„Einfach wieder rausgehen“
Angelika Rederlechner ist Pädagogin und Naturvermittlerin aus Ahornach. Im Interview spricht sie über ihr neues Buch „Mit der Natur lernen, wachsen, leben“ – eine Einladung an Familien, wieder mehr Zeit draußen in der Natur zu verbringen.
Angelika Rederlechner ist eine von zwei Pädagoginnen, die für die Sozialgenossenschaft „Mit Bäuerinnen lernen wachsen leben“ tätig sind und vor allem die Tagesmütter der Genossenschaft in ihrer Tätigkeit unterstützen. In kurzer Zeit und mit viel Leidenschaft hat Rederlechner ein Buch erstellt, das auch im Mittelpunkt der aktuellen Folge des Podcasts „Zuaglost“ steht. Das folgende Interview ist eine Zusammenfassung des Gesprächs …
Südtiroler Landwirt: Frau Rederlechner, Sie haben ein Buch geschrieben mit dem Titel „Mit der Natur lernen, wachsen, leben“. Wie kam es dazu?
Angelika Rederlechner: Entstanden ist die Idee aus meiner täglichen Arbeit mit Tagesmüttern und meiner eigenen Erfahrung als Tagesmutter. Ich habe selbst neun Jahre lang als Tagesmutter Kinder betreut und dabei erlebt, wie wertvoll Naturerfahrungen sind. Daraus ist eine große Wertschätzung für das Draußensein mit Kindern entstanden. Mit dem Buch möchte ich zeigen, wie viel Gutes im Einfachen liegt – und auch die wertvolle Arbeit der Tagesmütter sichtbar machen, die oft still und bescheiden so viel leisten.
Was war Ihnen bei der Entstehung besonders wichtig?
Mir ging es darum, etwas zu schaffen, das praxisnah ist. Nichts Konstruiertes, sondern ein Buch, das aus dem Alltag kommt. Viele der Ideen stammen aus meiner eigenen Betreuungspraxis, aber auch aus dem reichen Erfahrungsschatz der Tagesmütter, die ich begleite. Alles, was im Buch steht, wurde schon einmal gemacht – es ist machbar, umsetzbar, erprobt. Und es soll den Blick öffnen für das, was oft unbemerkt bleibt: die kleinen Momente im Alltag, die große Wirkung haben.
Was ist die zentrale Botschaft des Buches?
Es ist eine Einladung, wieder mehr nach draußen zu gehen. Ohne großes Programm, ohne Leistungsdruck. Kinder brauchen nicht unbedingt immer durchorganisierte Events, sondern Zeit und Raum, um die Natur mit allen Sinnen zu erleben. Das Buch zeigt, wie einfach das sein kann. Und wie groß die Wirkung trotzdem ist. Es soll Mut machen, einfach wieder rauszugehen und sich von der Natur inspirieren zu lassen.
Sie richten sich mit Ihrem Buch aber nicht nur an Tagesmütter?
Nein, es richtet sich an alle: Familien, Pädagoginnen und Pädagogen, Großeltern, Naturbegeisterte. Die Impulse im Buch sind niederschwellig, kreativ und ohne großen Aufwand umsetzbar. Es soll Mut machen, ohne zu belehren. Ich sehe es als Einladung, kleine Schritte zu wagen, die große Wirkung haben. Und es bietet viele verschiedene Zugänge, damit jede und jeder etwas für sich findet.
Wie definieren Sie Naturpädagogik?
Naturpädagogik bedeutet für mich, mit und von der Natur zu lernen. Es geht um ganzheitliche Erfahrungen: mit allen Sinnen sehen, hören, tasten, riechen. Und es geht auch darum, das eigene Tempo zu finden. Naturerlebnisse fördern Konzentration, Kreativität, soziales Miteinander und Resilienz. Das ist nicht meine Erfindung – das ist vielfach wissenschaftlich belegt. Und es ist für alle zugänglich, die bereit sind, sich darauf einzulassen.
Was heißt das konkret im Alltag?
