Kräfte gegen den Käfer bündeln!
Wie es mit der Borkenkäferplage in Südtirols Wäldern weitergeht, hängt von den kommenden Monaten ab. Je mehr befallenes Holz aus den Wäldern verschwindet, umso eher bekommt man den Schädling in Griff. Das wurde vergangene Woche bei einem Webinar des Südtiroler Bauernbundes deutlich.
Am Ende des rund zweieinhalbstündigen Webinars redete Bauernbund-Direktor Siegfried Rinner den Anwesenden mit aller Deutlichkeit ins Gewissen: „Die Ortsbauernräte und die Forststationen haben nach dem Sturm Vaia eindrucksvoll bewiesen, dass sie sich vor Ort rasch und zielführend abstimmen können. Diese Abstimmung braucht es auch jetzt wieder, denn für den weiteren Verlauf der Borkenkäferplage sind die kommenden Monate entscheidend!“. Es gehe konkret darum, vor Ort abzuklären, welche Bäume aus den Wäldern zu entnehmen sind, wie der Abtransport funktioniert und wie die Aufforstung vonstatten gehen soll. „Diesen Austausch wollen wir auch als Bauernbund vorantreiben“, betonte Rinner.
Rund 700 Teilnehmer hatten sich online zum Webinar mit dem Titel „Borkenkäferbefall in Südtirols Wäldern – was ist zu tun?“ versammelt. Einleitend wies Franz Locher, Landtagsabgeordneter und Vorsitzender des Bauernbund-Arbeitskreises Wald, Holz und Almen, auf die prekäre Lage in den heimischen Wäldern hin. Dass das Problem so akut ist, habe zum einen mit dem Klimawandel zu tun, zum anderen auch mit der Zusammensetzung der Wälder: „Die Fichte ist die vorherrschende Baumart, weshalb das Auftreten des Fichtenborkenkäfers verheerende Folgen hat.“ Über die Hälfte des Südtiroler Waldes sei Standortschutzwald, ein gutes Viertel Objektschutzwald. „Wenn wir diese Wälder wegen des Borkenkäfers verlieren und durch Schutzbauten ersetzen müssen, dann kommen enorme Kosten auf uns zu“, erinnerte Locher und verwies auf die Anhörung mit drei Experten Ende November im Südtiroler Landtag.
Oswald Angerer, der Obmann des Landesverband der Eigenverwaltungen B.N.G. Südtirols, erinnerte daran, dass ein Viertel des Südtiroler Waldes den Eigenverwaltungen gehöre und diese daher ein großes Interesse an dessen Erhalt hätten.
„Saubere Waldwirtschaft“ bleibt beste Lösung
Günther Unterthiner, Direktor der Landesabteilung Forstwirtschaft, stellte den aktuellen Stand der Dinge vor: „Wir gehen aktuell davon aus, dass rund 5400 Hektar Wald vom Borkenkäfer befallen sind. Zu Beginn des Jahres – als der Befall in den südlichen Nachbarregionen bereits sehr stark war – waren wir bei etwa 500 Hektar.“ Die Witterung im Frühjahr habe dazu geführt, dass es im Mai zu einer wahren Explosion an Käfern gekommen sei. „Diese haben dann im Laufe des Jahres jeweils im Abstand von sechs bis neun Wochen mehrere neue Generationen an Käfern gebildet“, berichtete Unterthiner.
Eine Zeitlang kann sich ein Baum gegen den Befall wehren. „Sind es aber mehr 250 Käfer pro Baum, bricht dieses Abwehrsystem zusammen und der Baum ist verloren“, berichtet Unterthiner.
Im kommenden Frühjahr sei bei ähnlicher Witterung wie in diesem Jahr wohl mit einem massiven Borkenkäferflug zu rechnen. „Der Käfer überwintert meist unter der Rinde, ab einer Temperatur von 16 Grad Celsius fliegt er aus. Es liegt nahe, dass dies umso weniger der Fall sein wird, je weniger befallenes Holz im Wald liegt“, erklärte Unterthiner. Daher sei die „saubere Waldwirtschaft“ nach wie vor die beste Lösung, also möglichst alles zu unternehmen, um befallenes Holz aus dem Wald zu bringen und es abzutransportieren.
„Es ist leider nicht leicht, ausreichend passende Lagerplätze zu finden, die mindestens 500 Meter vom Wald entfernt sind. Die Alternative besteht darin, die Bäume zu entrinden“, unterstrich Unterthiner. Insgesamt sei in den kommenden Jahren mit mehreren Millionen Kubikmetern Schadholz zu rechnen.
Bei den Maßnahmen zur Entnahme der befallenen Bäume und der folgenden Wiederaufforstung liege der Schwerpunkt auf dem Schutzwald. Bei der Wiederaufforstung sollten für den Standort passende Baumarten verwendet werden, auch die zu erwartende klimatische Entwicklung sei dabei zu beachten.
