Dankbar, demütig, selbstbestimmt
Karin Kofler Frei, die Bäuerin des Jahres 2023, spricht im Interview mit dem „Südtiroler Landwirt“ von ihrem Glück, Bäuerin am Hof Bauer am Stein zu sein, von ihrer Sehnsucht nach Harmonie und von der Landwirtschaft als wichtigem Wirtschaftszweig.
Karin Kofler Frei wohnt seit 20 Jahren auf dem Hof Bauer am Stein in Völlan gemeinsam mit ihrer Familie, ihrem Mann Stefan, den drei Buben und ihrem Schwiegervater. Am Hof gibt es neben der Apfelanlage auch ein Weingut, im Stall stehen 140 Ziegen. Zusätzlich werden Hühner und Freilandschweine gehalten. Im Herbst gibt es Kastanien. All diese bäuerlichen Produkte bietet die Bäuerin des Jahres Karin Kofler Frei ihren Gästen im Hofschank an. Sie spricht vom Hof als selbstversorgender Welt, die ihr viele Möglichkeiten bietet. Sie ist dankbar für die Lebensmittel, die sie mit ihrer Familie ernten, weiterverarbeiten und schließlich den Gästen anbieten darf. Das erfüllt sie mit großer Zufriedenheit und Dankbarkeit. Sie bezeichnet sich selbst als kommunikativ, zielstrebig und offen.
Südtiroler Landwirt: Frau Kofler Frei, Sie sprechen von Ehrfurcht und von Demut, wenn Sie an den Hof Bauer am Stein denken. Sie sehen es als nicht selbstverständlich an, hier am Hof leben und arbeiten zu dürfen.
Karin Kofler Frei: Ja, das stimmt. Für mich ist es ein besonderes Glück, hier am Bauer am Stein sein zu dürfen. Ich nehme alles mit Wertschätzung an und habe Respekt vor dem, was passiert und was uns geschenkt wird. Ich finde es auch schön, sich klein zu fühlen im Vergleich zum großen Kosmos. Denn so sieht man dann die kleinen Dinge, die wichtig sind für mein glückliches Leben am Hof.
Sie sind ein sehr offener Mensch mit Weitblick. Das spielt sicher eine wichtige Rolle, die Dinge so zu sehen und danach das Leben auszurichten.
Ja, ich glaube schon. Eine meiner Stärken ist sicher weiterzudenken. Ich bin eine, die Ziele braucht. Ich möchte immer wieder Neues entdecken. Obwohl ich meinen Beruf als Kindergärtnerin geliebt habe, hatte ich schon früh den Gedanken, einmal etwas anderes zu machen. Und ich glaube, das prägt mich auch heute noch – ich möchte mich weiterentwickeln.
Sich weiterentwickeln als Frau am Hof – eine Herausforderung?
Dass ich mich als Bäuerin mit meinen Charaktereigenschaften und meiner Freude am Hof ausleben und weiterentwickeln kann, habe ich sicher auch meinem Mann zu verdanken. Er hat mir früh Verantwortung in die Hände gelegt. Er hat mir aber nie eine Richtung zugewiesen. Ich hatte eine Startsituation, und aus der musste ich schauen, was für mich gut ging. Für mich ist die Weiterbildung sehr wichtig, denn man muss sich schon ein gewisses Wissen und gewisse Fähigkeiten aneignen, um Sachen wirklich gut zu machen.
Sich am Hof einleben: Wie war das für Sie?
Das war nicht einfach. Ich glaube, jede Frau empfindet das so, wenn sie auf einen Hof kommt. Ich sage es halt laut. Es war schwierig, aber im Gegenzug hatten wir es dann auch sehr schön. Es ist nicht einfach, weil man immer wieder mit den alten bzw. den gelebten und gewohnten Rollenbildern zu tun hat, mit denen man sich selbst nicht anfreunden kann. Man muss sie oft mit klaren Ansagen ändern, damit man die eigenen Aufgaben bestmöglich bewältigen kann.
