„Vielseitigkeit ist unser Trumpf“
Zum sechsten Mal fand am Freitag im Kongresszentrum der Messe Bozen die Fachtagung für die bäuerliche Direktvermarktung statt. Dabei wurde klar: Direktvermarktung ist in Südtirol nach wie vor stark im Aufwind. Wer neu einsteigt, hat viele Dinge zu beachten, kann sich aber auch helfen lassen – mit professioneller Beratung genauso wie mit neuen Technologien.
Hans Josef Kienzl, der Leiter der Bauernbund-Abteilung Marketing, ging anfangs noch einmal auf die aktuellen Zahlen zur Direktvermarktung in Südtirol ein, die vom WIFO der Handelskammer Bozen erarbeitet und vor Kurzem vorgestellt wurden: „2024 hatten wir 610 bäuerliche Direktvermarkter in Südtirol, ein Drittel mehr als fünf Jahre zuvor. 77 Prozent davon sind Vollerwerbsbetriebe. Direktvermarktung hält unsere Landwirtschaft lebendig.“ Der Südtiroler Bauernbund versucht mit einer breiten Palette an Initiativen und Dienstleistungen, die Direktvermarkter bei ihrer arbeitsintensiven Tätigkeit zu unterstützen – mit Checklisten, Broschüren, einem Berater-Pool, der Direktvermarkter-Akademie, dem FarmFoodFestival und vielem mehr. Auch die Zusammenarbeit mit der Gastronomie klappe immer besser, „auch dank einer Gruppe von Spitzenköchen, die vorangehen und sich als Botschafter bäuerlicher Produkte profilieren“.
Michael Kaufmann, Landesobmann-Stellvertreter im Südtiroler Bauernbund, bezeichnete die Direktvermarktung als Königsdisziplin und Aushängeschild der Südtiroler Landwirtschaft: „Da wo die meisten Bäuerinnen und Bauern ihre Arbeit an andere abgeben, beginnt eure erst so richtig: bei der Vermarktung der Produkte. Dafür braucht es Tag für Tag viel Zeit, Geduld, Mut und Glück – umso höher ist euch euer Einsatz anzurechnen.“ Luis Walcher, Landesrat für Landwirtschaft und Tourismus, hob die enge Partnerschaft der beiden Sektoren hervor: „Es mag oft keine Liebeshochzeit sein, aber beide gehören zusammen, sie brauchen einander und kommen nur gemeinsam weiter.“ Lobende Worte hatte Walcher für die professionelle Beratung des Bauernbundes und das konsequente Qualitätsdenken der Direktvermarkter.
Viele konkrete Tipps, wie sich Direktvermarkter vor allem beim Marketing von Anwendungen mit künstlicher Intelligenz helfen lassen können, hatte Niklas Pichler von der österreichischen Agentur „StoryHof“ auf Lager: „Ihr seid Spezialisten darin, hervorragende Produkte herzustellen, das soll und kann euch niemand abnehmen. KI kann euch helfen, lästige Aufgaben wie Produktbeschreibungen, Fotos oder andere Marketing-Maßnahmen zu erledigen.“ Pichler erklärte, wie man mit wenigen Mausklicks aus Vorlagen neue Texte generieren, E-Mails beantworten, Social-Media-Posts erstellen und auch einfache Werbeflyer entwerfen kann. „All das kann euch helfen, euch auf eure eigentliche Arbeit mit euren Produkten zu konzentrieren.“ Einen Überblick über die Fördermöglichkeiten in der Direktvermarktung bot Walter Rier vom Südtiroler Bauernbund: „Wichtig ist es, frühzeitig ein konkretes Projekt zu haben und sich Kostenvoranschläge einzuholen. Und es ist grundlegend, vor Beginn jeglicher Baumaßnahmen anzusuchen, sonst ist eine Förderung nicht mehr möglich“, erklärte Rier. Die Ansuchen um Landesförderung laufen über die zuständigen Landesämter, Beratung und Information gibt es beim Südtiroler Bauernbund. Josef Fauster – seit zehn Jahren als Finanzierungsberater für den Bauernbund tätig – zeigte Wege auf, wie man als Einsteiger an die Finanzierung von Projekten herangeht: „Ein guter Businessplan ist wichtig für die Planung, aber auch eine der Voraussetzungen für das Gespräch mit dem Bankberater. Landwirte sind Unternehmer und sollten die eigenen Kennzahlen kennen und in die Planung einbeziehen. Je besser sie die Berater von der Zukunftsfähigkeit und Vergleichbarkeit des Projektes überzeugen können und je konkreter die Zahlen sind, die sie vorlegen, umso leichter ist der Weg zum Kredit oder zum Darlehen“, unterstrich Fauster.
