„Wein ist viel mehr als Alkohol“
Magdalena Pratzner ist Winzerin am Weingut Falkenstein in Naturns und Präsidentin der Freien Weinbauern Südtirol. Im Gespräch mit dem „Südtiroler Landwirt“ spricht sie über ihren Weg in den Weinbau, den Mut ihrer Eltern, die Rolle der Frauen und gemeinsame Projekte der kleinen Weinbaubetriebe.
Südtiroler Landwirt: Frau Pratzner, Sie sind Winzerin und Präsidentin der Freien Weinbauern. Wie hat Sie Ihr Weg in den Weinbau geführt?
Magdalena Pratzner: Ich arbeite seit 2019 im elterlichen Weingut Falkenstein in Naturns mit. Anfangs war ich für Keller und Verkauf zuständig, inzwischen mache ich eigentlich alles, was im Betrieb anfällt.
Sie haben zuerst Politikwissenschaften studiert und sind dann in den Weinbau gewechselt. Was hat Sie umdenken lassen?
Nach der Matura wollte ich vor allem weg und in die Welt hinaus. Ich habe ein Jahr Politikwissenschaft in Wien studiert und dabei gemerkt, dass mich die Landwirtschaft immer mehr fasziniert. Also bin ich an die BOKU gewechselt und habe Weinbau und Önologie studiert.
Nach dem Studium waren Sie mehrere Jahre im Ausland. Warum war Ihnen diese Zeit so wichtig?
Zwischen 2014 und 2019 habe ich verschiedene Praktika gemacht, vor allem in englischsprachigen Ländern wie in Australien, den USA, dazu kamen Zwischenstopps in Frankreich und Österreich. Ich wollte Erfahrungen sammeln, den Horizont erweitern und nicht nur mit dem Blick von daheim in den Betrieb einsteigen.
Sie sprechen oft von der Vorarbeit Ihrer Familie. Was haben Sie von Ihren Eltern und Großeltern gelernt?
Mein Opa hat für den Buschenschank Wein gemacht, das waren anfangs zwei Hektar. Mein Vater war der Erste, der seinen Wein in 7/10-Flaschen gefüllt hat und mehr Passion für Weinbau als für Obstbau hatte. Meine Eltern haben dann die Äpfelbäume gerodet, alles auf Wein umgestellt und damit viel Mut bewiesen. Viele im Dorf haben diesen Schritt damals nicht verstanden, ich bewundere heute noch ihren Mut.
Wie sieht das Weingut Falkenstein heute aus, und welche Sorten liegen Ihnen besonders am Herzen?
Unser Weingut liegt oberhalb von Naturns, direkt über dem Dorf, mit rund sieben Hektar Rebfläche Eigenfläche und weiteren Flächen in Pacht. Unter den Weißweinen trinke ich gerne Riesling, das ist auch der Schwerpunkt bei uns am Hof. Ich probiere mich aber auch durch viele andere Sorten. Richtig fasziniert bin ich vom Blauburgunder, auch wenn er im Anbau und im Keller sehr anspruchsvoll ist. Blauburgunder ist kompliziert, aber er belohnt einen, wenn alles passt. Dann entstehen elegante, fruchtige, salzige Weine, die unglaublich spannend sind. Für mich ist das eine Sorte, mit der man sich lange beschäftigen kann.
Seit 2023 sind Sie Präsidentin der Freien Weinbauern Südtirol. Wer sind diese Freien Weinbauern? Ist es für Sie etwas Besonderes, die erste Frau an der Spitze des Vereins zu sein?
Wir sind aktuell 117 Mitglieder, fast ausschließlich kleine Familienbetriebe mit durchschnittlich zwei bis drei Hektar. 1999 haben sich zwölf Winzer zusammengeschlossen, weil sie sich in der Südtiroler Weinwirtschaft nicht gehört fühlten. Gemeinsam wollte man die Interessen der kleinen, unabhängigen Betriebe stärker nach außen tragen. Es ist eine Ehre, dass ich die erste Frau an der Spitze sein darf, aber für mich macht es keinen Unterschied, ob eine Frau oder ein Mann vornedran steht. Wichtig ist, dass die Person geeignet ist und Passion mitbringt. Und ich hoffe sehr, dass ich nicht die Letzte bin.
