In der Landwirtschaft geht es darum, Nährstoffkreisläufe bestmöglich zu schließen und Verluste zu minimieren.

Kreisläufe schließen, aber wie?

Wie und wo Nährstoffe in der landwirtschaftlichen Produktion verloren gehen und wie man sie möglichst verlustarm im Kreislauf behalten kann, war Thema des dritten Südtiroler Bodensymposiums. Das Thema ist so global wichtig wie komplex, war man sich einig.

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Produktion

 

„Wir sprechen zwar von Nährstoffen, aber im Grunde geht es um Stickstoff und zu einem ­geringeren Teil auch um Phosphor“, sagte Jakob Santner vom Institut für Pflanzenernährung der Universität Gießen beim dritten Südtiroler Bodensymposium. Es fand im Rahmen der Landwirtschaftsmesse Agrialp statt und hatte regionale Wirtschaftskreisläufe zum Thema. Organisiert wurde es von der Freien Universität Bozen, dem Versuchszentrum Laimburg und dem Südtiroler Bauernbund. Jakob Santner sprach über die Herausforderung für die Landwirtschaft, Nährstoffkreisläufe zu schließen, und darüber, wie notwendig das für das globale Ökosystem ist. Denn weltweit gibt es viel zu viel Stickstoff­eintrag, mit entsprechenden Problemen für Gewässer und Böden. Dabei stechen vor allem Indien und China als Verursacher heraus, während sich Europa im Mittelfeld befindet. Afrika verschuldet kaum Eintrag. „Wir müssen Landwirtschaft betreiben, das ist keine Frage“, meinte Santner, „aber wir müssen daran arbeiten, Einträge zu reduzieren, indem wir Kreisläufe bestmöglich schließen und Verluste minimieren.“ Das könne durch eine Erhöhung der Nährstoffeffizienz wie durch funktionale Düngemittel bewerkstelligt werden, durch Nährstoffrecycling oder durch eine bessere Nährstoffeffizienz der Pflanzen. Allerdings sei das kein Züchtungsziel zurzeit, bedauerte Santner.

Die Wirtschaftsdüngerbörse
Das Thema Nährstoffkreisläufe nahm Marianne Kuntz von der Stabsstelle Nachhaltigkeit im Südtiroler Bauernbund auf. Der Bauernbund arbeitet bereits seit vier Jahren an einem Projekt namens INNONährstoffe. Ziel ist, den regionalen organischen ­Düngerkreislauf zwischen Viehhaltung (über Biogas-Anlagen oder frisch) einerseits und Obst- und Weinbau andererseits zu optimieren. Dafür wurden zunächst die Ist-Situation erfasst, dann die Potenziale erhoben und die Herausforderungen definiert. Schließlich sollen Lösungen erarbeitet werden, eine davon ist die sogenannte „Wirtschaftsdüngerbörse“, eine Online-Plattform, die Angebot und Nachfrage zusammenbringen soll. „Die Erhebungen von Angebot und Nachfrage waren aufwändig“, meinte Kuntz. Was aber klar wurde: Es gibt Viehbetriebe, die gerne Wirtschaftsdünger abgeben. Auf Abnehmerseite, bei Obst- und Weinbaubetrieben also, gibt es Bedarf. Die meisten düngen mit Handelsdüngern – mineralischen ebenso wie organischen. Was aber hindert sie daran, auf Wirtschaftsdünger ihrer Berufskollegen zurückzugreifen? Eine Umfrage hat ergeben, dass dabei die zeitliche Verfügbarkeit, die Qualität der Substrate, schwierige  rechtliche Auflagen, Kosten, arbeitswirtschaftliche Gründe und die mangelnde Steuerbarkeit der Nährstoffverfügbarkeit für viele potenzielle Abnehmer ein Hindernis darstellt. 
Lena Staffler von der Abteilung Innovation und Energie im Südtiroler Bauernbund stellte schließlich die Wirtschaftsdüngerbörse vor. Über die Online-Plattform des Südtiroler Bauernbundes sollen Anbieter und Abnehmer von Wirtschaftsdüngern einfach und direkt miteinander in Kontakt kommen. Im Moment wird sie programmiert, 2026 wird sie nutzbar. Andreas Hauser vom Hausergut in Schluderns ist Produzent und Abnehmer gleichermaßen: Er bewirtschaftet einen Mischbetrieb mit Vieh und Obstbau, seit 1995 ist er biozertifiziert. 20 Prozent des eigenen Wirtschaftsdüngers gehen direkt in die Obstanlagen, der Rest kommt zunächst in die Biogas-Anlage, bei der Hauser Mitglied ist, und wird dann auf den Feldern ausgebracht. „Die größte Herausforderung für mich ist die Logistik, sie nimmt Zeit in Anspruch“, meinte der Bauer. Dabei betrage die größte Distanz zu einer seiner Anlagen rund vier Kilometer, das sei aber schon grenzwertig. Die Biogas-Anlage Schluderns funktio­niere prinzipiell gut, meinte Hauser, die angelieferten Mengen unterliegen allerdings starken Schwankungen: Wenn beispielsweise Betriebe die Viehwirtschaft auflassen oder auf extensive Haltung umsteigen. „Dann brauchen sie ihren Wirtschaftsdünger selber und man muss mit Ko-Fermenten arbeiten, zum Beispiel mit Apfeltrestern.“ 

