Heinrich Aukenthaler: „Der Wolf hat keine natürliche Menschenscheu.“

Wolf gefährdet Biodiversität

Warum der Wolf bejagt werden sollte, wie er sich so schnell ausbreiten konnte und welche Folgen sein Aufkommen im Alpenraum hat, erklärt Heinrich Aukenthaler im Interview.

Lesedauer: 7
SBB Politik

Heinrich Aukenthaler, ehemaliger Geschäftsführer des Südtiroler Jagdverbandes, hat zusammen mit Expertinnen und Experten das Buch „Der Wolf im Visier – Konflikte und Lösungsansätze“ veröffentlicht. Mittlerweile ist es schon in zweiter Auflage erschienen (siehe Bericht in Ausgabe 2/2023). Im Gespräch mit dem „Südtiroler Landwirt“ teilt er sein Wissen über den Wolf und erklärt, warum es ohne Abschüsse nicht funktionieren wird.

Südtiroler Landwirt: Herr Aukenthaler, in der Diskussion rund um den Wolf kommt oft das Argument, es handle sich dabei um ein scheues Tier, das Menschen aus dem Weg gehe. Was ist an diesem Argument dran?
Heinrich Aukenthaler:
Diese Annahme ist so nicht korrekt. Der Wolf ist nicht von Natur aus menschenscheu. Er kann sehr gut unterscheiden, wovon eine Gefahr ausgeht. Und vom Menschen hat er in der aktuellen Situation wenig zu befürchten. Solange den Wölfen nichts passiert, wenn sie sich dem Menschen nähern, werden sie ihre Scheu immer weiter reduzieren. Dementsprechend streifen Wölfe bereits jetzt tagsüber durch Siedlungen und überwinden Herdenschutzmaßnahmen. Hier sind die einzigen wirksamen Maßnahmen letaler, sprich tödlicher Art. Nur durch Abschüsse können diese Wildtiere langfristig auf Distanz zum Menschen gehalten werden.

Wie wichtig ist der Wolf für das Ökosystem im Alpenraum? Konzentriert er sich wirklich – wieder ein häufiges Argument – vor allem auf kranke Tiere als Beute?
Wenn sich der Wolf im Alpenraum niederlässt, hat das in jedem Fall mehr Nachteile als Vorteile für das Ökosystem, insbesondere für die Artenvielfalt. Das Argument, dass der Wolf nur oder vorwiegend kranke Tiere jagt, möchte ich gleich entkräften. Es mag schon sein, dass ein Wolfsrudel zunächst ein krankes Tier reißt, weil es eine einfachere Beute ist. Aber wenn kein krankes Tier zur Verfügung steht, hört der Wolf deshalb nicht auf zu jagen. Dann wird er ein gesundes Tier angreifen.
Aber zurück zu seiner Rolle im Alpenraum: Breitet sich der Wolf weiterhin ungehindert aus, wird die Almwirtschaft über kurz oder lang aufgelassen werden – mit fatalen Folgen für die Artenvielfalt. Denn durch das Bestoßen der Almen entsteht ein einzigartiger Lebensraum für viele bedrohte Arten, wie das Birk- oder das Schneehuhn. Werden die Almen aufgelassen, werden auch zahlreiche Tier- und Pflanzenarten verschwinden.

Warum konnte sich der Wolf in den vergangenen Jahren im Alpenraum – speziell im Trentino und in Südtirol – so schnell und einfach vermehren? War diese Entwicklung abzusehen?
Das rasche Wachstum der Wolfspopulation lässt sich auf den strengen Schutz dieser Tiere zurückführen. Sie fanden, besonders im Trentino, einen idealen Lebensraum und reichlich Nahrung vor. Alles begann im Jahr 2012, als sich zwei besenderte Wölfe erstmals in der Nähe von Verona gepaart haben. Seitdem sind von diesen beiden Individuen ausgehend 29 Rudel entstanden, die sich langsam Richtung Norden ausbreiten und mittlerweile auch Südtirol erreicht haben. Jedoch hätte niemand – auch nicht die Wissenschaft – damit gerechnet, wie schnell die Wolfspopulation in Italien und auch in Südtirol anwachsen würde.

Den ganzen Bericht finden Sie ab Freitag in der Ausgabe 17 des „Südtiroler Landwirt“ vom 29. September ab Seite 13, online auf „meinSBB“ oder in der „Südtiroler Landwirt“-App.

Weitere Artikel zu diesem Thema