venetien umfasst. Zur Stimmabgabe müssen der Wahlausweis und ein gültiger Personalausweis vorgelegt werden. Wer keinen Wahlausweis hat oder einen neuen braucht, kann sich ans Wahlamt der eigenen Gemeinde wenden.

Wer kann gewählt werden?
Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments werden nach einem Verhältniswahlsystem gewählt. In Italien gibt man bis zu drei Präferenzstimmen für die gewählte Liste ab. Dafür schreibt man Vor- und Nachname oder nur den Nachnamen der bevorzugten Kandidatin oder des Kandidaten in die Zeilen neben dem Listensymbol. Werden zwei oder drei Präferenzen geäußert, müssen diese Personen unterschiedlichen Geschlechts sein. Grundsätzlich gilt für jede Liste in Italien eine 4-%-Hürde, das heißt, nur Listen, die staatsweit über vier Prozent der Stimmen erhalten, können Abgeordnete in das EU-Parlament entsenden. Eine Ausnahme gilt für Listen von Sprachminderheiten: Sie können sich mit einer nationalen Parteiliste zusammenschließen, um die 4-%-Hürde zu überschreiten: In diesem Fall addiert die Liste der Sprachminderheit ihre Stimmen zu denen der nationalen Liste und erhält einen Sitz, wenn einer ihrer Kandidaten mindestens 50.000 Präferenzstimmen erhält. Für Listen der sprachlichen Minderheiten kann nur eine Vorzugsstimme angegeben werden. Die einzige Liste, auf die diese Ausnahme in Südtirol zutrifft, ist jene der Südtiroler Volkspartei (SVP).

Bernhard Christanell

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