Dass Kinder sich wieder frei bewegen dürfen, barfuß durch den Garten laufen, mit dem Regen spielen, einen Marienkäfer beobachten. Es geht um echte Erlebnisse, nicht um inszenierte Angebote. Wir Erwachsenen müssen den Raum schaffen und das Vertrauen haben, dass die Kinder ihren Weg finden. Oft braucht es gar nicht viel – manchmal genügt ein umgefallener Baum oder ein Wasserlauf, um stundenlang zu spielen und zu lernen.
Das Buch ist ja nach den vier Jahreszeiten gegliedert. Warum haben Sie diesen Aufbau gewählt?
Jede Jahreszeit bringt ihre eigenen Themen und Impulse. Im Frühling geht es viel ums Hören – Vogelstimmen, Bienensummen, selbst gebaute Naturinstrumente. Der Sommer ist farbenfroh: Wir experimentieren mit Blumenfarben. Im Herbst liegt der Schwerpunkt auf Sammeln, Verarbeiten, Kochen. Und im Winter geht es ums Zur-Ruhe-Kommen, Geschichtenerzählen, Beobachten. So entsteht ein Jahreskreis, der das Naturerleben strukturiert und vertieft.
Können Sie Beispiele aus Ihrem Buch nennen, die zu den vier Jahreszeiten passen?
Gerne. Im Frühling gibt es eine Aktivität, bei der Kinder mit Rasseln und Trommeln aus Naturmaterialien gemeinsam mit den Vögeln ein Konzert veranstalten. Im Sommer lernen wir die Farben der Blumen kennen, indem wir sie mit Stoffen und Hämmern sichtbar machen. Im Herbst gibt es Rezepte mit gesammelten Beeren oder Kastanien. Und im Winter liegt man gemeinsam unter einer Decke, lauscht einer Geschichte und schaut, wie Schneeflocken tanzen. Es sind einfache Dinge, die berühren und verbinden.
Was finden die Leserinnen und Leser noch im Buch?
Es gibt Gedichte, Lieder, Geschichten, kreative Impulse, Rezepte, Sinnesübungen, kleine Bastelideen und Achtsamkeitstraining. Zum Beispiel das Interview mit einem Frosch, bei dem Kinder auf spielerische Weise Naturwissen erarbeiten. Oder Lieder, deren Texte angepasst wurden, um den Jahreskreis zu begleiten. Und es sind auch wunderschöne Bilder dabei, die Lust machen, sofort loszulegen. Alles ist so gestaltet, dass es sofort anwendbar ist, ohne große Vorbereitung.
Was ist Ihr persönlicher Lieblingsbeitrag?
Die Antwort auf diese Frage ist naturgemäß nicht einfach, es wäre ja fast so, als ob man eine Mutter fragt, welches Kind ihr das liebste ist (lacht …). Ich mag besonders die Geschichten und Gedichte, die kleinen Reime, die man gut in den Alltag einbauen kann. Aber auch die Idee, einfach in der Wiese zu liegen und zu beobachten, was passiert – das ist etwas ganz Ursprüngliches. Genau darum geht es: um die kleinen, stillen Momente. Oft sind es diese einfachen Erfahrungen, die lange nachwirken.
Wie ist das Buch erhältlich?
Im gut sortierten Buchhandel, online und direkt bei der Sozialgenossenschaft „Mit Bäuerinnen lernen wachsen leben“. Dort gibt es auch weitere Informationen. Wir hoffen, dass das Buch viele Menschen erreicht, die Lust haben, mit Kindern wieder mehr in die Natur zu gehen.

Das Buch ist im Buchhandel und online erhältlich.
Wie unterscheiden sich Stadtkinder von solchen, die auf dem Land aufwachsen? Haben beide den Kontakt zur Natur gleich nötig oder haben sie unterschiedliche Bedürfnisse? Antworten darauf liefert das komplette Gespräch mit Angelika Rederlechner in der neuen Folge des Podcasts „Zua-glost“ unter dem Link zuaglost.podigee.io und auf allen gängigen Podcast-Plattformen.