Einen Appell richtete Unterthiner an die Jägerinnen und Jäger: „Sie leisten durch die Wildregulierung einen immens wichtigen Beitrag dafür, dass die Wiederbewaldung auch funktionieren kann!“
Fördergelder als Anreiz
Um die Entnahme befallener Bäume voranzutreiben, gewährt das Land Südtirol eine Reihe von Förderbeiträgen, über die der „Südtiroler Landwirt“ auch bereits mehrfach berichtet hat (vgl. Ausgabe Nr. 16 vom 16.9.2022, S. 40): Für das Liegenlassen von sogenannten Fangbäumen gibt es 80 Euro pro Baum, der mindestens 20 Zentimeter Durchmesser haben muss. Für das Entrinden von im Wald verbleibendem Holz gibt es 40 Euro, für das Ablängen 20 Euro – jeweils pro Baum.
Zudem gewährt das Land eine Flächenprämie zur Schutzwaldpflege, und zwar je nach Hangneigung von 2000 bis 3000 Euro pro Hektar. Für die Aufforstung stellt das Land Pflanzen kostenlos zur Verfügung. „Leider läuft die Schadholzprämie in der bisherigen Form mit Jahresende aus, über die neue Prämie samt Kriterien und Höhe der Fördergelder muss noch verhandelt werden“, berichtete Unterthiner. Anspruchsberechtigt sind Waldeigentümer und -besitzer, die im Landesverzeichnis der landwirtschaftlichen Unternehmen eingetragen sind, Ansprechpartner ist das Landesamt für Bergwirtschaft (Tel. 0471 415360 , E-Mail: bergwirtschaft@provinz.bz.it).
Holzmarkt ist aufnahmefähig
Einen Blick auf den lokalen und den internationalen Holzmarkt warfen beim Webinar Hans Kaufmann, Vorsitzender der Genossenschaften der Südtiroler Sägewerke, und Andreas Kogler, Geschäftsführer von Papierholz Austria. Letzterer berichtete, dass der internationale Markt durchaus aufnahmefähig für neues Holz sei: „Im ersten Halbjahr gab es am mitteleuropäischen Holzmarkt sehr gute Preise. Seit Juni gab es zwar an in der Sägeindustrie einen Einbruch. Die Entwicklung bei Papier und anderen Nebenprodukten wie Pellets befindet sich aber weiter auf einem hohen Niveau.“ Südtirol müsse sich auf „mehrere extreme Borkenkäfer-Jahre“ einstellen und solle künftig mehr auf den Export von überschüssigem Schadholz setzen. „Das Problem, vor dem Südtirol steht, ist regional nicht lösbar. Dringend notwednig für den Export größerer Holzmengen ist aber der Aufbau einer geeigneten Logistik für den Abtransport“, betonte Kogler.
Hans Kaufmann erinnerte an die Kleinstrukturiertheit der heimischen Sägewerke. „In Südtirol werden derzeit rund 500.000 Festmeter pro Jahr geschlägert. Eine Steigerung dieser Menge ist zwar möglich, geht aber nicht von heute auf morgen“, betonte Kaufmann.
Bis zum Sturm Vaia sei das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage recht ausgeglichen gewesen, gefragt war bisher immer vor allem Qualitätsholz. Das habe auch zu einem traditionell hohen Preisniveau am Südtiroler Holzmarkt geführt. „Bei den zu erwartenden Schadholzmengen sind wir auf das Ausland als Abnehmer angewiesen“, räumte Kaufmann ein und erinnerte daran, dass Preisvergleiche zwischen Südtirol und dem Ausland schwierig bis unmöglich seien: „Es gibt grundlegende Unterschiede bei den Sortimenten, Preisabschlägen, Messmethoden und Zahlungsmodaliäten“, sagte Kaufmann.
Fernheizwerke: Einheitlicher Preis schwierig
Dass die Fernheizwerke bei der Verarbeitung des Schadholzes auch eine zentrale Rolle spielen, daran erinnerte Hanspeter Fuchs, der Präsident des Südtiroler Energieverbandes: „Wir haben bereits viel Schadholz angenommen und werden das auch weiterhin tun. Viele Fernheizwerke sind bereits massiv in Vorleistung gegangen und haben zum Teil große Lager angelegt, um den Waldbesitzern möglichst rasch ihr Geld auszahlen zu können.“
Ein einheitlicher Hackgut-Preis für alle Heizwerke sei schwierig umzusetzen, weil die Voraussetzungen in den einzelnen Landesteilen völlig unterschiedlich seien. „Wir versuchen stets, eine für alle Seiten gangbare Lösung zu finden“, versicherte Fuchs.