Warum Ehrenamt Freude macht
Im Rahmen des Lern- und Innovationsnetzwerks für nachhaltige Landwirtschaft (Modell LINSA 2.0) hat das Forschungsinstitut WIFO in einer Umfrage die Funktionärstätigkeit in den Südtiroler Wirtschaftsverbänden beleuchtet – mit einem besonderen Augenmerk auf Jüngeren und Frauen.
Das ehrgeizige Projekt, die aktuelle Situation der Funktionärstätigkeit in den größten Wirtschaftsverbänden Südtirols (Südtiroler Bauernbund, LVH/APA, HDS Unione, HGV) näher zu untersuchen, wurde im April 2023 auf Initiative des Bauernbundes gestartet. Das Ziel: herauszufinden, wer die Funktionärinnen und Funktionäre in diesen Verbänden sind und welche Maßnahmen ergriffen werden können, um den Nachwuchs und die Frauenbeteiligung für das Funktionärswesen zu stärken und zu sichern. Befragt wurden insgesamt knapp 1000 Mitglieder des Bauernbundes (SBB) und 353 Mitglieder der Südtiroler Bäuerinnenorganisation (SBO). Von der Bauernjugend (SBJ) wurden hingegen 200 Funktionärinnen und Funktionäre befragt. Die erste Vorstellung der Ergebnisse fand kürzlich im Bauernbund statt. Die Studie wird in der Folge den weiteren teilnehmenden Verbänden vorgestellt. Gefragt wurde einleitend, was zur Mitgliedschaft im Verband bewogen habe. Die Motive fallen unterschiedlich aus: Während für Bauernbund-Mitglieder besonders wirtschaftliche Motive wie Dienstleistungen, Netzwerk- und Lobbyarbeit zum Tragen kommen, treten bei der SBO verstärkt persönlichere Gründe hervor: die eigene Weiterentwicklung oder auch die Zugehörigkeit oder der Austausch mit anderen Mitgliedern.
Einigkeit unter den Befragten herrscht hingegen, was die Zufriedenheit mit der von den jeweiligen Verbänden geleisteten Arbeit und den gebotenen Dienstleistungen angeht: Knapp 90 Prozent der Befragten haben diese positiv bewertet. Derselbe Prozentsatz bereits amtierender Funktionärinnen und Funktionäre äußert ebenfalls Zufriedenheit mit ihrer Funktionärstätigkeit. Insbesondere trifft dies auf SBJ-Funktionärinnen und Funktionäre zu. Was sie am meisten an ihrer Tätigkeit schätzen: das gute Arbeitsklima unter Gleichgesinnten, das mit ihrer Tätigkeit verbundene Ansehen in der Öffentlichkeit und die Möglichkeit, im Rahmen ihres Amtes neue Kontakte zu knüpfen. SBJ-Landesobmann Raffael Peer freut sich: „Obwohl die SBJ den höchsten zeitlichen Aufwand für ihre Funktionärinnen und Funktionäre aufweist, so sieht man hier dennoch große Zufriedenheit und Engagement.“
Funktionärstätigkeit: warum – und warum nicht?
Was bewegt nun ein Mitglied dazu, sich als Funktionärin oder Funktionär zu betätigen? Ganz eindeutig sind drei Faktoren ausschlaggebend: die Wertschätzung der eigenen Arbeit, das damit verbundene Ansehen in der Öffentlichkeit und die Möglichkeit, etwas zu verändern. Natürlich spielen auch persönliche Neigungen und Charaktereigenschaften eine Rolle: Wer offen ist, einen höheren Bildungsabschluss besitzt und auf Erhöhung der eigenen Kompetenzen sowie persönliche Weiterentwicklung Wert legt, wird eher dazu neigen, ein Funktionärsamt anzunehmen. Was hingegen davon abhält, sich der Herausforderung der ehrenamtlichen Betätigung zu stellen, ist vor allem der damit verbundene zeitliche Aufwand. Viele Befragte von SBB, SBO und SBJ befürchten, durch eine Funktionärstätigkeit einen zu großen Teil ihrer Zeit bei Sitzungen und Treffen verbringen zu müssen oder die Tätigkeit mit ihrem Privatleben nicht vereinen zu können. Landesbäuerin Antonia Egger Mair stellt fest: „Familie, Beruf, Hof, Hausarbeit: Frauen, aber natürlich auch Männer, werden immer mehr auf mehreren Fronten beansprucht. Die spärliche (Frei-)Zeit braucht man, um die eigenen Batterien aufzuladen. So gern man ehrenamtlich tätig wäre: Zeitlich geht sich manchmal einfach nicht noch mehr aus.“
Die Aussicht auf ein effizienteres Zeitmanagement, z. B. durch Online-Sitzungen statt Versammlungen in Präsenz, könnte daher einen Verbesserungsansatz für die Verbände darstellen, um ihre Funktionärinnen und Funktionäre zu halten und Interessierte zu gewinnen. Auch ein besserer Zugang zu Informationen und Personen sowie eine ausgewogenere Vertretung der Altersgruppen werden als Verbesserungspotenziale genannt. Insgesamt geht aus dieser Umfrage eine eindeutige Botschaft hervor. Funktionärstätigkeit gerne, aber unter gewissen Voraussetzungen: flexibleres Zeitmanagement, Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, Anerkennung der geleisteten Arbeit, eine ausgewogene Vertretung von Jung und Alt, ein effizienterer Einsatz moderner Kommunikationsmöglichkeiten sowie Zugang zu Informationen und Ressourcen – dann macht Funktionärstätigkeit Spaß.
Das Fazit ist auf jeden Fall erfreulich, auch für Bauernbund-Landesobmann Leo Tiefenthaler: „Die Ergebnisse bestätigten: Wir können positiv in die Zukunft blicken und uns auch weiterhin darauf verlassen, dass sich Mitglieder bereit erklären, die für den Verband so wichtige Funktionärstätigkeit zu übernehmen.“