„Es gibt kein Patentrezept für eine erfolgreiche Direktvermarktung, aber Beispiele, an denen man sich orientieren kann“: Mit diesen Worten leitete Moderator Hannes Knollseisen zu vier Beispielen aus der Praxis über, die sich bei der Tagung selbst vorstellen konnten. Joachim Knapp vom Außerlugerhof in St. Lorenzen hat von seinem Vater einen Hof mit 3000 Legehennen übernommen und daraus ein wahres Muster der Vielseitigkeit gemacht: „Mittlerweile bieten wir neben unseren Eiern auch Fleischpakete, Würste, Ragu, Kartoffeln, Gemüse, Beeren, Obst, Sirupe, Nudeln und noch mehr an. Diese Vielseitigkeit ist unser Trumpf, und unsere Kunden wissen das zu schätzen“, betonte Knapp. Den Hof habe er bewusst auf mehrere Standbeine gestellt und biete seit Kurzem auch einen Hofschank an, auch bei den Kunden setze er auf ein breites Spektrum von lokalem Einzelhandel, Gastronomie und öffentlichen Ausspeisungen. Im Hofladen sind drei Automaten im Einsatz.
Andreas Kalser stellte den Betrieb „Kirnig – Südtiroler Edelpilze“ vor, den er mit seinem Kollegen Josef Obkircher in Aldein aufgebaut hat und an dem die beiden mittlerweile rund 100 Tonnen Pilze pro Jahr produzieren. „Kirnig“ hat in der Vermarktung von Anfang an auf den Großhandel gesetzt, auch weil die Auslieferung logistisch anders nicht machbar war: „Wir arbeiten laufend daran, die Arbeitsabläufe so zu optimieren, dass unser Produkt möglichst frisch zum Endverbraucher kommt. Es ist wichtig, hartnäckig zu bleiben, wenn es notwendig ist, aber auch, Vorhaben fallen zu lassen, wenn sie offensichtlich zu nichts führen.“ Den Abschluss der Tagung bildeten zwei Filme: Beide darin porträtierten Höfe haben den begehrten Titel „Direktvermarkter des Jahres“ errungen - der Valentinhof von Lukas Unterhofer in Algund im Jahr 2024, der Wegerhof von Hannes Platter aus Stuls/Moos i. Pass im Jahr 2025.
Am Nachmittag ging es auf der Aktionsbühne des Südtiroler Bauernbundes noch einmal um das Thema Direktvermarktung – und zwar im Speziellen um die Frage, wie Südtirols Direktvermarkter mit ihren Partnern im Großhandel und in der Gastronomie zusammenarbeiten. Erwin Stelzer (Wörndle Interservice) und Manuel Ebner (Koch im Ansitz Rungghof, Girlan) bescheinigten den Direktvermarktern eine sehr hohe Qualität und Verlässlichkeit und wünschten sich einen weiteren Ausbau des Sektors. Julia Burger vom Oberfreihof stellte den Partnern ein gutes Zeugnis aus und wünschte sich noch direktere und offenere Rückmeldungen. Hannes Knollseisen (Bauernbund-Marketing) stellte die zahlreichen Initiativen vor, mit denen der Bauernbund die Direktvermarktung fördert und mahnte die Partner (vor allem in der Gastronomie) zu absoluter Ehrlichkeit bei der Kommunikation mit dem Gast bzw. Konsumenten an. WIFO-Direktor Georg Lun schließlich verwies auf die positiven Zahlen zur Entwicklung der Direktvermarktung und prognostiziere dem Sektor eine rosige Zukunft.