Frauen, traut’s enk!
Frauenpower in Reschen: Die Bauernbund-Ortsobfrau Erika Kaserer hat dort das Sagen. Sie ist jung, aktiv, redet gern Klartext und weiß, was sie will. Im Gespräch mit dem „Südtiroler Landwirt“ spricht sie über Familie, Engagement und Courage. Auch darüber, dass Frontalunterricht inzwischen passé ist.
Erika Kaserer ist gebürtige Martellerin, kam aber schon als 16-Jährige ins Vinschger Oberland, um hier zu arbeiten. Nachdem sie ihren Mann kennenlernte, zog sie endgültig dorthin. Inzwischen ist sie dreifache Mutter und bewirtschaftet gemeinsam mit ihren Schwiegereltern und ihrem Ehemann den Braunviehbetrieb und bietet zwei Wohnungen für Urlaub auf dem Bauernhof an.
Doch damit nicht genug: Sie ist auch die einzige amtierende Ortsobfrau im Südtiroler Bauernbund. Worauf es in dieser Rolle ankommt, weiß sie bereits seit Bauernjugend-Zeiten, als sie in Martell bei der SBJ tätig war. Sie wechselte dann in die SBJ des Oberlandes und ist seit 2013 Mitglied des Südtiroler Bauernbundes. Der damalige Ortsobmann fragte Erika, ob sie bei den Ortsbauernratswahlen kandidieren wolle – und prompt wurde sie zur Ortsobfrau gewählt.
Früh übt sich
Wie erklärt sie sich diese fulminante Karriere? „Wahrscheinlich wurde ich angesprochen und gewählt, weil ich bereits bekannt war. Man wusste, wie ich ticke und was man von mir erwarten kann. Das hat sicher geholfen“, überlegt sie. „Wenn man sich bereits in jungen Jahren ehrenamtlich engagiert, dann steigen die Chancen, für weitere Ämter in Erwägung gezogen zu werden. Und, das muss ich auch sagen, es war gut, dass mich der Ortsobmann direkt angesprochen hat. Das fühlt sich schon fast wie eine Investitur an“, lacht sie.
Im Moment bestreitet sie ihr zweites Mandat: Hatte sie jemals aufgrund ihres Geschlechtes mit Vorurteilen zu kämpfen? „Auf keinen Fall. Wir sind im Ausschuss zu fünft und kommen wunderbar miteinander aus. Auch zu den anderen Ortsobmännern des Oberlandes habe ich ein gutes Verhältnis. Wir fahren auch immer gemeinsam zu des Sitzungen. Dass ich eine Frau bin, macht mich doch nicht anders. Und schließlich zählt der Zusammenhalt. Wir wissen, dass wir Lösungen finden müssen, und nachdem alle die eigene Meinung geäußert haben, wird gemeinsam auf das Ziel hingearbeitet. Anfeindungen oder Neid haben wirklich keinen Platz.“
Trotzdem: Erika ist die einzige Frau an der Spitze einer Ortsgruppe. Die Gründe? „Vielleicht weil die Frau zu Hause einfach mehr Arbeit erledigt und dementsprechend mehr eingespannt ist. Dazu kommt noch die Kinderbetreuung. Aber nichts ist unmöglich: Es braucht nur ein reibungsloses Zusammenspiel beider Partner, damit beide ihren Freiraum beibehalten können. Mein Mann ist selbst auch ehrenamtlich aktiv, z. B. im Ausschuss des Braunviehzuchtverbandes. Wir halten uns gegenseitig den Rücken frei, wenn wir für unsere Aktivitäten Zeit brauchen.“
Bloß keine Angst!
Was würde sie jungen Frauen und Männern sagen, die sich gerade überlegen zu kandidieren? „Traut’s enk! Angst zu haben, braucht man nicht. Wenn man mal Fehler macht, lernt man einfach draus. Wichtig ist, dass man ein gutes Händchen im Umgang mit anderen Menschen hat: nicht nur innerhalb der Ortsgruppe, sondern auch mit anderen Gremien und Vereinen – schließlich ist das Zusammenspiel wichtig. Junge Menschen könnten ,bärige‘ neue Ideen einbringen und die Atmosphäre auflockern: Der bei Sitzungen oft übliche Frontalunterricht ist längst überholt“, sinniert Erika. „Sitzungen sollen locker über die Bühne gehen. Wir halten z. B. unsere Absprachen oft bei einem gemütlichen Pizzaessen ab. Eine gelöste Atmosphäre lockert die Zunge und fördert die Inspiration. Auch wenn wir einmal im Jahr den bäuerlichen Gemeindereferenten einladen, geschieht das bei einem schönen Essen“, weiß sie zu berichten. Jede Ortsgruppe habe ein Budget, das sie u. a. auch zur Förderung solcher Initiativen einsetzen könne. Schließlich komme dies direkt oder indirekt allen zugute. Eine gelöste Atmosphäre und eine gute Gesprächskultur übe auch mehr Anziehungskraft auf potenzielle neue Funktionärinnen und Funktionäre aus, denn „hungrig und durstig kann man keine guten Entscheidungen treffen, aber bei einer Marende und einem Glasl Wein schon eher“, meint Erika Kaserer augenzwinkernd.
Sie selbst braucht sich in der eigenen Familie keine Sorgen um den ehrenamtlichen Nachwuchs machen: „Eine meiner Gitschn spielt bereits bei der Musikkapelle“, erzählt Erika stolz. „Die andere kann es kaum erwarten, dass sie zur Bauernjugend gehen kann. Und der Bub weiß jetzt schon, dass er mal Bauer wird – und wer weiß, vielleicht auch Funktionär.“
Dieser Beitrag ist Teil des Leuchtturmprojekts LINSA2.0