KI in der Direktvermarktung
„Die Künstliche Intelligenz ist ein Werkzeug, das die Spielregeln neu schreibt. Wer heute noch ,Das betrifft mich nicht‘ sagt, wird leider vom Markt verdrängt“, sagen die Werbeexperten Niklas Pichler und Maximilian Grosseck. Das gilt auch für bäuerliche Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter.
Maximilian Grosseck und Niklas Pichler sind Gründer und Geschäftsführer der Grazer Werbeagentur StoryHof. Gemeinsam referieren die beiden bei der diesjährigen Direktvermarktertagung, die am 21. November im Rahmen der Agrialp im Konferenzzentrum der Messe Bozen stattfindet. Dabei geht es um das Thema, wie man als direktverarbeitender Landwirtschaftsbetrieb die Künstliche Intelligenz nutzen kann. Die beiden Fachleute erklären im Interview schon vorab, was KI kann – und was nicht. Was die großen Vorteile dieser neuen Technologie sind und wo man vorsichtig sein sollte.
Südtiroler Landwirt: Herr Grosseck, was versteht man grundsätzlich unter Künstlicher Intelligenz?
Maximilian Grosseck: Laut der Definition des Europäischen Parlaments ist „Künstliche Intelligenz die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren“.Ich finde, diese Definition trifft es ziemlich gut – weil sie klarmacht, dass KI kein „Wunderwesen“ ist, sondern ein technisches System mit Lernfähigkeit. Für die Praxis würde ich’s so erklären: Künstliche Intelligenz ist wie ein extrem fleißiger Lehrling – nur ohne Pause, ohne Schlaf und ohne Ahnung von Realität. Sie kann wahnsinnig viel, man muss ihr aber sagen, was und wie. Sie denkt nicht, sie kombiniert nur. Wer sie richtig einsetzt, kann unglaublich effizient werden – wer sie blind laufen lässt, kriegt halt Mist in digitaler Form zurück.
Welche Tools können für Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter sinnvoll und brauchbar sein? Und in welchen Bereichen sind sie jeweils einsetzbar?
Für viele Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter ist ChatGPT aktuell das Schweizer Taschenmesser unter den KI-Tools – vielseitig, schnell und fast überall einsetzbar. Wer schon mit Google arbeitet, ist mit der KI Gemini gut beraten. Und dann gibt es Canva, das mittlerweile fast Pflicht ist: Die KI-Funktionen dort sind für viele eine echte Erlösung, weil man damit schon sehr gute Ergebnisse bekommt, ohne gleich für kleinere Tätigkeiten eine Werbeagentur haben zu müssen, vor allem falls man finanziell nicht so viele Ressourcen hat. Einsatzbereiche gibt es reichlich: Einladungstexte für das nächste Hoffest lassen sich in ChatGPT schreiben und in Canva gestalten. Ein Aushang am Regal im Hofladen – etwa „Warum es diesen Monat keine Eier gibt“ – lässt sich automatisch als A4-Plakat generieren. Social-Media-Postings können direkt auf Basis eines Fotos erstellt werden – die Künstliche Intelligenz erkennt, was drauf ist, und schreibt gleich den passenden Text dazu. Oder Produktbeschreibungen für das eigene Käsesortiment: einfach Stichpunkte eingeben und sich Text, Preisempfehlung und Flyer-Entwurf erstellen lassen. Das sind alles Dinge, die früher viel Zeit, Geld und manchmal auch Nerven gekostet haben – heute geht’s mit ein paar Klicks.
Wie können Bäuerinnen und Bauern mit Künstlicher Intelligenz Zeit sparen? Können Sie ein paar konkrete Tipps geben?
Alles, was sich wiederholt, frisst Zeit – und genau da ist KI stark: Rechnungen benennen, E-Mails beantworten, Social-Media-Posts vorbereiten oder Rezeptideen ausspucken – das läuft automatisiert und spart Stunden. Ich nenne ein paar Beispiele aus der Praxis. Nehmen wir die E-Mail-Korrespondenz: Standardanfragen lassen sich über ein eigenes GPT-Modell beantworten, das die betriebsspezifischen Infos kennt. Oder Übersetzungen: Produktinformationen kann man einfach zwischen Deutsch und Italienisch hin- und herübersetzen lassen. Auch für Rezeptideen ist die KI hilfreich: Damit kann man saisonale Rezeptkarten für Flyer oder Verpackungen automatisch generieren lassen.
Wie kann die KI dabei helfen, Fehler zu finden oder zu vermeiden?