Zeit und Distanzen als Hemmnisse
An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen neben Andreas Hauser auch Antonia Widmann vom Südtiroler Apfelkonsortium, Andreas Kofler vom Konsortium Südtirol Wein, Manfred Gius von der Biogas-Anlage Wipptal BiWi, der Tierarzt Peter Gasser vom Dachverband für Natur- und Umweltschutz und die beiden Berater Eugen Tumler vom Beratungsring für Obst- und Weinbau und Thomas Prünster vom Beratungsring Berglandwirtschaft (BRING) teil. Thomas Prünster erklärte, dass der allgemeine Trend dahin gehe, dass weniger Tiere gehalten werden, weshalb die Verfügbarkeit von Wirtschaftsdüngern insgesamt abnimmt. Tendenziell werden hofnahe Flächen eher über- und hofferne eher unterversorgt. Biogas-Anlagen könnten hier einen Ausgleich schaffen. Manfred Gius unterstrich, dass die Biogas-Anlage nicht als Entsorgungsbetrieb verstanden werden dürfe: „Wir sind nicht für den Überschuss zuständig“, meinte er, die Mitglieder müssen mindestens 80 Prozent des Materials, das sie liefern, wieder abnehmen. In Schluderns und anderen Biogas-Anlagen im Land verlangt man sogar die volle Abholung.
Der Tierarzt Peter Gasser zeigte sich pessimistisch: Die Situation auf Andreas Hausers Betrieb und der Biogas-Anlage Schluderns sei wohl einzigartig für Südtirol. Die Viehwirtschaft sei sehr inhomogen, auf der einen Seite gebe es kleine extensiv wirtschaftende Betriebe, auf der anderen große intensive.  „Ich hege berechtigte Zweifel, dass wir in Südtirol mit den intensiven Betrieben die Nährstoffkreisläufe schließen können.“ Eugen Tumler sieht auf Abnehmerseite vor allem zwei Probleme: die zeitliche Verfügbarkeit und die Distanz zu den Anlagen. „Ich bin aber überzeugt, dass viel Interesse da wäre, wenn die Voraussetzungen passen.“ Dazu brauche es Lagerkapazitäten einerseits und kurze Wege andererseits. Antonia Widmann erklärte: „Mit dem Nachhaltigkeitskonzept ,sustainapple‘ reagiert man in der Obstwirtschaft auf die Anforderungen des Handels.“ Auch im Weinbau geht es um Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft. Besonders in Junganlagen sei organische Düngung wichtig, meinte Andreas Kofler. Allerdings komme man durch die Hanglagen und die kleinen Traktoren nur eingeschränkt als Abnehmer für Wirtschaftsdünger in Frage.
Nach einigen Fragen aus dem Publikum – es waren 95 Teilnehmerinnen und Teilnehmer von 30 Organisationen und Betrieben dabei – ging es in der Endrunde um die Maßnahmen, die als Nächstes folgen müssen, um von der Theorie ins Tun zu kommen. Neben der Wirtschaftsdüngerbörse wurden von den Expertinnen und Experten auch die Notwendigkeit von Lagerkapazitäten genannt. Zudem sei wichtig, dass Biogas-Anlagen möglichst professionell geführt werden, nur dann sei wirtschaftliches Arbeiten möglich. Und nicht zuletzt müssten rechtliche Aspekte wie der vorgeschriebene Abstand von Biogas-Anlagen zu Wohnhäusern von 500 Metern hinterfragt werden. „Wir sind wieder positiv überrascht, wie viel Interesse und Engagement es bei lokalen Stakeholdern aus Land- und Forstwirtschaft für das Thema Boden gibt“, unterstrich Tanja Mimmo am Ende der Veranstaltung. „Das Bodensymposium bietet Gelegenheit für einen offenen Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis und hat in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, eine lokale Community zum Thema Bodengesundheit zu schaffen.“ 

Renate Anna Rubner

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