Vinterra: Landwirtschaft, die verbindet
Vor zehn Jahren wurde die Sozialgenossenschaft Vinterra gegründet: Sie verbindet Landwirtschaft mit sozialer Integration und regionaler Wertschöpfung. Was klein begann, ist heute ein lebendiges Beispiel für Kreislaufwirtschaft, gesellschaftliches Engagement und nachhaltige Entwicklung.
Die Sozialgenossenschaft „Vinterra“ war die erste in Südtirol, die aktiv Landwirtschaft betreibt: Sie schafft Arbeitsplätze für sozial benachteiligte Menschen, baut auf ökologisch vielfältige Landwirtschaft und bringt gesunde, regionale Lebensmittel in den Alltag. Der Name verweist auf die Erde des Vinschgaus, die Vinschger Erde bildet auch das Fundament der Malser Sozialgenossenschaft. Der „Malser Weg“ lieferte den Nährboden für diese Idee. Von Anfang an ging es darum, die Vielfalt der Kulturen auf den Feldern rund um Mals nicht nur kulinarisch, sondern auch menschlich weiterzuführen. Heute kommen etwa 30 Prozent der Mitarbeitenden aus sozialen Randgruppen – Menschen mit psychischen Erkrankungen, mit Suchterfahrungen, körperlichen Einschränkungen oder Fluchthintergrund. Für sie bedeutet Vinterra weit mehr als ein Arbeitsplatz: Es ist ein Ort der Teilhabe, der Wertschätzung und der gelebten Nachhaltigkeit – ökologisch, sozial und wirtschaftlich.
Zehn Jahre alt, seit sechs Jahren gibt es das Bistro
Heute – zehn Jahre nach ihrer Gründung – bewirtschaftet Vinterra fünf Hektar Fläche, doppelt so viel wie zu Beginn. Die Produktpalette ist beeindruckend: über 30 verschiedene Gemüsesorten, darunter Rohnen, Zwiebeln, Kartoffeln, diverse Kohlarten, Salate, Kräuter. Auch Getreide wie Dinkel, Emmer, Roggen wird angebaut. Die Entscheidung für Vielfalt ist bewusst – sie bedeutet zwar viel Handarbeit, aber auch Nachhaltigkeit und Qualität. Die Produkte werden nicht nur direkt vermarktet, sondern auch veredelt. 2019 eröffnete Vinterra ein eigenes Bistro in Mals – ein Ort der Begegnung, der Kultur und der Sichtbarkeit. Diese war wichtig, damit Vinterra weiterbestehen konnte. Doch die ersten Jahre waren herausfordernd: Kaum war das Bistro eröffnet, folgte der erste Corona-Lockdown. Doch dank der Unterstützung der Mitglieder, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie öffentlicher und privater Organisationen konnte der Betrieb weitergeführt und sogar ausgebaut werden. Heute zählt das Bistro viele Stammgäste – Einheimische wie Touristen, die die frische, regionale Küche schätzen. Fast ausschließlich biologische Zutaten aus der Umgebung kommen hier auf den Teller.
Bürokratie als Herausforderung
Im Mai gab die langjährige Präsidentin Martina Hellrigl den Vorsitz an Gerhard Kapeller ab. Er bringt nun neue Impulse ein. Der ehemalige Obmann der Raiffeisenkasse Taufers sieht die größten Herausforderungen in der Bürokratie, in der Organisation und in der wirtschaftlichen Stabilität. Der finanzielle Spielraum der Sozialgenossenschaft ist begrenzt, und die Arbeit mit Menschen aus Randgruppen bringt naturgemäß Ausfälle mit sich. Dennoch ist Kapeller überzeugt: „Vinterra leistet einen wertvollen Dienst an der Gesellschaft.“ Er hofft auf weitere Förderungen und neue Mitgliedschaften, um die Sozialgenossenschaft finanziell abzusichern. Ein weiteres Ziel für die Zukunft ist es, die Auslastung der Mitarbeitenden in den Wintermonaten zu verbessern. Auf dem Feld gibt es dann weniger zu tun, daher werden neue Ideen und Standbeine gesucht. Kapeller möchte bestehende Netzwerke ausbauen und neue Kundengruppen erschließen. Der Direktverkauf läuft gut. Auch öffentliche Einrichtungen wie die Altersheime im Vinschgau werden mit den landwirtschaftlichen Produkten beliefert. Kapeller wünscht sich aber eine intensivere Zusammenarbeit mit der Gastronomie, hier sieht er noch viel Potenzial.
Auch der Generationswechsel ist ein Thema. Aber es gibt junge Menschen, die Verantwortung übernehmen, wie z. B. ist Rainer Marcello. Der Agrarwissenschaftler aus Schlanders arbeitet seit März bei Vinterra und kümmert sich um die Felder, die Bestellungen und die Auslieferung. Die Arbeit mit Mitarbeitenden aus Randgruppen sieht er als Bereicherung. „Der Arbeitsrhythmus ist zwar etwas langsamer, aber durchaus machbar“, sagt er. Für ihn ist klar: „Vinterra hat Zukunft, weil es der richtige Weg ist – und weil es darum geht, die Bevölkerung zu ernähren.“ Diese Kreislaufwirtschaft macht Sinn. Das ist es, was ihn antreibt.
Ein ergänzendes Interview mit Martina Hellrigl, Vizepräsidentin der Sozialgenossenschaft und Mitarbeiterin im Bistro Vinterra, finden Sie ab Freitag in der Ausgabe 21 des „Südtiroler Landwirt“ vom 21. November auf Seite 28, online auf „meinSBB“ oder in der „Südtiroler Landwirt“-App.