Im Südtiroler Weinbau übernehmen immer mehr junge Frauen Verantwortung. Wie erleben Sie diese Entwicklung?
Der Anteil der Frauen an der Spitze ist noch klein, aber er ist in den letzten Jahrzehnten gestiegen. Früher hat man oft gezweifelt, ob eine Frau die Arbeit auf dem Hof körperlich schaffen kann. Ich bin mit Eltern aufgewachsen, die uns zwei Töchtern immer gesagt haben: Wenn ihr das wollt, könnt ihr den Hof übernehmen – und genau so sollte es sein.
Sie betonen flache Hierarchien und Gemeinschaftsentscheidungen im Verein. Wie setzen Sie das konkret um?
Wir sind im Ausschuss ein gutes Team und haben Arbeitsgruppen eingerichtet, die sich um bestimmte Themen kümmern und Vorarbeit leisten. So teilen wir die Arbeit besser auf, jede und jeder trägt Verantwortung. Das macht die Entscheidungsfindung vielfältiger und erleichtert uns vieles, gerade weil alle auch ihren Betrieb daheim haben.
Ein sichtbares Projekt ist die Gemeinschaftsflasche der Freien Weinbauern. Was steckt dahinter?
Wir wollten ein gemeinsames Gesicht nach außen und haben uns für eine eigene Freie-Weinbauern-Flasche entschieden. Es handelt sich dabei um eine 390-Gramm-Leichtglasflasche mit Kork-, Schraub- und Glasverschluss. Seit April sind die ersten Flaschen im Umlauf, rund eine halbe Million, genutzt von etwa 40 Betrieben. Durch die halbe Million Flaschen sparen wir etwa 170 Tonnen CO₂ ein. Das entspricht ungefähr 1,3 Millionen Autokilometern. Es werden sicher noch mehr Betriebe dazukommen, aber wir gehen Schritt für Schritt, vorerst mit einer Flaschenform – der Burgunderflasche.
Die Freien Weinbauern sind Teil des Konsortiums Südtirol Wein. Wie unterscheiden sich die Freien Weinbauern von Kellereigenossenschaften und großen Weingütern?
Wir haben als kleine Familienbetriebe in manchen Themen andere Interessen als Genossenschaften oder große Weingüter, allein schon wegen der Betriebsgröße. Trotzdem ist es wichtig, dass alle drei Gruppen zusammenarbeiten. Nach außen, gerade im Ausland, haben wir viele gemeinsame Ziele: die Weinregion Südtirol sichtbar machen und ihr Profil stärken.
Im Konsortium sitzen alle gemeinsam am Tisch. Wie erleben Sie diese Zusammenarbeit?
Im Konsortium gibt es eine gute Diskussionskultur, und dort vertreten wir Freien Weinbauern unsere Position. Wir sind nicht immer einer Meinung, das ist normal. Entscheidend ist, dass das gemeinsame Ziel – die Bekanntheit der Weinregion Südtirol – von allen mitgetragen wird.
Ein heiß diskutiertes Thema – nicht nur im Konsortium Südtirol Wein, sondern auch darüber hinaus – sind alkoholfreie Weine. Wie sehen die Freien Weinbauern das?
Für uns ist Wein ein Kulturgut mit einer langen Tradition, und damit viel mehr als nur Alkohol. Alkoholfreier Wein ist sicher ein Trend, vor allem in Ländern wie Deutschland. Aber die Entalkoholisierung braucht viel Energie, nimmt Aroma und wird oft mit Zucker ausgeglichen – da fragen wir uns, ob das noch Wein ist.
Wo wünschen Sie sich die Freien Weinbauern in 20 Jahren?
Ich hoffe, dass wir dann als Freie Weinbauern noch stärker wahrgenommen werden. Wenn jemand „Freier Weinbauer“ hört, soll sofort klar sein, wofür wir stehen und welche Werte wir vertreten. Wenn uns das gelingt, haben wir viel erreicht.
Magdalena Pratzner spricht in der aktuellen Folge von „Zuaglost“. Abrufbar ist die neue Podcast-Folge wie immer unter dem Link zuaglost.podigee.io und auf allen gängigen Podcast-Plattformen (Spotify, Apple Podcasts, YouTube usw.).