Manchmal braucht es Überwindung, ein leeres Blatt mit Worten zu füllen. Das Seminar „Lebenserinnerungen festhalten“ soll hierbei helfen.

„Es ist wie Puzzle machen“

Markus Zwerger hat mit Anfang 20 das Leben seines Großvaters im Buch „Opa, erzähl mir!“ festgehalten. Was als ­Herzensprojekt begann, zeigt sich als Schatz für die ganze Familie – und als Inspiration für andere.

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Leben

Schon früh wusste Markus Zwerger, dass die vielen Erzählungen seines Großvaters nicht verloren gehen sollten. „Mein Opa hat immer gesagt: ,Ich könnte mit meinem Leben ein Buch schreiben‘“, erzählt der junge Autor. Gemeinsam im selben Haus aufgewachsen, hörte er viele der spannenden Geschichten seines Opas – und beschloss, sie allmählich aufzuschreiben. So entstand das Werk „Opa, erzähl mir!“, das heute nicht nur in der Familie geschätzt wird, sondern auch weit darüber hinaus Interesse weckt. Neben seiner Ausbildung zum Ergotherapeuten arbeitet er bereits an einem weiteren Projekt – diesmal über seine Großmutter. „Ich habe noch einige Ideen im Kopf“, sagt er schmunzelnd.

Familiengeschichte als Schatz
Die Begeisterung für Lebensgeschichten entstand bei Markus aus der Nähe zu seinem Opa. Durch das Schreiben konnte er inte­ressante Zusammenhänge sichtbar machen: „Durch die Erzählungen der Großeltern versteht man, warum die Eltern und damit man selbst auf gewisse Weise erzogen wurde.“ Die Rückmeldungen der Familie zum Buch fielen durchwegs positiv aus. Besonders jene Cousinen und Cousins, die nicht mit den Großeltern zusammenlebten, entdeckten unbekannte Details. „Einige waren überrascht, was es noch alles zu erfahren gab.“ Ob er es wieder genauso machen würde? „Größtenteils ja“, sagt Zwerger. Heute würde er bei manchen Fragen wohl noch hartnäckiger nachhaken. „Im Nachhinein fallen einem immer Dinge ein, die man gerne noch gefragt hätte.“

Ein Seminar als Anstoß
Im Dezember gibt Zwerger sein Wissen im Seminar „Lebenserinnerungen festhalten“ gemeinsam mit Co-Referentin Michaela ­Falkensteiner weiter (s. aktuelle Ausgabe Nr. 19 /Veranstaltungen S.31). Dort stellt er sein Buch vor und möchte andere motivieren, eigene Familiengeschichten aufzuschreiben. Sein wichtigster Tipp: Geduld haben. „Es ist wie Puzzle machen. Am Anfang ordnet man die Geschichten chronologisch, vieles habe ich auch aufgezeichnet, damit nichts verloren geht.“ Mit einfachen Alltagsfragen zu beginnen, helfe dabei, Hemmschwellen abzubauen. Manchmal können Erzählungen auch belasten. Doch auch hier weiß Zwerger einen Weg: „Darüber sprechen! So kann die Last in der Familie geteilt werden.“ Eine besondere Herausforderung war für den Autor die Übersetzung einiger Dialekt-Ausdrücke ins Hochdeutsche. Manche Wortwendungen lassen sich schwer ins Hochdeutsche übertragen. „Das Wort ‚znicht‘ zum Beispiel. Ich habe es mit ‚böswillig‘ übersetzt, aber es trifft die Bedeutung nicht ganz.“ Deshalb sei es oftmals auch besser, bestimmte Aussagen im Original zu belassen und ihre Bedeutung in Fußnoten zu erläutern.

Bedeutungsvolles Brauchtum
In Bezug auf typische Bräuche sieht Zwerger einen besonderen Wert im Festhalten von Erinnerungen: „Man versteht, warum gewisse Bräuche gepflegt wurden, und erkennt ihre Relevanz.“ Gleichzeitig sei es beruhigend zu wissen, dass bestimmte Handlungen seit Generationen Bestand haben. „So kann man Dinge nicht nur weitergeben, sondern auch ganz bewusst weiterführen – von den Großeltern über die Eltern bis hin zu den  eigenen Kindern.“ 

Markus Zwerger hat die Erinnerungen seines Opas in einem Buch festgehalten.

Schreibblockaden überwinden – Interview mit Michaela Falkensteiner

Südtiroler Landwirt: Frau Falkensteiner, Sie halten gemeinsam mit Markus -Zwerger das Seminar „Lebenserinnerungen festhalten“. Was ist Ihr Zugang zu diesem Thema?
Michaela Falkensteiner:
Durch meine Arbeit als Journalistin und Schreibtherapeutin bin ich schon sehr oft mit Biografien in Berührung gekommen. Vor allem durch die Organisation von Schreibwerkstätten im Altersheim, wo es oft darum geht, durch das Aufschreiben Frieden mit der eigenen Vergangenheit zu schließen.

Welche Schwerpunkte möchten Sie beim Seminar setzen?
Ich werde ein Impulsreferat über die Relevanz des Aufschreibens halten. Zusätzlich sollen konkrete Übungen helfen, die oft vorhandene ,Angst vor dem weißen Blatt' zu verlieren.

Viele Menschen fühlen sich unsicher, Erinnerungen in Worte zu fassen. Welche praktischen Tipps geben Sie, um leichter ins Schreiben zu kommen?
Grundsätzlich gilt: Wer sprechen kann – kann auch schreiben. Es gibt aber durchaus Hilfsmittel, ein Diktiergerät zum Beispiel. Ein weiterer Tipp ist, nicht auf Rechtschreibung und Grammatik zu achten, sondern einfach draufloszuschreiben. Zu guter Letzt kann eine Einteilung in Lebensabschnitte helfen zu beginnen.

Erinnerungen können manchmal auch belastend sein. Wie kann man im Prozess des Aufschreibens gut mit schwierigen Themen umgehen?
Das ist sehr individuell und von Person zu Person verschieden. Eine pauschale Antwort ist hier kaum möglich. Oft wirkt schon der eigentliche Schreibprozess wie ein Ventil und kann helfen.

Welche Methoden haben sich aus Ihrer Sicht bewährt, um besonders lebendige Details oder persönliche Geschichten ans Licht zu bringen?
Mit echtem Interesse an der Person und deren Geschichte kann man oft sehr viel Persönliches in Erfahrung bringen. Wichtig ist dabei, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Man darf ruhig den Mut haben, viele Fragen zu stellen, sollte aber gleichzeitig
darauf achten, nicht wertend auf die Antworten zu reagieren.

Sollte man niedergeschriebene Erinnerungen eher im Familienkreis behalten, digital archivieren oder auch in Form von Büchern veröffentlichen?
Auch das ist von Fall zu Fall verschieden. Am besten man definiert innerhalb der Familie, wie mit Lebenserinnerungen umgegangen werden soll. 

Haben Sie noch einen abschließenden Tipp?
Jede Geschichte ist es wert, aufgeschrieben zu werden! Man kann sich dabei ruhig Zeit lassen, denn es soll gleichzeitig auch Spaß machen. Außerdem gilt: Weniger ist mehr. Auch kleine Episoden aufzuschreiben, nehmen die Hürde zum Beginnen.

Michaela Falkensteiner hat viele Ratschläge, um Schreibblockaden zu meistern.

Evelyn Gafriller

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