Wespengeflüster
Wespen haben allgemein, aber besonders auch in landwirtschaftlichen Kreisen ein schlechtes Image. Völlig zu Unrecht, erklärt der bekannte Traminer Biologe und Influencer Wolfgang Dibiasi im Gespräch mit dem „Südtiroler Landwirt.
Weltweit gibt es über 100.000 verschiedene Wespenarten. In Südtirol trifft man am häufigsten auf die Gattungen Vespula und Polistes. Wolfgang Dibiasi erklärt: „Optisch unterscheidet man diese beiden Arten am leichtesten an der Farbe der Fühler und Beine: Jene der Gattung Vespula sind leicht orange.“ Während diese Art etwas aggressiver und angriffslustiger ist, agiert die Gattung Polistes dagegen recht gemütlich. Leicht zu unterscheiden ist bei diesen beiden Arten auch ihr Nestbau. Während die Gattung Polistes in eher kleinen Nestern mit nach außen hin sichtbaren Waben lebt, baut die Gattung Vespula ein immer größeres werdendes Nest. Es ist nach außen hin geschlossen und die Waben sind nicht sichtbar – wie bei einem Kokon. Insgesamt gibt es aber auch in Südtirol natürlich weit mehr Arten: wie etwa Feld- und Waldwespen oder Hornissen, die ebenfalls zur Familie der Wespen gehören. Erstaunlich ist vor allem, dass sich alle Wespenarten recht gut an den Menschen gewöhnen können. „Starke Gerüche wie Zigarettenrauch oder Parfum sollte man im Umgang mit ihnen jedoch vermeiden, ansonsten genügen zwei Meter Abstand vom Nest und langsame Bewegungen, um nicht gestochen zu werden“, erklärt der Experte. Er selbst habe das mit einem Projekt auf eigene Faust erforscht. Dabei habe er etwa 15.000 Wespen auf seinem Balkon angesiedelt und deren Verhalten dokumentiert. „Am Ende konnte ich gemütlich auf meinem Balkon sitzen, essen und trinken, ohne von den Wespen groß beachtet zu werden“, erklärt Dibiasi begeistert.
Natürliche Schädlingsbekämpfung
Für die Landwirte in der Umgebung stellte sich vermutlich anschließend ein weiterer positiver Nebeneffekt ein: „Ihr Ertrag dürfte sich gesteigert haben!“, mutmaßt Wolfgang Dibiasi. Denn Wespen füttern ihre Larven mit Läusen und Raupen, also sogenannten Schädlingen in der Landwirtschaft. Diese verfüttern sie an ihre Larven. „Sogar der Pestizid-Einsatz kann durch das Vorhandensein einer Wespen-Kolonie verringert werden“, betont der Biologe und erklärt weiter: „Sie nehmen außerdem eine wichtige Rolle beim Bestäuben ein. Generell kann man sagen, dass sie sogar eine wichtigere Rolle als Bestäuber einnehmen als Bienen.“ Das liege daran, dass die vielen verschiedenen Wespenarten jeweils andere Blüten bevorzugen, in ihrer Gesamtheit aber ein sehr breites Spektrum abdecken. „Sie werden leider vielfach in ihrer Relevanz für die Landwirtschaft und Umwelt unterschätzt“, gibt der Fachmann zu bedenken.
Wundermittel Gift
Spannend findet der Biologe vor allem auch das Gift der Wespen: „Medizinische Studien haben ergeben, dass es gegen Arthritis hilft.“ Überhaupt sei Gift eines der Hauptgründe, weshalb er so fasziniert von Insekten und Kriechtieren sei. „Allein schon die Entstehung von Gift in der Evolution an sich ist spannend, dann der Einsatz als Kampfstoff innerhalb der Tierwelt und schlussendlich noch die überaus vielfältigen Wirkungsweisen außerhalb davon!“, begeistert sich Wolfgang Dibiasi. Daher liege ihm besonders die Aufklärungsarbeit über diese Tiere am Herzen. Über seinen YouTube-, Facebook- und Instagram-Kanal möchte er auch die Landwirte und Landwirtinnen in Südtirol dafür sensibilisieren. Vor allem damit diese in Zukunft, wenn sie etwa ein Wespennest bei sich entdecken, es nicht einfach zerstören, sondern die Vorteile der neugierigen Insekten erkennen und schätzen lernen. „Vielen Menschen erscheint es bedrohlich und lästig, wenn eine Wespe um sie herumschwirrt, dabei macht sich diese lediglich ein Bild von ihrer Umgebung und zieht wieder ab, wenn man sie in Ruhe machen lässt“, versucht Wolfgang Dibiasi zu überzeugen. Seien Speisen und Getränke im Spiel, könne man die Wespen etwas entfernt mit etwas „Süßem“ vom eigentlichen Mahl weglocken.
Biodiversität steigern
Ähnlich wie mit den Wespen ist es auch mit Schlangen: Ihnen begegnen die meisten ebenso mit großer Abscheu oder gar panischer Angst. Auch das ist laut Dibiasi völlig unbgründet. In der Regel sind Schlangen sehr scheu und schleichen sich davon, wenn sie sich bedroht fühlen. Noch dazu sind sie durchaus nützlich. „Besonders im Hinblick auf die Biodiversität in Südtirols Kulturlandschaften – vor allem auch im Obst- und Weinbau – gibt es noch deutlich Luft nach oben“, kritisiert der Experte und fährt fort: „Schon allein die Errichtung geeigneter Rückzugsorte für Insekten und Reptilien, wie beispielsweise durch eine Trockenmauer, macht einen großen Unterschied und kann helfen, die Artenvielfalt erheblich zu steigern.“ Wolfgang Dibiasi hat vor seinem Biologie-Studium an der Universität Innsbruck, die Landwirtschaftsoberschule in Auer besucht und daher auch einen umfassenden Einblick in Südtirols Landwirtschaft erhalten. In den nächsten Jahren sieht er seine Aufgaben verstärkt als Influencer und Aufklärer.
Er möchte aktiv mit den verschiedensten Menschen daran arbeiten, Vorurteile gegenüber Insekten und Reptilien abzubauen: „Abenteuer habe ich schon genug erlebt, wobei es natürlich im Nachhinein schon immer toll und spannend ist, davon erzählen zu können", schmunzelt der sympathische Experte und erzählt von seinem gefährlichsten Abenteuer überhaupt: „In Costa Rica sah ich mich plötzlich von vielen Spitzkopf-Krokodilen umgeben. Damit meine Nachwelt erfährt, was im schlimmsten Fall mit mir passiert ist, habe ich meine Kamera zum Fotografieren ein paar letzter Fotos gezückt. Daraufhin sind sie glücklicherweise wieder verschwunden." Die Forschung hingegen will Wolfgang Dibiasi weiterhin intensivieren, denn in den verschiedenen Kräutern und Pflanzen stecke ebenfalls unglaublich viel Potenzial – vor allem auch aus medizinischer Sicht. „Hier lässt sich sicher noch das eine oder andere Wundermittel finden“, fügt er augenzwinkernd hinzu.

Wolfgang Dibiasi mit seinem Lieblings-Haustier – einem Python.