„Reform ist wichtiger Fortschritt“
Was bedeutet die aktuelle Autonomiereform für Südtirol und seine Landwirtschaft? Über 320 Funktionäre und bäuerliche Mandatare nutzten bei einem Webinar am Montagabend die Gelegenheit, von Landeshauptmann Arno Kompatscher höchstpersönlich Antworten auf diese Frage zu erhalten.
Zum Webinar eingeladen hatte der Südtiroler Bauernbund, nachdem Kompatscher die Autonomiereform vor einigen Monaten im Landesbauernrat vorgestellt hatte (s. „Südtiroler Landwirt“ Nr. 12/2025, S. 4). Bauernbund-Direktor Siegfried Rinner freute sich über das große Interesse am Webinar: „Die größte Gefahr für unsere Autonomie ist die Gleichgültigkeit im eigenen Land. Das große Interesse stimmt mich zuversichtlich, dass den Südtirolerinnen und Südtirolern unsere Autonomie doch noch viel wert ist.“
Warum die aktuelle Reform notwendig wurde
Landeshauptmann Kompatscher erklärte, wie es zur aktuellen Reform der Südtirol-Autonomie kam: „Grundsätze wie der Proporz, die Verwendung der Muttersprache und der muttersprachliche Unterricht standen für den Verfassungsgerichtshof immer außer Frage. In anderen Bereichen hat er aber bereits in den 1990er-Jahren darauf beharrt, dass gewisse staatliche Grundsätze einzuhalten sind.“ Wirklich zum Problem habe sich das nach der Verfassungsreform von 2001 entwickelt. Dabei sollte diese Reform eigentlich ganz Italien föderalistischer machen und allen Regionen – nicht nur denen mit Autonomiestatut – mehr Befugnisse einräumen. „Der Verfassungsgerichtshof hat diesem neuen Föderalismus offenbar nicht getraut und einigen staatlichen Zuständigkeiten einen Querschnittscharakter zugestanden, was schrittweise zu einer Aushöhlung und Verschlechterung unserer Autonomie geführt hat“, erklärte Kompatscher. Zusätzlich habe der Staat in der Reform 2001 die Zuständigkeit für einen Politikbereich, den es beim ersten Autonomiestatut 1972 so noch nicht explizit gab, kurzerhand für sich beansprucht: Umwelt und Ökosysteme. „Die Probleme, die das für uns im Umgang mit dem Großraubwild mit sich gebracht hat, muss ich niemandem hier erklären“, erinnerte Kompatscher.
Die notwendige Reform der Autonomie habe sich aufgrund verschiedener Regierungs- und Wirtschaftskrisen und wegen der Corona-Pandemie immer wieder verzögert. „Auch ich war sehr skeptisch, ob das ausgerechnet mit einer Partei wie den Fratelli d’Italia, die immer als zentralistisch bekannt waren, gelingen würde. Dann aber hat Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in ihrer Regierungserklärung ausdrücklich versprochen, die Autonomie auf der Grundlage dessen, was 1992 in der Streitbeilegungserklärung mit Österreich Stand der Dinge war, wieder herzustellen.“
Was in den Verhandlungen erreicht wurde
Anfangs sollten die Statuten für alle fünf autonomen Regionen gemeinsam verhandelt werden. Als dieser Prozess ins Stocken geriet, gab Meloni grünes Licht für die Reform des Autonomiestatuts für Südtirol und das Trentino. „Wir haben in zähen Verhandlungen versucht, die Grenzen für unsere Autonomie zu entfernen oder zumindest aufzuweichen. Das ist uns zum Teil auch gelungen“, betonte Kompatscher. Bedeutend für die Landwirtschaft sei, dass die beiden Länder Südtirol und Trentino mit der neuen Reform die exklusive Zuständigkeit für den Bereich Umwelt und Ökosysteme erhalten – beim Großraubwild ausdrücklich auch jene für sicherheitspolitische Fragen. Und es sei festgelegt, dass Durchführungsbestimmungen auch dazu dienen können, mögliche Konflikte mit Verfassungsgerichtshof aus dem Weg zu räumen. Fortschritte gebe es auch bei der Einvernehmensklausel: „Bisher hatten wir bei Änderungen am Statut von Seiten des Staates nur die Möglichkeit, Gutachten abzugeben. Nun ist in einem ersten Schritt ausdrücklich das Einvernehmen mit uns notwendig. Kommt es nicht dazu, darf der Staat das Niveau der Autonomie nicht verschlechtern“, erklärte der Landeshauptmann. Einige Kompromisse habe man den Italienern zugestehen müssen, unter anderem die Senkung der Ansässigkeitsklausel für die Teilnahme an Wahlen von vier auf zwei Jahre.
Wie der aktuelle Stand aussieht
Schließlich ging Kompatscher auch auf den aktuellen Stand zur Genehmigung der Reform ein: „Die Abgeordnetenkammer hat in erster Lesung die Reform ohne Gegenstimme gutgeheißen, im Senat könnte sie – trotz laufender Haushaltsdebatte – noch in diesem Jahr ins Plenum kommen. Dann geht der Text wie vorgesehen an Österreich und muss noch einmal durch beide Kammern. Dass wir vor dem Sommer 2026 alles unter Dach und Fach haben, ist durchaus realistisch“, betonte Kompatscher. Dann gehe es an die konkrete Umsetzung: „Auch wenn manche Stimmen konsequent das Gegenteil behaupten: Diese Reform – wenn sie genehmigt wird – bedeutet für unsere Autonomie auf jeden Fall einen Fortschritt, aber auch neue Verantwortung für uns: Wir können uns in vielen Bereichen nicht mehr mit dem Verweis darauf rausreden, dass in Rom nichts weitergeht, sondern können und müssen selbst entscheiden.“ Natürlich müsse man weiterhin daran arbeiten, die Autonomie weiter auszubauen und neue Zuständigkeiten dazuzubekommen. „Die Arbeit an unserer Autonomie hört nicht auf, auch nicht mit dieser Reform!“, stellte Kompatscher klar. Direktor Rinner und Bauernbund-Landesobmann Daniel Gasser bedankten sich abschließend beim Landeshauptmann für seine anschaulichen Erklärungen und offenen Worte.
Landeshauptmann Kompatscher erklärte im Webinar die Inhalte der Autonomiereform.