KI ist ein Meister im Mustererkennen. Sie sieht, wenn etwas nicht passt – egal ob bei Buchungen, Produkttexten oder Social-Media-Statistiken. Aber: Sie ist kein Experte für Lebensmittelkennzeichnung. Wenn’s um gesetzliche Vorgaben, Kennzeichnungspflichten oder HACCP geht, ist Vorsicht angesagt. KI hat nämlich die Tendenz, Lücken mit Fantasie zu füllen – und das ist im Lebensmittelrecht so hilfreich wie ein kaputtes Thermometer im Kühlhaus. In Bereichen wie HACCP, Ausarbeitung von technischen Datenblättern (scheda tecnica) braucht es wieder Menschen mit Ahnung.
Herr Pichler, worauf muss man achten, wenn man mit Künstlicher Intelligenz arbeitet? Wo liegen die Knackpunkte?
Niklas Pichler: Der größte Fehler ist zu glauben, die KI weiß alles. Tut sie nicht. Sie weiß, was sie schon mal irgendwo gelesen hat – und erfindet den Rest. Das nennt man Halluzination. Und die kann teuer werden, wenn’s um Etiketten, Kennzeichnungen oder rechtliche Themen geht. Was ebenfalls nicht vergessen werden darf: KI kann nicht zugeben, dass sie etwas nicht weiß. Sie füllt also alle Lücken und – wenn es sein muss – auch mit Fehlinformationen. Dazu kommt das Urheberrecht: Wenn eine KI deinen Markennamen oder Slogan „erfindet“, dann gehört dieser rechtlich der Maschine – also nicht dir. Aber um wirklich sicherzugehen, muss ein genauer Blick auf die unterschiedlichen Nutzungsrechte geworfen und rechtliche Auskunft eingeholt werden.
Was sind die großen Vorteile, wenn man Künstliche Intelligenz einsetzt?
Ganz klar: Geschwindigkeit und Qualität.Mit KI lassen sich Dinge umsetzen, für die man früher die Auskunft von Profis brauchte – von Social-Media-Kampagnen über Plakate bis hin zu fotorealistischen Produkt-Mock-ups. Ein Handyfoto vom eigenen Produkt reicht, und die KI macht daraus ein professionelles, saisonal angepasstes Werbemotiv. Es wird weiterhin noch Werbeagenturen und dergleichen brauchen, aber die Schwelle bezüglich der Auslagerung kleinerer Aufgaben an die KI ist somit gebrochen. Die, die Künstliche Intelligenz clever einsetzen, sind schneller, kreativer und einfach öfter im Gespräch. Die anderen diskutieren noch, ob das „echt“ ist oder „menschlich genug“. Währenddessen zieht der Markt vorbei. Und, Achtung: KI ist kein Feind! Die Künstliche Intelligenz ist wie der Traktor in der Industrialisierung: Am Anfang verpönt, dann unverzichtbar.
Wie kann man sich Schritt für Schritt an die Thematik herantasten?
Klein anfangen. Einen Bereich nehmen – zum Beispiel Social Media oder Rezeptideen – und dort bewusst ausprobieren. Um die Grenzen austesten zu können, gerne einen Bereich nehmen, wo man selbst Experte ist und gezielt hierzu Fragen stellen! Wichtig: Nicht alles gleichzeitig digitalisieren wollen. Und: Neugierig bleiben! KI ist kein Hexenwerk, sie ist nur ein Werkzeug. Wer sie versteht, spart Zeit und Geld. Wer sie ignoriert, spielt in fünf Jahren vielleicht noch mit, aber nicht mehr vorne. Lassen Sie uns noch einen Schlussgedanken anstellen: Die Künstliche Intelligenz ist keine Bedrohung für die Landwirtschaft – sie ist ein Werkzeug, das die Spielregeln neu schreibt. Wer heute noch sagt „Das betrifft mich nicht“, wird leider vom Markt verdrängt. Wir stehen mit der Künstlichen Intelligenz heute da, wo wir schon einmal standen – als das Internet gekommen ist. Damals hat es ganze Branchen umgekrempelt, neue Vertriebswege geschaffen und alte Gewohnheiten pulverisiert. Heute passiert das Gleiche wieder – nur schneller, intelligenter und mit mehr Reichweite. KI ist die nächste große Disruption nach dem Internet. Wer sie versteht, gestaltet Zukunft. Wer sie ignoriert, wird gestaltet.
Niklas Pichler (l.) und Maximilian Grosseck sind Referenten der Direktvermarktertagung 2025.