Sie sagen laut, wie es ist, viele denken sich das nur. Warum ist Ihnen wichtig, es zu sagen?
Am Anfang habe ich vieles geschluckt, aber ich bin ein emotionaler Mensch, der die Emotionen nach außen trägt, und ich denke, das hat mir geholfen, Grenzen aufzuzeigen. Mir war es immer wichtig, diese Grenzen klar zu kommunizieren, damit man mich versteht. Das hat viel Geduld gebraucht, aber schlussendlich kann man darüber anders reden und andere Lösungen finden. Es ist nicht immer einfach, da es oft Gräben aufwirft, auch für das Gegenüber. Aber mir ist am Ende vom Tag wichtig, dass man Harmonie spürt.
Ein gutes Miteinander am Hof ist auf vielen Höfen Thema. Mussten Sie, Ihr Mann und Ihre Schwiegereltern dazulernen, um am Ende des Tages an einem Tisch zusammensitzen zu können?
Wir mussten alle etwas lernen. Mein Mann war in jungen Jahren ein Rebell, was die Arbeiten am Hof anging. Er hat sich seinen Weg gebahnt. Als ich am Anfang hier war, ging man schon mal auf die Barrikaden. Heute sehe ich das als Reichtum, man kann dadurch etwas ändern, und so ist es meinem Schwiegervater gelungen, bestimmte Sichtweisen zu ändern. Er hat erfahren, dass bestimmte Gewohnheiten am Hof geändert werden können, es aber trotzdem gut sein kann.
Tun sich die älteren Personen schwer, Änderungen anzunehmen?
Ja, weil sie einfach den sicheren Boden verlassen müssen und für die Zukunft Ängste und Sorgen haben. Sie wissen auch, was es bedeutet, bis dorthin gekommen zu sein. Das muss man respektieren, aber man selbst muss es wagen, neue Wege zu gehen.
Fühlen Sie sich heute als Teil vom Hof?
Ja, ich muss sagen, ich bin hier hineingewachsen und kann mir jetzt nicht mehr vorstellen, irgendwo anders zu leben. Zum einen, weil ich Teil des Hofes wurde, und zum anderen, weil der Hof ein Teil von mir wurde. Wenn ich heute am Morgen aufstehe und aus dem Haus gehe, will ich das Bild vor mir nicht missen. Natürlich gibt es dann auch mal Tage, die nicht so gut laufen, aber trotzdem will ich das alles nicht missen.
Als Frau am Hof hat man doch einiges zu tragen, man hat eine bestimmte Rolle, oder?
Ich muss sagen, die Rollenerwartung ist sicher sehr traditionell von Seiten der Männer. Die ältere Generation hat es so vorgelebt. Am Anfang habe ich natürlich versucht, diese Rolle zu erfüllen, damit eine positive Stimmung aufkommt. Ich glaube, das Größte war für mich, meinen Männern aufzuzeigen, dass sich eine Frau für den wirtschaftlichen Erfolg selbstständig etwas aufbauen kann. Das ist mir dann auch gelungen. Eine Frau am Hof hat eine sehr wichtige Funktion, sie hat heute alle Möglichkeiten der Ausbildung und sie steht nicht mehr versteckt im Hintergrund.
Das ist Ihnen schon wichtig, Sie sind heute unbestritten die Bäuerin am Hof.
Ja, ich glaube einfach, eine bestimmte Wertschätzung zu erfahren. Auch von außen, das ist mir schon wichtig. Denn dieses unterschwellige Nichtgesehenwerden hat für mich nichts mit Wertschätzung zu tun.
Was war die größte Änderung in den letzten Jahren?
Die Antwort auf diese Frage, sowie das restliche Interview finden Sie ab Freitag in der Ausgabe 14 des „Südtiroler Landwirt“ vom 4. August ab Seite 23, online auf „meinSBB“ oder in der „Südtiroler Landwirt“-App.